Imker werden, eine Enttäuschung

Foto: Thomas Weber

Foto: Thomas Weber

Leider sehr oberflächlich geraten: Franziska Lipps Anleitung „Imker werden“ wird den sonst vom Servus-Verlag gewöhnten Qualitätsstandards nicht gerecht. Ein Möchtegern-Büchlein, das es im Netz-Zeitalter derart schlicht nicht mehr braucht.

Gleich vorweg: Wer sich einen Abend lang im Netz über Bienenhaltung schlau macht, wird mehr erfahren als beim Lesen und Durchblättern dieses Büchleins. Zwar wird, wer zum Thema „Imker werden“ sucht, womöglich auf der Verlagswebsite landen. Der Titel bringt schließlich nicht nur eine zeitgeistige Sehnsucht auf den Punkt, sondern ist klug und pragmatisch gleich auch auf gängige Googlesuchanfragen hin formuliert. So gesehen: ein Treffer!

Darüber hinaus spricht die Salzburger Journalistin und leidenschaftliche Imkerin Franziska Lipp dem von ihr verfassten Bändchen gleich im letzten Satz ihres Vorworts die  Existenzberechtigung ab. Denn: „Es wäre vermessen zu denken, nach dem Lesen dieser paar Seiten würden Sie bereit sein, Ihre eigenen Bienenvölker in den Garten, auf die Terrasse oder den Balkon zu stellen“. Der vielleicht beste Tipp findet sich auch gleich im Vorwort: „Schauen Sie einem erfahrenen Imker über die Schulter und finden Sie heraus, ob eigene Bienen ihr Leben bereichern würden“. Ja, eh.

Fragt sich bloß: Wenn ich mich zum Imker oder zur Imkerin berufen fühle, ich nach der Lektüre dieses Buchs allerdings ohnehin nicht dazu befähigt bin, Bienen zu halten – warum sollte ich dann anstatt zu diesem Büchlein nicht besser gleich zu einer der Publikationen greifen, die Lipp auf der letzten ihrer 63 Seiten als weiterführende Literatur ans Herz legt; etwa „Imkern Schritt für Schritt“ von Kaspar Bienefeld oder James E. Tews „Bienenwissen. 500 bewährte Tipps für erfolgreiches Imkern“.

Natürlich erfährt der Laie mit Hang zum Honig trotzdem Wissenswertes über Völker, Arbeiterinnen, Drohnen und Königinnen. Etwa wo man überhaupt Bienen kaufen kann. Und auch der kleine Leitfaden durchs Bienenjahr bietet brauchbare Orientierung („Sie können von Anfang Mai bis Mitte August auf einen längeren Urlaub verzichten. Während dieser Monate herrscht Hochsaison im Bienenstock.“)

Davon abgesehen sind einige vom Verlag oder der Autorin gesetzte inhaltliche Prioritäten nicht ganz nachvollziehbar.

Warum wird einerseits detailverliebt illustriert, wie der „Aufbau einer Magazinbeute“ (also: einer Bienenbehausung) zeitgemäß auszusehen hat, während auf Fotos Strohstöcke gezeigt werden, die heute höchstens noch in Freilichtmuseen Anwendung finden?

Warum werden also einerseits romantische Bilder bedient, während, nur zum Beispiel, Hinweise über den Unterschied von konventioneller Honig-Produktion und Bio-Standards komplett fehlen?

Warum wird zwar auf die komplexe Kommunikation innerhalb eines Bienenvolks hingewiesen, aber mit keinem Wort erwähnt, dass für deren Erforschung 1973 die Österreicher Karl von Frisch und Konrad Lorenz sowie der Niederländer Nikolaas Tinbergen den Nobelpreis verliehen bekamen?

Andererseits ist die oftmalige inhaltliche Selbstbeschränkung auf Österreich nicht stimmig. Da tun sich dann mitunter mehr Fragen auf als beantwortet werden. Ein Beispiel: Bedeutet der Hinweis darauf, dass es „in Österreich Neueinsteiger-Förderungen für Imker“ gibt, dass es diese in Deutschland und der Schweiz nicht gibt? Oder hat die Autorin hier einfach nicht recherchiert? In Bayern beispielsweise wird zumindest „Imkern auf Probe“ finanziell unterstützt.

Warum wird wenn es um Imkerverbände geht, auf das Internet verwiesen – während andererseits die wichtigsten Rahmenmaße für Waben tabellarisch und auf den Millimeter exakt angegeben werden?

Dem gegenüber wird gleich dreimal auf den immensen Stolz hingewiesen, mit der ein Jungimker sein erstes selbst geschleudertes Glas Honig in Händen hält. Dieser Leidenschaft und Euphorie wiederum entgegengesetzt (und nicht ganz den hohen Qualitätsansprüchen, die man sonst aus dem zum Red Bull-Dosenimperium gehörenden „Servus in Stadt und Land“-Universum kennt entsprechend): das Gros der abgebildeten Fotos machen zugekaufte Agentur- und Stock-Fotos aus.

Fazit: Wer wirklich „Imker werden“ will, ist mit anderen Publikationen besser bedient. Für das, was dieses Büchlein zu vermitteln und tatsächlich auch zu mehren vermag – nämlich das Interesse an Bienen und ihrer Haltung – dafür eignet sich trotzdem jeder „Tag des offenen Bienenstocks“, jeder Besuch beim Imker und jede Broschüre der regionalen Imkerverbände mindestens ebenso gut. Andererseits ist mit einem Preis von 4 Euro 99 auch nichts verhaut.

„Imker werden“ von Franziska Lipp ist im Servus Verlag (Red Bull Media House) erschienen.

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