„Es rattert dann in der Maschine“ – Illustratorin Marie Geißler im Interview

Im Interview mit Irene Maria Gruber beantwortet die selbstständige Illustratorin und begnadete Porträtzeichnerin Marie Geißler Fragen aus ihrem selbst gestalteten großartigen Familienfreundebuch. Sie spricht außerdem über die Zusammenarbeit mit Kinderbuchautorinnen, über spontan entstandene Blutwursttattoos und die geniale Idee einer Zeichenwunschmaschine, die binnen fünf Minuten Originalillustrationen ausspuckt.

© Irene Maria Gruber

Im Interview mit Irene Maria Gruber spricht Illustratorin und Porträtzeichnerin Marie Geißler über ihr großartiges Familienfreundebuch, über die Zusammenarbeit mit Kinderbuchautorinnen, über spontan entstandene Blutwursttattoos und die Idee einer Zeichenwunschmaschine, die binnen fünf Minuten Originalillustrationen ausspuckt.

Die Illustratorin Marie Geißler wurde 1982 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren und studierte Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Illustration an der Bauhaus-Universität in Weimar und Valencia. Heute illustriert sie Kinder- und Jugendbücher sowie Ratgeber und gestaltet wunderschöne Bücher wie zum Beispiel ein Sprachbüchlein, in dem erste Wörter, famose Fragen und lustige Eigenkreationen des Kindes dokumentiert werden können. Jährlich gestaltet die Illustratorin einen Familienplaner, der jede Zimmerwand aufpeppt, außerdem werkelt sie regelmäßig in einem Illustrationsautomat (kurz „Illumat“) und zeichnet Autorenporträts für den kleinen Berliner jaja Verlag. Portraitillustration und temporäre Tattoos bietet Marie Geißler zusammen mit Anne Wenkel und Frollein Motte als Künstlerkollektiv WeDrawOnSkin übrigens auch für Veranstaltungen an. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Berlin Kreuzberg.

© Geißler: Mein Familienbuch. Jaja Verlag 2017.
© Geißler: Mein Familienbuch. Jaja Verlag 2017.

BIORAMA: Nach deinem „Familienbuch“, das quasi ein Freundebuch für die Familie ist, ist im jaja-Verlag auch ein Großfamilienbuch erschienen. Es bietet Platz für die Verewigungen von vierzig Familienangehörigen. Ich möchte dir gern ein paar Fragen aus deinem Familienbuch stellen. Was kannst du gut, und was kannst du gar nicht? 
Marie Geißler: Ich kann mich sehr gut auf eine Sache fokussieren, aber Multitasking kann ich gar nicht.

Welches historische Erlebnis hast du selbst miterlebt?
Marie Geißler: Die Montagsdemonstrationen kurz vor der Wiedervereinigung auf den Schultern von meinem Papa, da war ich sieben Jahre alt – und ein Leichtgewicht.

Und welche Reise war deine schönste?
Marie Geißler: Der Jakobsweg in Spanien, den bin ich sechs Wochen im Sommer 2002 mit meinen beiden besten Freundinnen gegangen, das war toll.

© Elzner/Geißler: Auf alles vorbereitet. Lifehacks – Mit Kindern unterwegs. Dumont Reiseverlag 2018.
© Geißler: Auf alles vorbereitet. Lifehacks für unterwegs. Dumont Reiseverlag 2017.

Du hast mehrere Bände mit „Lifehacks für unterwegs“, „Lifehacks für draußen“ und „Lifehacks mit Kindern unterwegs“ illustriert (in der Reihe „Auf alles vorbereitet“ aus dem Dumont Reiseverlag). Kannst du einen Kniff daraus empfehlen?
Ja, stimmt. Einige hatte ich auch vorher schon angewendet, wie zum Beispiel eine Mülltüte als Regencape zu benutzen. Aber neu gelernt hab ich, einen Kapuzenpulli als Kissen zu umzufunktionieren, indem man den Pullover einfach in die Kapuze stopft, oder einen Zahnbürstenständer aus einer Wäscheklammer zu basteln oder ein Teelichtwindschutz aus einer abgeschnittenen PET-Flasche zu basteln. Beim Zelten diesen Sommer sind mir so einige Sachen wieder eingefallen, die ich tatsächlich nutzen konnte.

© Bey/Geißler: Auf alles vorbereitet. Lifehacks für draußen. Dumont Reiseverlag 2017.

Das bunte und aufregende Bilderbuch „Karl & Knäcke lernen räubern“, das du mit Kirsten Reinhardt gemeinsam gestaltet hast, ist im Herbst erschienen. Für die turbulente Geschichte „Kawasaki hält alle in Atem“ von Lena Hach hast du Cover und Innenillustrationen gestaltet. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Kinderbuchautorinnen? Ist da zuerst die Geschichte oder entwickelt sich der Text erst mit den Bildern?
Da ist eigentlich immer zuerst der Text. Bei „Karl und Knäcke“ hat er sich dann aber noch ein wenig verändert und Kirsten hat Sachen aus dem Text gestrichen, die ich dann schon gezeichnet hatte, damit sich nicht alles doppelt, dennoch wollte ich die Details, die sie sich ausgedacht hat und so toll beschreibt, auch mit in die Bilder einbauen. „Karl und Knäcke“ ist ja ein richtiges Kinderbilderbuch mit relativ viel Text, bei dem Text und Bild sehr eng verzahnt sind.

Kirsten und ich haben uns über die Arbeit an ihrem vorherigen Kinderroman kennengelernt und sind inzwischen auch befreundet, sodass wir bei „Karl und Knäcke“ gleich zusammen spinnen konnten. Dennoch haben wir jeder streng unseren Bereich und quatschen dem anderen da nicht rein. Bei „Kawasaki hält alle in Atem“ hatte ich nur Kontakt mit dem Verlag. Erst danach habe ich Lena kennengelernt und sie hat sich für die Bilder bedankt.

Marie Geißler mit Kirsten Reinhardt nach einer gemeinsamen „Karl und Knäcke“-Lesung. © Johannes Duerr
© Reinhardt/Geißler: Karl und Knäcke lernen räubern. Carlsen 2018.

Wo und um welche Uhrzeit entstehen deine Illustrationen?
Ich habe einen Arbeitsplatz in einem Studio gemietet, wo ich eigentlich immer anzutreffen bin, wenn die Kinder in der Schule sind. Da zeichne ich und stelle die Illustrationen fertig. Manchmal lege ich dann auch eine Nacht- oder Wochenendschicht ein, da die Zeit oft knapp ist.

Wer dich bei Buchpräsentationen trifft, kann schon mal mit einem persönlichen Porträt oder einem von dir gezeichneten Tattoo nach Hause kommen. Geht dir das Zeichnen so blitzschnell von der Hand? Und was brauchst du für diese spontanen Portraitillustrationen?
Ja, genau, zum Räuberbuch „Karl und Knäcke“ habe ich Räubertattoos entworfen, die ich dann auf die Haut zeichne, das ist witzig, zum Beispiel gibt es ein Blutwursttattoo – aber keine Angst, das tut nicht weh und geht nach ein bis zwei Tagen wieder ab. Portraits zeichne ich auch manchmal live auf Veranstaltungen, aber in meinem illustrativen Stil, also nicht total realistisch oder als Karikatur, aber so, dass man die Leute wiedererkennt. Zum Glück fällt es mir leicht, aus dem Stegreif zu zeichnen, aber Übung macht den Meister, und die Konzentration in der Livesituation ist auch sehr hilfreich.

© Reinhardt/Geißler: Karl und Knäcke lernen räubern. Carlsen 2018.

Du bist auch „Illumatzeichnern“. Könntest du kurz erzählen, was es mit dem „Illumat“ auf sich hat?
Der „Illumat“ ist eine Zeichenwunschmaschine, in die man auf einem kleinen Zettel einen Wunsch notiert und durch einen Einwurfschlitz steckt. Es rattert dann in der Maschine und nach fünf Minuten kommt eine Orginalillustration heraus. Möglichst witzig, möglichst nicht 1 zu 1, aber vor allem schnell. Das ist natürlich eine Super-Brainstorming-Übung und macht besonders viel Spaß, da man mit tollen Kollegen oder Freunden für ein paar Stunden in einer kleinen Kiste eingesperrt ist und den Ideen freien Lauf geben muss. Den Illumat haben Studienkollegen von mir vor über elf Jahren in Weimar gegründet und seitdem gut geölt, sodass wir nach so langer Zeit immer noch gemeinsam unterwegs sind.

Gibt es neue Projekte, von denen du erzählen möchtest?
Im Dezember ist im jaja Verlag „Mein Sprachbüchlein“ rausgekommen. Das ist perfekt als Geburtsgeschenk oder zum 1. Geburtstag geeignet, da man da die Sprachentwicklung und die tollsten Aussprüche des Kindes dokumentieren kann. Im Moment beginne ich gerade mit dem vierten Band der Lifehacks – für Camper diesmal – und mache Skizzen für eine Geschichte, die mir eine Autorin anvertraut hat. Da ist aber noch nichts spruchreif.

Liebe Marie, herzlichen Dank für das Gespräch!

© Geißler: Auf alles vorbereitet. Lifehacks für unterwegs. Dumont Reiseverlag 2017.

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