„Dann hat sich der Bauer bemüht“ – Bio-Kontrolleure erzählen von ihrem Berufsalltag

Bio-Kontrolleur Claus Ottmann-Warum kontrolliert mit allen Sinnen. Bild: Jürgen Schmücking

Bio-Kontrolleur Claus Ottmann-Warum kontrolliert mit allen Sinnen. Bild: Jürgen Schmücking

Bio-Kontrolleure haben eine verantwortungsvolle Tätigkeit. Immerhin liegt es an ihrem geschulten Auge, ob ein Bio-Betrieb ein Bio-Zertifikat erhält oder nicht. Über ihre Arbeit sprachen wir mit Claus Ottmann-Warum und Sabine Taudes von Austria Bio Garantie.

BIORAMA: Sie sind fast seit Gründung der Kontrollstelle mit dabei. Was hat sich an Ihrer Arbeit seit den 90er Jahren verändert?

Claus Ottmann-Warum: Früher hat man viel weniger mit Papier gearbeitet, viel weniger dokumentiert. Die Kontrolle basierte mehr auf Vertrauen, fand mehr auf der Gefühlsebene statt. Und es gab noch keine Positiv-Doku.

Können Sie uns ein Beispiel für diese Positiv-Dokumentation nennen?

Ottmann-Warum: Wenn ein landwirtschaftlicher Bio-Betrieb Gänse mästet und dafür Gänseküken zukauft, ist es erlaubt, bis zu drei Tage alte Küken auch konventionell einzukaufen. Wenn der Betrieb diese Küken aus biologischer Aufzucht kauft, vermerke ich das positiv. Dann hat sich der Bauer bemüht, und zwar mehr als notwendig.

Claus Ottmann-Warum mit BIORAMA-Autorin Christa Grünberg am Köglerhof. Bild: Jürgen Schmücking

Claus Ottmann-Warum mit BIORAMA-Autorin Christa Grünberg am Köglerhof. Bild: Jürgen Schmücking

Welche sind für Sie die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Ottmann-Warum: Bauchweh habe ich, wenn ich zu Betrieben komme, die sich an der Grenze des Möglichen bewegen. Dann muss man haarscharf nachrechnen, geht sich z.B. die Fleischproduktion mit der Futtermittelanbaufläche und den Futtermitteln aus oder nicht.

Sabine Taudes: Unsere Herausforderung ist es, eine sehr gute und genaue Kontrolle durchzuführen, dabei die Richtlinien stets einzuhalten und gleichzeitig dem Betrieb nicht nur einen Bericht mit den Abweichungen und Sanktionen auszuhändigen, sondern konstruktiv mit ihm an der Lösung des Problems zu arbeiten.

Was sind denn die größten finanziellen Hürden für Bio-Bauern?

Ottmann-Warum: Die Errichtung eines Stalls, der den Richtlinien entspricht oder bei der Freilandhaltung die Zurverfügungstellung von genügend großen Auslaufflächen mit trockener Einstreu.

Gibt es Betriebe, die schon ziemlich nahe an biologische Landwirtschaft herankommen, sich aber trotzdem nicht zertifizieren lassen?

Ottmann-Warum: Ja, speziell Grünlandbetriebe. Eben weil für sie die größten Handicaps die Offenstall-Haltung und regelmäßiger Auslauf sind.

Bild: Jürgen Schmücking

Bild: Jürgen Schmücking

Man liest immer wieder von Skandalen im Bio-Bereich, z.B. vom Legehennen-Skandal in Deutschland. Da haben Tierschützer heimlich in großen Bio-Betrieben gefilmt, wo Hennen unter den fürchterlichsten Bedingungen gehalten werden. Wie kann so etwas passieren?

Ottmann-Warum: Einerseits kann ich mir vorstellen, dass da eben die zugehörige Kontrollstelle weggeschaut hat. Eine gewisse Korruption gibt es, glaube ich, schon. Andererseits kann es auch sein, dass der Betrieb zwar am Tag der angemeldeten Kontrolle den Tieren Auslauf gewährt, davor und danach die Tiere aber unter nicht erlaubten Bedingungen gehalten werden.

Mit welchen Maßnahmen könnte man solchen Missbrauch eindämmen?

Ottmann-Warum: Indem man mehr unangemeldete Kontrollen durchführt bzw. diese auch vorschreibt.

Wo gibt es denn die lästigsten Schlupflöcher?

Ottmann-Warum: Zum Beispiel bei der Streuobstverarbeitung. Wenn z.B. ein Bio-Betrieb mehr Apfelsaft produzieren möchte als er Äpfel hat, und von konventionellen Bauern Äpfel zukauft und sie verarbeitet. Da kann ich als Kontrolleur keine Rückstände feststellen, weil bei Streuobstbeständen in der Regel nicht gedüngt wird und keine Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Aber von den Richtlinien her dürfte der Bauer den Apfelsaft dann nicht als bio verkaufen.

Taudes: Im Gastronomiebereich ist es der Sachverhalt, dass die Kontrollpflicht nicht in der EU-Bio-Verordnung 834/2007 geregelt ist, sondern eine nationalstaatliche Lösung ist. Jedes EU-Land kann selbst entscheiden, ob die Außerhaus-Verpflegung kontrollpflichtig ist oder nicht. In Deutschland ist das bereits seit 2004 der Fall, in Österreich erst seit 2009. Durch die Verankerung in der EU-Bio-Verordnung hätte die Kontrollpflicht in der Gastronomie sicher mehr Gewicht.

Jedes Etikett, jede Rechnung, jeder Lieferschein wird kontrolliert. Bild: Jürgen Schmücking

Jedes Etikett, jede Rechnung, jeder Lieferschein wird kontrolliert. Bild: Jürgen Schmücking

Apropos EU: Gibt es generell Unterschiede im Ablauf der Kontrollen in den einzelnen EU-Staaten?

Ottmann-Warum: So weit ich weiß, nein. Schließlich ist die EU-Kommission auch die EU-weit übergeordnete Akkreditierungsstelle für alle Kontrollstellen in den EU-Staaten.

Sie hören sicherlich auch einfallsreiche Ausreden bei Ihren Kontrollen. Könnten Sie uns zum Abschluss eine davon nennen?

Ottmann-Warum: Bei einem Lagerrundgang entdeckte ich bei einem Bio-Betrieb, der Speck und Wurstwaren erzeugte – wofür man auch Wacholderbeeren braucht –, ein Glas mit 800 Milliliter konventionellen Wacholderbeeren. Auf meine Frage, was man damit macht, kam die spontane Antwort: »Die brauchen wir zum Basteln für unsere Tiere aus Heu. Für ihre Augen.«

Taudes: Einmal fand ich nicht etikettiertes Obst und Gemüse in der Speis eines Bio-Gasthauses und fragte danach. Die Antwort war: »Ah, das ist vom Nachbarn, die haben so viele Zwetschken und Tomaten. Aber das ist eh alles bio – wird ja nicht gespritzt.« Ein Bio-Zertifikat vom Nachbarn konnte man mir allerdings nicht zeigen.

 

In unserer aktuellen Ausgabe könnt ihr Claus Ottmann-Warum und BIORAMA-Autorin Christa Grünberg bei der Bio-Kontrolle am Köglerhof begleiten. HIER geht’s zur Online-Ausgabe auf Issuu.

 

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