Nachhaltigkeit als State of the Art
Verpackungsexpertin Carolina E. Schweig kennt die Branche schon seit den frühen 80er-Jahren und weiß, wie die Industrie zur Nachhaltigkeit steht.
BIORAMA: Frau Schweig, wann ist eine Verpackung innovativ?
Carolina Schweig: Im Allgemeinen wird der Begriff »innovativ« leider viel zu häufig und oft auch anstatt »schick« verwendet. Für mich muss da mindestens eine neue Herangehensweise, eine neue Technik oder ein neues Material dahinter stehen, ansonsten kann man nicht von einer Innovation sprechen.
Wie definieren Sie nachhaltige Verpackungen?
Ich beziehe mich hier auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit: ökonomische, ökologische und soziale Kriterien. Die Kosten müssen im Rahmen einer vergleichbaren Verpackung sein, Natur und Umwelt dürfen dabei nicht geschädigt werden und ein guter Umgang mit den Mitarbeitern wird vorausgesetzt. Für mich gibt es noch ein Kriterium, quasi eine vierte Säule: Wenn soziale Aspekte auch in den Unternehmenszielen meines Auftraggebers berücksichtigt werden, ist das Projekt besonders nachhaltig.
Wie stark ist die Tendenz der Verpackungsindustrie in Richtung Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist ja ein Modewort. Ich denke, die meisten Menschen wissen nicht, was Nachhaltigkeit bedeutet. Auch im Verpackungsbereich wurde dieser Begriff in den letzten Jahren sehr häufig verwendet, aber die Bedeutungen gehen auseinander. Manche meinen damit nachhaltige Materialien, andere denken etwas weiter und berücksichtigen vielleicht auch Produktion und Transport. Dieser komplexe, ganzheitliche Ansatz, der ökonomische, ökologische und soziale Kriterien zugleich berücksichtigt, ist in der Praxis kaum zu finden. Also das Wort Nachhaltigkeit wird meist dafür benutzt, was man gerade verkaufen möchte.
Besteht die Gefahr von Greenwashing?
Ja, weil natürlich Tür und Tor geöffnet ist und es keine gesetzlichen Regelungen und Verpflichtungen gibt.
Würden Sie es befürworten, wenn ökologische Anforderungen für Verpackungen von einer zentralen, unabhängigen Stelle kämen?
Ja, ich befürworte eine saubere Diskussion darüber, welche Bewertungskriterien hier relevant sind. Allerdings müsste man das auf internationaler Ebene durchführen und das könnte schwierig werden.
Was zeichnet Best Practice im Verpackungsbereich aus?
Best Practice ist die beste Umsetzung in einem bestimmten Bereich. In meinem Unternehmen setzen wir diese Beispiele als Bench-Marks ein, um unsere Projekte zu verbessern. Aktuelle Best-Practice-Beispiele im Verpackungsbereich stechen durch nachhaltige Aspekte hervor. Es wird nicht nur das Material berücksichtigt, sondern die gesamte Prozesskette. Wo wird das produziert, wie sind die Transportwege, woher sind die Rohstoffe, wie kann die gesamte Supply-Chain – also bis hin zum Kunden – optimiert werden? Theoretische Ansätze aus Öko-Bilanzierungen müssen in die Praxis umgesetzt werden. Best Practice sind Verpackungsprojekte, die es schaffen, solche Ansätze zu verwirklichen.