INEX Sustainability Challenge Touch Down: 25. Juni

2010 gestartet, fand in diesem Jahr bereits zum dritten Mal die INEX Sustainability Challenge (ISC) statt. Die interuniversitäre und interdisziplinäre Ringlehrveranstaltung bietet Studierenden über vier Monate die Möglichkeit, sich in einer Kooperation mit Unternehmen verschiedenen Nachhaltigkeitsprojekten zu widmen. Am 25. Juni werden die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit im Zuge einer Abschlussveranstaltung auf der TU  Wien präsentiert. Biorama diskutierte im Vorfeld mit drei Teilnehmern der ISC über ihre Erfahrungen.

 

BIORAMA: Eine Besonderheit der INEX Sustainability Challenge ist die Methode des „Experimentellen Lernens“ auch „Service Learning“ genannt. Kann mir jemand von erklären, worum es dabei genau geht?

Benedikt Marschütz: Im Prinzip bekommt man zwei Themen zur Auswahl, die man dann in Zusammenarbeit mit einem Projektpartner bearbeitet. Alle Projekte oder Projektansätze stammen direkt aus der Praxis, wurden also nicht direkt für die ISC entwickelt, sondern existierten auch schon davor. Wir wurden dann quasi nachträglich mit ins Boot geholt. Ich selbst habe mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zusammengearbeitet. Es ging um die Frage, wie man den Sustainability Award, der im Grunde bisher sehr positiv aufgenommen und bewertet wurde, auch einer breiten Bevölkerung bekannt machen kann. Wir haben dann drei Szenarien dafür entwickelt, die wir am 25. Juni in Form eines Berichtes an das Bundesministerium übergeben werden. Im Idealfall werden unsere Ideen dann auch tatsächlich umgesetzt.

Stefan Bauer: Beim Service Learning geht es ganz einfach darum, aus der Praxis zu lernen. Ich war in der INEX Projektgruppe und unser Projekt bestand darin, einen Flashmob zum Thema Biodiversitätsverlust zu  organisieren. Stellvertretend für den Artenschwund haben wir den Eisbären herangezogen und dann passend zum Thema einen Eisbären-Freeze-Mob im Museumsquartier veranstaltet. Dieses Projekt haben wir von der Planung bis zur Ausführung komplett organisiert und durchgeführt.

Hanns Jakob Röhl: Eigentlich ist das Service Learning zweigeteilt. Es gibt einen Theorie-Teil, in dem man sich dem Thema Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven – soziologisch, physikalisch, wirtschaftlich etc.- nähert. Zusätzlich dazu, gibt es die genannten Projekte in Zusammenarbeit mit Firmen und Unternehmen, in denen man vor konkrete Probleme gestellt wird. Ich habe zum Beispiel mit einer Bekleidungsfirma zusammengearbeitet, die ihre Kundenarbeit verbessern wollte. Dabei gewinnen alle Seiten, denn die Projektpartner profitieren von unserem Wissen, unserer Zeit und unseren Ideen. Und umgekehrt profitieren wir als Studierende, weil wir lernen, wie solche Projekte durchgeführt werden und wie die Arbeit in der Praxis konkret funktioniert.

Ein zentraler Punkt der Sustainability Challenge ist  die Interdisziplinariät. Welche Erfahrungen habt ihr diesbezüglich gemacht?

Hanns Jakob Röhl: Wir sind den Gruppen relativ willkürlich zugeordnet worden. Ich studiere zum Beispiel Psychologie und für das schon erwähnte Kundenkonzept unseres Projektpartners konnte ich leider sehr wenig fachspezifisches Wissen beisteuern. Auch die Wirtschaftswissenschaftler unserer Gruppen konnten ihr vor allem theoretisches Wissen wenig einbringen. In unserem Fall passten also die Disziplinen nicht wirklich zu der Projektaufgabe. Andererseits war es schon interessant, in einen Austausch mit anderen Studienrichtungen zu treten. Aber ich hatte eben oft das Gefühl, dass ich in meiner Projektgruppe nicht direkt von der interdisziplinären Zusammenarbeit profitieren konnte.

Stefan Bauer: Bei uns in der Gruppe hat die Interdisziplinarität dagegen gut funktioniert, denn zum Thema Biodiversität konnte jeder und jede einen Teil beitragen. Dieses bunte Zusammenwürfeln von Gruppenteilnehmern hat also zumindest in unserem Fall geklappt und viele Vorteile mit sich gebracht. Vorteile allerdings vor allem für den Erfolg des Projekts. Denn mehr gelernt über die verschiedenen Disziplinen habe ich definitiv im theoretischen Teil der ISC.

Benedikt Marschütz: Ich habe sehr stark vom praktischen Teil profitiert. Die Zusammenarbeit hat in unserem Team gut geklappt. Vor allem der Aspekt der Kommunikation: Wie kommuniziert man fächerübergreifend? Und wie kommuniziert man im Bezug auf den Auftraggeber? Hier waren die interdisziplinären Zugänge sehr von Vorteil.

Wie sieht es bei euch im Studium ausserhalb der Sustainability Challenge aus? Habt oder hattet ihr in euren Studiengängen die Möglichkeit interdisziplinär zu arbeiten?

Hanns Jakob Röhl: Also in meinem Psycholgie-Studium nicht. Obwohl das durchaus wünschenswert gewesen wäre.

Stefan Bauer: Bei uns – ich habe vor meinem Doktorat Soziologie studiert – leider auch nur sehr wenig. Und wenn, dann eher in den freien Wahlfächern.

Der Begriff der Nachhaltigkeit wird heute mitunter stark überstrapaziert. Wie würdet ihr für euch Nachhaltigkeit definieren?

Benedikt Marschütz: Nachhaltigkeit ist meiner Meinung nach ein sehr inflationär verwendeter Begriff. Aber man darf ihn, wie auch alle andere Begriffe, nicht generell über einen Kamm scheren. Man muss unterscheiden, ob einen Sache sozial, ökologisch oder wirtschaftlich nachhaltig ist.

Aber wenn sie es nur in einem dieser Bereich ist, kann man doch kaum noch von Nachhaltigkeit sprechen…

Benedikt Marschütz: Genau – das wäre sie nur dann, wenn sie alle diese Bereich abdecken würde. Man sollte das Konzept generell kritisch hinterfragen – ich sage nur Stichwort Greenwashing…

Hanns Jakob Röhl: Für mich ist Nachhaltigkeit eigentlich nur ein anderes Wort für „zu Ende denken“. Und zwar unter Berücksichtigung der eigenen Werte.

Benedikt Marschütz: Und eben dieses „zu Ende denken“ meint für mich alle Bereiche mit einzubeziehen. Denn wenn nur ich persönlich etwas zu Ende denke, kann das wie eine wunderbare Lösung erscheinen, aber aus einer anderen Perspektive betrachtet, ist die Lösung dann plötzlich gar nicht mehr so optimal.

Stefan Bauer: Ich würde das ähnlich definieren und vielleicht noch ergänzen, dass es in der Nachhaltigkeit langfristig keinen negativen Impact geben darf – und zwar für alle Seiten. Die Bilanz muss am Ende zumindest ausgeglichen sein.

Hanns Jakob Röhl: Wenn man sich aber mit einem realistischen und langfristigen Blick das Gesamtsystem ansieht, wird man feststellen, dass es immer Leidtragende geben wird. Ein Beispiel: Natürlich ist es für einen konventionelle Firma, die ihr Abwasser nicht filtern lässt und bisher dadurch Geld gespart hat, auch wirtschaftlich schlecht, wenn sie plötzlich Restriktionen hinnehmen muss. Für die Umweltschützer dagegen ist dieser Schritt ausschließlich positiv.

Benedikt Marschütz: Man kann ja auch generell das Konzept der nachhaltigen Entwicklung kritisieren. Denn es geht davon aus, dass die Wirtschaft bzw. das System immer weiter wachsen wird. Der Begriff ist also insofern in einem kapitalistischen System verhaftet, das langfristig nicht funktionieren kann.

Hanns Jakob Röhl: Und wenn es nicht mehr geht, springt die Politik ein und zahlt…

Stefan Bauer: Mein Verständnis von Nachhaltigkeit hat sich durch die ISC jedenfalls definitiv verändert. Ich habe jetzt ein viel differenzierteres und tieferes Wissen zu diesem Thema. Insofern ist die Sustainability Challenge sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

 

Stefan Bauer studiert im Doktorat Betriebswirtschaft/Informationswirtschaft an der WU Wien und hat während der ISC in der INEX Projektgruppe zum Thema Biodiversitätsverlust gearbeitet. 

Benedikt Marschütz studiert Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien. Während der ISC entwarf er in seiner Projektgruppe ein Marketing-Konzept für den Sustainability Award im Auftrag des BMWF.

Hanns Jakob Röhl studiert Psychologie im Diplomstudiengang an der Uni Wien. Für das Label Göttin des Glücks entwickelte er in seiner Projektgruppe ein Kundenkonzept. Zudem hat er selbst einen Verein gegründet : „reif- Verein zur Förderung des Wertediskurses um Nachhaltige Entwicklung“ arbeitet mit Schülern und Schülerinnen zusammen, um diesen Wege aufzuzeigen, wie sie aktiv und positiv ihre Umwelt mitgestalten können. 

 

INEX Sustainability Challenge Touch Down
25. Juni, 17.30 Uhr
Festsaal der TU Wien

 

www.inex.org/academic-courses/sustainability-challenge

www.inex.org

 


VERWANDTE ARTIKEL