»I Am Greta«: Noch mehr Greta
Die Doku »I am Greta« begleitet das erste Jahr von Greta Thunbergs Protesten, verweigert aber jegliche Einordnung.
Es geht auch in »I am Greta« fast ein wenig unter: Aber es ist nur gut zwei Jahre her, dass Greta Thunberg im August 2018 ihren Protest begonnen hat, der sehr schnell so große Ausmaße erreicht hat. Nathan Grossmann hat Greta für seinen Film offenbar vom Start ihrer Schulstreiks mit der Kamera begleitet – zumindest gibt keine Hinweise darauf, dass bestimmte Szenen nachgedreht worden wären. »I Am Greta« zeigt die größeren Stationen von diesem Startbis zu ihrer emotionalen Ansprache auf dem UN-Klimagipfel 2019 in New York. Dabei wird relativ wenig Neues erzählt – offenbar hat man als interessierte Öffentlichkeit die meisten Dinge mitbekommen. Ein Umstand, der durchaus unterstreicht, wie viel ihr gelungen ist: Wenn Greta Thunberg etwas tut, dann bekommt sie Aufmerksamkeit.
Die größte Eigenheit des recht chronologisch angelegten Films ist, dass er nahe an Greta bleibt – ohne je distanzlos zu werden. Zwar gibt es auch emotionale Szenen, diese betreffen aber grundsätzlich bekannte Momente. Viele Themen, wie etwa auch ihr Asperger, werden zumindest kurz erwähnt. Ein neuer Aspekt zeigt eine ihrer Entspannungsmöglichkeiten, neben Zeit mit ihrer Familie und ihren Tieren: Greta tanzt.
Die größte Kehrseite dieses filmischen Vorgehens ist, dass nicht nur auf die Inhalte von Greta, sondern auch auf deren Einordnung verzichtet wird. Wenn Greta darüber spricht, was ihr Asperger auch ermöglicht, dann gibt es dazu keine Einordnung etwa von Seiten eines Arztes oder einer Ärztin und keine Erklärung, was Asperger überhaupt ist. Auch die von ihr angesprochenen Probleme und Fachbegriffe im Zusammenhang mit dem Klimawandel bleiben unerklärt, obwohl Greta sich an einer Stelle beschwert, dass nicht einmal PolitikerInnen über basales Wissen zum Klimawandel verfügen. Wer diesen Film sieht, weiß nachher in diesem Zusammenhang aber auch nicht mehr.
Recht am Anfang des Films gibt es anonym bleibende Zitate von Klimaleugnern, die ebenso unkommentiert bleiben, wie später auch positives Feedback auf ihre Aktionen. Einmal kommt es zu einem kurzen Zusammenschnitt von Interviews und Reden von Putin, Trump und Bolsonaro, die Greta angreifen – gezeigt wird nur Gretas belustigte Reaktion auf derlei Meldungen.
Wenn Greta im Film etwas schwerfällt, der Druck, das Heimweh, die Zeit ohne ihre Familie oder vielleicht auch die ehrliche Verzweiflung, ob des Klimawandels, dann vermittelt der Film das nur über die gezeigten Situationen, deren scheinbar zufälliger Zeuge man wird.
Ein Film für Fans
Es gibt in dem Film keine Einblendungen und kaum Erklärungen zur Rolle, zur Mission oder gar zu differenzierten Überlegungen der ProtagonistInnen zum Thema Klimapolitik. Man versteht schon, wer ihr Vater ist, der sie auf den Reisen begleitet, erfährt aber zum Beispiel nichts über die jungen BegleiterInnen, die ihr als Umfeld dienen.
Wenn »I am Greta« nun im Herbst 2020 ins Kino kommt, dann ist das ein interessanter Zeitpunkt, der mitten im ungeklärten Umgang mit Covid-19 den Fokus nochmals auf den Klimawandel legt. Als Film ist es eine Nacherzählung des Starts und Wachsens von Greta Thunbergs Protesten, in dem selbst die Bewegung Fridays for Future nur mehr am Rande vorkommt. Ein kleiner Einblick, der die größeren Stationen von Greta in diesem Jahr zeigt, der alles darüber hinaus aber gar nicht zu bieten versucht, ihre Inhalte nicht verständlicher macht und mögliche Diskussionspunkte verweigert. Das ist als Zugang nachvollziehbar, aber am Ende vielleicht trotzdem etwas wenig. Schade, wenn zur Geschichte, welchen Einfluss das Engagement einer einzelnen Schülerin haben kann – so wenig zu erzählen ist.
»I am Greta« ist ab 16. Oktober in Österreich (Stadtkino Filmverleih) und Deutschland (Filmwelt Verleihagentur) im Kino zu sehen.