Gut gemeint, aber schlecht durchdacht: Den WWF erreichen viele Ideen zur Rettung der Eisbären – Artenschutzexperte Karim Ben Romdhane erklärt, warum sie keine Lösung sind.
Der Klimawandel macht den Eisbären schwer zu schaffen. Das Ökosystem der Eisbären verändert sich derart schnell, dass den Tieren kaum Zeit bleibt, sich anzupassen. Eisbären verbringen die langen Winter und das Frühjahr auf dem Packeis. In dieser Zeit jagen sie Robben und fressen sich große Fettreserven an. Das Eis geht aber seit Jahren immer schneller, immer weiter zurück. Den Bären fehlt damit die Plattform zum Robbenjagen. Das macht das Überleben, insbesondere für Jungtiere, immer schwieriger. Der WWF engagiert sich weltweit auf vielen Ebenen gegen den Klimawandel, um das Leben und Überleben der Eisbären zu sichern. Parallel dazu arbeitet er vor Ort für den Schutz der Eisbären – unter anderem durch Maßnahmen, die Konflikte zwischen Menschen und Eisbären verringern.
Es gibt keine Abkürzungen
Zu der Frage, wie man die Eisbären retten kann, gibt es machmal aber auch skurrile Lösungsansätze. Die Kommunikationsabteilung des WWF kann ein Lied davon singen, dass manche Ideen, die an die Natur- und Umweltschutzorganisation herangetragen werden, zwar bestimmt gut gemeint, aber nicht besonders durchdacht sind.
Zu vier dieser Vorschläge erklärt der Experte für internationalen Artenschutz beim WWF Österreich, Karim Ben Romdhane, warum sie kein geeigneter Ansatz sind, um dem Eisbären das Überleben zu erleichtern.
Vorschlag 1: „Wenn es am Nordpol eng für die Eisbären wird, könnte man sie in die Antarktis umsiedeln.“
Die Umsiedlung eines Tieres in einen völlig neuen Lebensraum stellt einen unberechenbaren Eingriff in die Natur dar. Die damit verbundenen Folgen kann niemand abschätzen. In der Vergangenheit hat die Umsiedlung von Tierarten – gewollt oder ungewollt – meist dazu geführt, dass die Art im neuen Lebensraum nicht lange überlebt hat oder dort ansässige Beutetiere von der neuen Art ausgerottet wurden. Was würde mit den potentiellen Beutetieren der Eisbären inder Antarktis passieren, zum Beispiel den Pinguinen, die bereits bedroht sind? Diese wären eine leichte Beute für Eisbären und würden von diesen wahrscheinlich dahingerafft werden.
Außerdem wäre es wohl nur ein kurzfristige Lösungsansatz, denn warum sich das antun, wenn auch in der Antarktis bereits das Eis schmilzt?
Vorschlag 2: „Wenn die Eisbären vom Hungertod bedroht werden, könnte man sie mit Robben füttern.“
Es wären ganze Fleischberge notwendig, um die ganze Art (ca. 22.000 Individuen) langfristig zu erhalten. Eisbären haben einen sehr großen Energiebedarf. Man müsste riesige Mengen an Fleisch anschaffen und gezielt dort verteilen, wo Eisbären vermutet werden. Logistisch wäre es ein großer Aufwand diese Orte jedes Mal anzufliegen. Damit stünden wir aber wieder am Anfang des Problems, da der entsprechende Treibstoffverbrauch, den diese logistische Meisterleistung nach sich zieht, am Ende zur Erwärmung unseres Klimas beisteuern würde.
Vorschlag 3: „Wenn die Eisbären unter dünner und schneller werdendem Packeis leiden, könnte man künstliche Inseln für sie bauen.“
Auch dieser Lösungsansatz wäre logistisch ein Riesenaufwand, da der potenzielle Lebensraum der Eisbären riesig ist. Es stellt sich beispielsweise die Frage, wie Eisbären diese Inseln finden sollten. Ein gezieltes Ausbringen scheint kaum möglich. Das eigentliche Problem würde außerdem weiter bestehen: Es ist auf den künstlichen Inseln den Eisbären nämlich nicht möglich, nach Robben zu jagen. Denn Eisbären fangen Robben an Eislöchern, wenn sie zum Atmen auftauchen. Dazu kriechen sie dicht an ein Atemloch im Eis heran, verharren dort dann völlig still, bis sich eine Robbe blicken lässt und … Mahlzeit!
Vorschlag 4: „Die Eisbären können doch weiter in den Norden ziehen, wo es noch länger Packeis gibt.“
Im nördlicher gelegenen kanadischen Archipel ist das Eis ganzjährig vorhanden. Jedoch ist dort die Eisschicht dicker, kompakter und bewegt sich kaum. Ein Aufreißen der Eisflächen und die Bildung von Spalten und Löchern erfolgt seltener. Die Jagdmöglichkeiten für die Eisbären, die an den Löchern warten bis Robben auftauchen, sind deshalb schlechter.
Erschwerend kommt dazu, dass durch die dicke Eisschicht wenig Licht durchdringt. Weniger Licht bedeutet weniger Phytoplankton und schlussendlich weniger Robben für die Eisbären. Aufgrund der Klimaerwärmung könnten sich im Norden allmählich bessere Jagdbedingungen entwickeln. Was aber, wenn auch dort das Eis zu schmelzen beginnt?
Mehr Informationen und Möglichkeit, den WWF in seiner Arbeit zum Schutz der Eisbären zu unterstützen, findest du auf https://www.wwf.at/de/eisbaer.