Im Dienste der Menschheit?

 

Bild: Missing Films Filmverleih

Bild: Missing Films Filmverleih

Vom Umgang des Menschen mit seinen nächsten Verwandten: Ein bewegender Kinofilm, der diese Woche in Österreich anläuft, dokumentiert das Leben traumatisierter Labor-Schimpansen und spart auch die Hintergründe ihrer illegalen Verschleppung nicht aus.

„Unter Menschen“ von Christian Rost und Claus Strigel ist eine Mischung aus Polit-Thriller, bei dem die Filmemacher nach 30 Jahren in einen Sumpf aus Tierfängern, Pharmaindustrie und österreichischen Regierungsstellen vordringen, und Langzeit-Dokumentation einer Mensch-Tier-Beziehung zwischen den Pflegerinnen und ihren Schützlingen. Die Schimpansen, um die es hier geht, dienten knapp zwei Jahrzehnte in Laboren des Pharmakonzerns Immuno in Wien zu Tierversuchen. Was noch schlimmer ist: Man hielt diese Affen in Käfigen von 90 x 90 cm Grundfläche in Einzelhaft. Anfang der 80er Jahre, als die Welt im Bann von AIDS stand, wurden sie aus Sierra Leone geraubt, die meisten von ihnen als Babys. Und bevor sie überhaupt Zeit hatten, spielen oder klettern zu lernen, wurden sie im Labor einzeln in enge Gitterkäfige gesperrt und als Versuchstiere für die Entwicklung von HIV- und Hepatitis-Medikamente gehalten. Die Verantwortlichen von damals, Immuno-Geschäftsführer Klaus Eder, der österreichische Honorarkonsul in Sierra Leone, Klaus Bieber, und der Wiener Tier-Gutachter Hofrat Schweiger sorgten gemeinsam dafür, dass zwischen 1983 und 1986, als Österreich längst dem Washingtoner Artenschutzabkommen beigetreten war, illegal insgesamt 40 Kisten mit Schimpansen-Babys nach Wien verfrachtet werden konnten, um sie Immuno für ihre Versuche zu übereignen. Dazu wurde mit Gutachten getrickst, wurden Einfuhrpapiere gefälscht, Politiker geschmiert und bestochen, obwohl Menschenaffen längst auf der Liste der bedrohten Arten standen.

Redemption Impossible

„Redemption Impossible

Die Schimpansen müssen 30 Jahre alt werden, ehe sie erstmals in einem Freigehege den Himmel sehen können. Als die Versuche nach 15 Jahren ergebnislos eingestellt werden, wird statt Tötung ein Resozialisierungsprojekt der infizierten Affen beschlossen. Die traumatisierten Schimpansen übersiedeln in den niederösterreichischen Safaripark Gänserndorf. Mit ihnen zwei der Wärterinnen, die sie bereits im Labor betreut haben. Sie sind ihnen emotional nahegekommen und gleichsam zu Mitgefangenen geworden. Es ist dieser ergreifende Versuch der Wiedergutmachung, der schließlich zur zentralen Story des Films gerät: Die Geschichte der beiden Tierpflegerinnen, die 1990 als 17-jährige Praktikantinnen ihre Berufsausbildung zufällig in diesem Versuchslabor in Wien begannen und nun dieses weltweit bedeutsame Resozialisierungsprojekt leiten dürfen. Der englische Filmtitel „Redemption Impossible“ bringt dabei  die Kernaussage des Films auf den Punkt: Wiedergutmachung ist unmöglich. Tatsächlich geht es in der Tier-Dokumentation »Unter Menschen« in vielschichtiger Weise um »Menschlichkeit«: Welches Verhältnis haben wir Menschen zu den Tieren als unseren Mitgeschöpfen? Können wir an Tieren schuldig werden, und welche Folgen hat das? Und kann es so etwas wie »Wiedergutmachung« an Tieren geben?

Die Aktualität des Themas zeigt sich übrigens anhand erschreckender Fakten:  Das Europäische Patentamt hat im vergangenen Jahr drei Patente auf genmanipulierte Schimpansen erteilt, deren Immunsystem „humanisiert“, also dem des Menschen angeglichen wurde, damit man an ihnen noch besser Medikamente testen kann. Es geht also heute nicht mehr um gefangene Affen aus dem Dschungel, sondern um nach den Bedürfnissen der Pharmaindustrie „designte“ Tiere. Allein in den USA stehen immer noch 800 registrierte Labor-Schimpansen im „Dienste der Menschheit“.

VERWANDTE ARTIKEL