Freund am Teller: Der Hund in der kulinarischen Tradition Indonesiens

Rotes Fleisch, kaum Fett: Hundebrust-Spießchen, her noch nicht angebraten (Foto: Jürgen Schmücking)

Rotes Fleisch, kaum Fett: Hundebrust-Spießchen, her noch nicht angebraten (Foto: Jürgen Schmücking)

Der Hund in der kulinarischen Tradition Indonesiens. Ein Bericht aus einem Hinterhof-Restaurant.

Einen Namen hat die Gaststätte nicht. Die Einheimischen nennen es mbah geong. Grandpa’s place. Instagram? Facebook? Fehlanzeige. Es ist sogar unwahrscheinlich, dass der steinige Weg, der zum mbah geong führt, in den offiziellen Karten eingezeichnet ist. Es ist drückend heiss und schwül. Etwa acht Javanesen sitzen an den Holzltischen unterm Dach. Im Hinterhof bellt ein Hund.

Der Hund wird in Indonesien nicht aus kulinarischen Gründen gegessen, eher dient er als billige Proteinquelle. (Foto: Jürgen Schmücking)

Der Hund wird in Indonesien nicht aus kulinarischen Gründen gegessen, eher dient er als billige Proteinquelle. (Foto: Jürgen Schmücking)

Wer hier her kommt, kommt nicht zufällig vorbei. Das Haus befindet sich etwa 30 Kilometer nördlich von Yogyakarta im Südosten Javas. An Außenwand baumelt ein hölzernes Schild: „buka“. Das heisst eigentlich nur, dass der Betrieb geöffnet ist. In Wahrheit ist es aber ein Code. Ein Hinweis darauf, dass frisches Hundefleisch verfügbar ist.

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Auch, wenn in Indonesien der Ball diesbezüglich flach gehalten wird, Hund steht flächendeckend auf der Speisekarte des Landes. In den Kochbüchern Indonesiens sind allerdings weder Hinweise noch Rezepte zu finden. Gerade eben erschienen ist etwa „Flavours of Bali“, ein umfangreiches und professionell bebildertes Grundlagenwerk zur balinesischen Küche, und obwohl in Denpasar, der Hauptstadt der Insel, unzählige warungs und Restaurants die kulinarischen Vorlieben der Migranten aus dem Norden Sumatras und Sulawesis bedienen, findet sich nicht ein einziger Hinweis auf die Tradition des Verzehrs von Hunden. Fündig wird man eher in anthropologischen und gastrosophischen Werken. Die Kulturhistorikerin Vivienne Kruger beschreibt in ihrem Buch „Balinese Food. The Traditional Cuisine & Food Culture of Bali“, dass der Verzehr von Hundefleisch zum Ernährungsalltag der Balinesen gehört. Ein oder zwei Mal im Monat steht Hundefleisch am Speiseplan der Familie. Der Vater macht sich dann auf den Weg und sucht nach einem Streuner. Er kennt die Hunde, die eventuell dem Nachbarn gehören und wird einen nach Hause bringen, von dem er sicher ist, dass er niemandem aus seinem Umfeld gehört. Er erschlägt das Tier mit einer Holzkeule und bringt es zur Verarbeitung nach Hause.

Gut abgehangen. Aber um Hygiene kümmert sich hier niemand. (Foto: Jürgen Schmücking)

Gut abgehangen. Aber um Hygiene kümmert sich hier niemand. (Foto: Jürgen Schmücking)

Der Streuner: eine billige Proteinquelle
Es geht dabei natürlich nicht um den kulinarischen oder gar sensorischen Wert. Indonesier betrachten Hundefleisch als billige Proteinquelle. Märkte für Hundefleisch, wie sie in Südkorea, Vietnam, Kambodscha oder im Süden Chinas üblich sind, gibt es in Indonesien aber nicht. Auf den Wochenmärkten der Dörfer wird man das Fleisch vergeblich suchen. Lediglich spezialisierte warungs, einfache, kleine Restaurants bieten es an.

Über extremer Hitze gegrillt, mit Sambal gewürzt: Hundebrustspießchen (Foto: Jürgen Schmücking)

Über extremer Hitze gegrillt, mit Sambal gewürzt: Hundebrustspießchen (Foto: Jürgen Schmücking)

Das Gericht im mbah geong hieß sengju satay. In Gulaschgröße geschnittenes Brustfleisch. Rotes Fleisch, wenig Fett. In einem Eck steht ein Feuertopf, auf einem Holzbrett wird mit einem rostigen Messer das Fleisch geschnitten. Wäre ein österreichischer Beamter von der Lebensmittelbehörde hier, er würde sofort in eine Art Schockstarre verfallen. Es ist mittlerweile fast 22 Uhr, und es hat immer noch knapp 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit wie im Hamam. Der blutige Haken, an dem der Hund zerlegt wurde, wird mit einem feuchten Tuch abgewischt. In einer Pfanne wird über offenem Feuer Palmzucker karamellisiert. Bevor sie auf den Feuertopf kommen, werden die satays, die Spieße, in flüssigem Zucker geschwenkt. Serviert werden sie dann mit der ultrascharfen Chilipaste sambal und etwas Reis.

Rostige Messer, rustikales Kücheninventar. (Foto: Jürgen Schmücking)

Rostige Messer, rustikales Kücheninventar. (Foto: Jürgen Schmücking)

Keine Option: Hundebrust medium rare
Sieht man von Aspekten der Lebensmittelhygiene (Kühlkette, Schlachtung, Lagerung) ab, ergeben sich beim Konsum von Hundefleisch zwei Probleme. Das eine ist die Frage der Herkunft. Hunde werden ein Indonesien nicht für den Verzehr gezüchtet. Das bedeutet, dass die Fütterung keiner Kontrolle unterliegt. Oder anders gesagt, der Karnivore canis frisst, was er kriegen kann. Medium rare ist also keine wirkliche Option. Selbst die Balinesen wissen, dass der Feuertopf schon extrem heiss sein muss, um halbwegs auf der sicheren Seite zu sein. Das zweite Problem ist – für Europäer – ein emotionales. Vor den Spießen treibt mich die journalistische Neugier in den Hinterhof. Dorthin, wo bei unserer Ankunft der Hund gebellt hat. Er bellt immer noch. Es sind keine kleinen Zwinger, in denen sich die Hunde aufhalten. Eher ein mittelgroßer Verschlag aus Holzbrettern. Zwei Vierbeiner auf etwa acht Quadratmeter. Aber der Blick ist anders. Man muss kein großer Hundeliebhaber sein, aber Treuherzigkeit, Angst oder Resignation lassen sich viel einfacher in den Blick eines Hundes interpretieren, als in den eines Schweines oder einer Kuh.

Schmeckt nicht schlecht. Als Europäer fällt es einem emotional und kulturell allerdings nicht leicht, Hund zu essen. (Foto: Jürgen Schmücking)

Schmeckt nicht schlecht. Als Europäer fällt es einem emotional und kulturell allerdings nicht leicht, Hund zu essen. (Foto: Jürgen Schmücking)

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