Das Diskont-E-Bike vom Schweden

Die Damenversion des IKEA Folkvänlig

Die Damenversion des Ikea Folkvänlig. Bild: Ikea

Das steht es nun also. Fesch sieht es aus und ist offensichtlich die Damenversion des neuen Elektrofahrrades von Ikea, für das sich der schwedische Möbelkonzern Österreich als Testmarkt ausgesucht hat. Und ich darf es gleich einmal testen.

Seit ich mein Auto vor drei Jahren verkauft habe, ist das Fahrrad zu meinem Hauptverkehrsmittel geworden. Bei uns in der Vorstadt ist das noch eher selten, da gilt das Fahrrad eher als Sportgerät. Menschen fahren mit dem Auto hinauf zum Waldrand, packen ihr Mountainbike aus dem Heck der Familienkutsche und radeln dann feierabends über Stock und Stein. Zum Einkaufen oder in die Arbeit fahren die Sportradler kaum. Dafür hat man ja ein Auto.

Kollegen haben mir schon vor Jahren ein E-Bike empfohlen. Auf den 13 Kilometern von Liesing ins Büro in der Innenstadt gibt es immerhin zwei große Schwellen zu überwinden, am Radweg Oswaldgasse an der alten Kabelfabrik vorbei bergauf fällt es mir nicht so leicht meine 140 kg Körpergewicht plus das Fahrrad hinaufzuschrauben. Aber es geht. Und es geht immer besser. Für ein E-Bike war ich immer ein bisserl zu stolz. Dabei habe ich schon einmal so ein Gerät testen dürfen. Gemeinsam mit dem damaligen Lebensminister sind wir auf einer PR-Veranstaltung mit den verschiedensten nachhaltigen Mobilitätsformen durch Wien gegondelt. Im Prater bin ich auf einem KTM Pedelec der Oberklasse gefahren. Wow, das ist abgegangen. Nur einmal kurz reintreten und ein Gefühl wie ein Willi am Motorrad. Also so, wie wenn man nur am Hinterrad wegfährt. Das hatte Esprit und mit nur wenig Bewegung kam man in Kürze auf hohe Geschwindigkeiten. Aber wie gesagt – ich war zu stolz und strengte mich lieber weiterhin auf meinem 25 Jahre dienenden Trekkingrad oder meinem Faltrad, das ich vor allem für kurze Fahrten rund ums Büro nutze, an.

Der Tester im Testland mit Testgerät

Der Tester im Testland mit Testgerät.

Das Ikea E-Bike sieht gut aus. Ganz in Weiß gehalten mit ansprechendem Design und Markenzubehör an den wichtigen Stellen. Auf den ersten Blick ist es auch gar nicht als Pedelec zu erkennen. Die sonst so globig wirkende Batterie ist im Mittelbau verstaut und wirkt eher wie ein grünes Designelement. Erst bei genauerem Hinsehen sieht man die beleuchtete Ladestandanzeige. Das E-Bike wirkt sehr robust und gut verarbeitet. Leider sind die flexiblen Teile wie Lenker oder Sattel nicht mit Schnellspannern fixiert. Zum Variieren der Höhe benötigt man also die bekannten Imbusschlüssel, die man schon vom Zusammenbau des Kernsortiments der Schweden kennt – das ist ein bisschen mühsam und der zweite Minuspunkt. Den ersten hatte ich noch nicht erwähnt, der hat aber eigentlich auch nichts mit dem eigentlichen Rad zu tun: Das Fahrrad, dass uns von der PR-Agentur vorbeigebracht wurde, hatte neben einer kaputten Klingel auch noch ein Fahrradschloss dabei. So ein Ding aus dem Ikea Family-Club, mit dem man vielleicht gerade mal das gebrauchte 10-Euro-Laufrad des Juniors absperrt. Aber niemals ein neues E-Bike. Jedes Taschenmesser hätte das Schloss, dass statt mit Zahlenkombinationen mit bunten Kindersymbolen funktionierte, im Nu knacken können.

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Links: „Boardcomputer“. Rechts: Leicht zu knackendes Absperrschloss.

Aber jetzt wollte ich einfach mal fahren. Voll geladen ist es, die Lichter an der grünen Batterie sind alle erleuchtet und das ebenfalls grüne Steuerungsdisplay leuchtet bereits. Hier gibt es auch eine Ladestandanzeige, einen Kilometerzähler und die Geschwindigkeitsanzeige. Mit der Plus- und der Minustaste kann der Fahrer die Motorunterstützung steuern. Der Motor treibt übrigens das Vorderrad an, während die eigene Muskelkraft nur direkt auf das Hinterrad wirkt. Im vollen Unterstützungsmodus merkt man also wie man gezogen wird. Ein Gefühl, dass mich nach längerer Fahrt auch danach abseits des Rades noch verfolgt. Ist wie wackliger Boden, nachdem man von einem Schiff geht. Komisch eigentlich. Der Vorderradantrieb macht auch das Lenken etwas schwieriger. Überhaupt fühlt sich die Lenkstange viel zu fragil an im Gegensatz zur restlichen Konstruktion.

Die Herrenversion des IKEA Folkvänlig

Die Herrenversion des Ikea Folkvänlig. Bild: Ikea

Das Fahren macht aber Spass. Von der Firma nach Hause fahre ich zuerst die Wiedner Hauptstraße bergwärts. Ist mir fast peinlich, als ich beinahe pfeiffend einen sportlichen Radfahrer überhole. Wahrscheinlich denkt er, ich wäre als Kind in den Zaubertrank gefallen. Ungewohnt, aber gut ist vor allem das schnelle Hinaufbeschleunigen beim Wegfahren. Auch bergauf zieht es einen mit dem 36/250W-Motor da ganz schön weg, wobei natürlich auch ein E-Bike an steilen Stellen seine Probleme mit einem 140-kg-Passagier bekommt. Das Gewicht und die Steigungen wirken sich natürlich auch direkt auf den Batterieverbrauch aus. Der Akku, der eigentlich bei Normalgewichtigen und flachen Strecken für 50-70 km halten soll, ist mit mir bereits nach 25 km fertig. Und zwar völlig. Ist aber keine große Katastrophe, denn auch ohne Motorunterstützung fährt sich das E-Bike mit seinen drei Gängen im Stadtverkehr problemlos. Zu arg bergauf sollte es dann aber halt nicht mehr gehen, denn zum Gewicht des Radlers kommen stattliche 25 kg Fahrradgewicht dazu – was es auch nicht unbedingt leicht macht, das Gerät über Treppen in die Wohnung zu bringen. Draußen stehen lassen trau ich mich das Ding über Nacht einfach nicht. Auch wenn – oder gerade weil es ein Leihgerät zu Testzwecken ist.

Mit E-Unterstützung zum Interview-Termin ins Funkhaus

Mit E-Unterstützung zum Interview-Termin ins Funkhaus.

Warum steht eigentlich nirgends Ikea oben? Bei Fahrrädern ist das Blanko-Branding eher ungewöhnlich. Aber im Gesamtkontext wird mir klar: Auf meinem Bücherregal oder den Küchenschränken steht ja auch nirgends der Markenname der Schweden oben. Gerade mal meine Kaffeetasse oder meine Matratzen bestätigen durch ihre Ausnahme diese Regel.

Wenn ich von dem Gedanken, dass mein Fahrrad nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Sportgerät ist, und damit von meinem Stolz ablasse, dann ist das Ikea E-Bike sicher eine schöne urbane Alternative. Vor allem – oder gerade – in dieser Preisklasse. Das Ikea Folkvänlig kostet 749 Euro, als Inhaber einer Ikea Family-Card sogar 100 Euro weniger.

 

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