Leinenlos durch die Stadt
Sowohl Wien, als auch Berlin gelten als hundefreundlich. Was beide Städte unternommen haben, um das Miteinander von Mensch und Hund zu fördern.
Welche Erfahrungen sind für ein reibungsloses Zusammenleben in menschlicher Gesellschaft für einen Welpen wichtig? Auf diese Frage gibt es zwei richtige Antworten und eine falsche. Es handelt sich um eine von insgesamt 123 Fragen aus dem Katalog der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, mit denen sich HundehalterInnen auf die theoretische Sachkundeprüfung vorbereiten können. Die Prüfung ist nur für die Haltung von »potenziell risikobehafteten Hunderassen« wie Pittbull-Terrier oder Amstaff-Terrier verpflichtend. Doch wer sie freiwillig absolviert und besteht und – gemeinsam mit seinem Vierbeiner – auch eine zweistündige Praxisprüfung besteht, darf sein Tier in der Stadt stellenweise ohne Leine führen. Generell besteht in Berlin für Hunde nämlich Leinenpflicht sobald die Wohnung oder das Grundstück des Halters / der Halterin verlassen wird. Als gefährlich eingestufte Hunde müssen außerdem außer Haus ausnahmslos Maulkorb tragen.
Völlig verkehrt wäre es jedenfalls – und in diese Richtung führt die falsche Antwort –, einen Hundewelpen möglichst viel zu Hause zu behalten, um ihn vor Reizüberflutung und der Überforderung durch die vielen Eindrücken einer Großstadt zu schützen. Richtig ist deshalb: »Er sollte in positiven Begegnungen viele verschiedene Menschen (von Babies bis zu alten Menschen) kennenlernen.« Und: »Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Teilnahme am turbulenten Straßenverkehr.« Damit muss jeder Großstadthund umgehen lernen. Und deshalb ist die Praxisprüfung auch mit jedem Hund aufs Neue zu absolvieren.
Berliner Schnauze mit Biss
Auch wenn Initiativen wie »Berliner Schnauze« (seit 1998 aktiv) sich immer wieder lautstark gegen als solche empfundenen Einschränkungen zur Wehr setzen: Berlin gilt mit seinen 131.440 steuerlich gemeldeten Hunden als ausgesprochen hundefreundliche Stadt. Wien mit 55.099 Hunden ebenso. Wer das anders einschätzt, übersieht, dass beispielsweise in vielen skandinavischen Ländern die Mitnahme von Hunden in öffentlichen Verkehrsmitteln verboten ist. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist sie grundsätzlich erlaubt. Die Wiener Linien heißen sie sogar »herzlich Willkommen«. Maulkorb tragen und angeleint sein müssen sie da wie dort.
Hundezonen und Auslaufplätze
In Wien ist der »Hunde-Kunde« genannte Sachkundenachweis seit 2019 sogar verpflichtend – zumindest für alle, die sich seit damals einen neuen Hund zugelegt haben oder davor zwei Jahre keinen gehalten haben. An öffentlichen Stellen – also auf Straßen, Plätzen, Feldern, Wiesen und Wäldern – gilt entweder Maulkorb- oder Leinenpflicht. Sogenannte »Listenhunde« (umgangssprachlich oft als »Kampfhunde« bezeichnet) müssen beides tragen. Wobei das Handbuch der »Hunde-Kunde«, erstellt von der Tierschutzombudsstelle der Stadt Wien, besonderes Augenmerk auf das Wohlergeben der Vierbeiner legt. Explizit wird etwa darauf hingewiesen, dass der Maulkorb »der Größe und Kopfform des Hundes angepasst sein muss und dem Hund Hecheln und Wasseraufnahme ermöglicht«. Bekanntermaßen bissige Hunde müssen selbst in den mehr als 200 öffentlichen Hundezonen und Hundeauslaufplätzen der Stadt Maulkorb tragen. Gemeinsam machen diese Einrichtungen in Wien mehr als ein Quadratkilometer aus – von der innerstädtischen Hundezone am Heldenplatz (mit ihren 904 Quadratmetern) bis zum 15.064 Quadratmeter umfassenden Auslauf im Liesinger Draschepark. In Berlin gibt es 35 kleine und teilweise sehr weitläufige Auslaufflächen etwa das Freilaufgebiet Lichtenberg (auf einem ehemaligen Sportgelände der Reichsbahn) oder die Hundewiese Forsthausallee, wo sich die Hunde auch am und im Britzer Verbindungskanal austoben können.
Kot, Kunststofftüten und »Sackerl fürs Gackerl«
Dass das Miteinander von Hunden, HundehalterInnen und der nicht hundehaltenden Mehrheit so gut funktioniert, liegt nicht nur an mehr und mehr Sachkundigen bzw. Geschulten an beiden Enden der Leine. Es liegt auch daran, dass die Stadtverwaltungen in Berlin und Wien das Problem Hundekot einigermaßen gut in den Griff bekommen haben. Das gelang vor allem durch die soziale Ächtung derer, die Hundekot achtlos liegen ließen. In Wien gibt es mittlerweile knapp 4.000 Ständer mit kostenlosem »Sackerl fürs Gackerl«, das heißt: Kunststofftüten, in denen die Hinterlassenschaft entsorgt werden kann. Passiert das nicht, sprechen sogenannte »Waste Watcher« mitunter empfindliche Strafen aus. Auch in Berlin erheben KontrolleurInnen Bußgelder, bleibt der Dreck liegen. Theoretisch könnten sogar HundehalterInnen belangt werden, die keine Kotbeutel mitführen. »Klare Regeln schaffen Freude für Menschen und Hunde« heißt es auf der Website des Landesforstamts Berlin, dessen weitläufigen, stadtnahen Wälder ein wichtiger Naherholungsraum nicht nur für Hunde und ihre HalterInnen sind. Im Wald sind die Hunde ausnahmslos angeleint zu führen. Ausnahme sind die ausgewiesenen Hundeauslaufgebiete mit einer gemeinsamen Fläche von 12,2 Quadratmetern (»In keiner deutschen oder europäischen Stadt existiert ein vergleichbares Angebot.«) Doch selbst in den ausgewiesenen Auslaufzonen des Landesforstamts bleiben Hunde in der Rangordnung klar untergeordnet: »Andere Erholungssuchende dürfen nicht belästigt oder gefährdet werden, denn die Erholung von Menschen hat auch im Hundeauslaufgebiet Vorrang.« »Unbedingt zu vermeiden« ist auch das Hetzen von Wildtieren wie Rehen oder Wildschweinen.
Wer sich besonders für das reibungslose Zusammenleben in der Multi-Spezies-Gesellschaft engagieren möchte, der oder dem stehen in beiden Städten zahlreiche Hundeschulen zur Verfügung. Und in Wien gibt es – hervorgegangen aus dem ehemaligen Freiwilligen Hundeführerschein – mittlerweile auch das weiterentwickelte Angebot die Ausbildung zum »geprüften Stadthund« zu machen.
Zum Test eines GPS-Trackers für Hunde geht’s hier.
Das Plastikmüllaufkommen allein durch Hundekotbeutel ist erheblich – Muss es ein Plastiksackerl fürs Gackerl sein?
BIORAMA WIEN-BERLIN #4