Kein süßer Honig mehr vom Mond
Verpflichtende Herkunftskennzeichnung: Wie die EU sicherstellen will, dass künftig kein zuckergewasserter Reissirup mehr in den Honig gepantscht wird.
Wenn PolitikerInnen öffentlich Versprechen abgeben – wie Alexander Bernhuber Mitte November im niederösterreichischen Wieselburg –, dann sind sie sich ihrer Sache meist sehr sicher. Zumindest wenn das Versprechen in einem Rahmen abgegeben wird, an dem klar ist, dass sich die Zuhörenden auch am Tag danach noch an das Gehörte erinnern werden. Die »Goldenen Honigwaben« jedenfalls wurden in keinem Bierzelt verliehen, sondern vor Fachpublikum; vor ein paar hundert ImkerInnen und ihren Familien, vor denen herausragende Honigspezialitäten prämiert wurden und erstmals auch einE BioimkerIn des Jahres gewürdigt wurde. »Ich verspreche euch«, sagte der konservative Europaabgeordnete selbstbewusst, »wenn wir uns in einem Jahr wieder hier sehen, dann ist die Sache mit der Honigkennzeichnung erledigt«. Alle in der Messehalle wussten genau, wovon Bernhuber sprach. Denn die Herkunftskennzeichnung beim Honig – geregelt in der sogenannten »Frühstücksrichtlinie« der EU – wird seit Langem kritisiert. Sie erlaubt es bislang, Mischhonig in den Ländern der Union mit dem Ursprung »EU / Nicht-EU« zu vermarkten. Die absurde Zuschreibung besagt letztlich nur, dass der Honig nicht vom Mond geholt, von Außerirdischen abgefüllt oder von Bienen im All gesammelt wurde. Gebrauch von dieser Möglichkeit machen vor allem große Abfüller und Vermarkter. Ausgewiesen mit »EU / Nicht-EU«mischen sie am Weltmarkt zugekaufte Ware aus China und Südamerika mit deutlich teureren europäischen Erzeugnissen. In welchem Mengenverhältnis ist unerheblich. »De facto reicht ein Tropfen europäischer Honig im Glas, damit dieser mit einer Herkunft ›EU/Nicht-EU‹ angeboten werden darf«, sagt der Stadtimker Matthias Kopetzky (Wiener Bezirksimkerei). Zu finden ist der Honigverschnitt in den Regalen von Supermärkten, Diskontern, vielfach aber auch an Frühstücksbuffets in den kleinen Portions-Gebinden aus Kunststoff.
Naturprodukt vs. »industrial honey«
Diese absolute Unschärfe verschleiert nicht nur die klare Herkunft des Honigs, sondern bringt auch die europäische Imkerei in Bedrängnis. »Für die europäische Imkerei ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil, denn wir produzieren – zu recht – unter strengen Auflagen«, sagt Kopetzky. Und 40 Prozent des nach Europa importierten Honigs stammen aus China. Klar ersichtlich ist das aber kaum einmal. »Das Interesse der KonsumentInnen für Honig aus China könnte allerdings enden wollend sein, wenn klar ersichtlich ist, woher er stammt«, vermutet der Imker. Als problematisch erachtet wird etwa die gängige Praxis von ultrafiltriertem Honig, der in Labors zuerst mit Wasser vermengt wird, gesiebt und anschließend über Gefriertrocknung wieder entwässert. Mit dem Naturprodukt, das sich die KonsumentInnen beim Kauf von Honig erwarten, hat das in etwa so viel zu tun wie Rohmilch mit Kondensmilch aus der Tube. Durch die Ultrafiltration werden auch die ursprünglichen Pollen entfernt, was es schwer bis unmöglich macht, herauszufinden, woher der Honig eigentlich stammt. Synthetisch hergestellte Zuckerlösungen, die als Honig ausgegeben oder mit diesem vermischt werden, sind mit herkömmlichen Analyseverfahren längst nicht mehr immer von echtem Bienenhonig zu unterscheiden. Honig gilt als das weltweit am dritthäufigsten gepantschte Lebensmittel. Bis zu 50 Prozent der stichprobenartig von EU-Behörden durchgeführten Importhonigs waren in den vergangenen Jahren mit Maisstärke, Zuckerrohr oder Reissirup versetzt. »Prinzipiell besteht deshalb parteiübergreifend der Konsens für den Ausbau der Herkunftskennzeichnung bei Honig«, sagt der Europaabgeordnete Bernhuber. »Die schwammige Nicht-Kennzeichnung ›EU/Nicht-EU‹ soll klar durch eine genaue Herkunftsangabe ersetzt werden.« Ende November wurde im Umweltausschuss ein Abänderungsantrag der Frühstücksrichtlinie eingebracht, der den großen Abfüllern dennoch entgegenkommt und Spielraum lässt. Diese hatten bisher gegen Herkunftsangaben lobbyiert und nicht nur mit zusätzlichem Aufwand argumentiert, sondern auch mit der Befürchtung, dadurch für jede Marge andere Etiketten zu benötigen. »Wir sehen deshalb Ranges vor, also Prozent-Bereiche, in denen in absteigender Reihenfolge angeführt wird, dass beispielsweise 30-50 Prozent aus Österreich stammen, 30–50 Prozent aus Polen und 10–30 Prozent aus Rumänien«, sagt Bernhuber. Freiwilligerweise dürfen die Angaben natürlich auch genauer sein, doch wenn Honig zu 80 Prozent aus Nicht-EU-Ländern stammt, dann solle das auch klar am Etikett stehen. »Die letzten zwei Prozent können aus Restmengen oder alten Mischungen sein. Wir sind durchaus bereit, den ProduzentInnen Flexibilität zu gewährleisten.«
Dass sich der österreichische Abgeordnete die Änderung der EU-Honigkennzeichnung versprechen traute, liegt nicht nur am parteiübergreifenden Konsens in der Sache, sondern auch daran, dass sowohl mit der aktuellen spanischen, als auch mit der anstehenden belgischen Ratspräsidentschaft besprochen ist, dass das Thema noch vor den Europawahlen erledigt wird. »Das Thema soll Anfang Mitte Februar 2024 beschlossen sein und formal in der letzten Plenumsitzung im April, damit es rasch Rechtsgültigkeit hat«, berichtet Bernhuber. Die Umsetzungen in den einzelnen Ländern haben dann zwölf Monate Zeit, bis sie nach Übergangsfristen wirklich in Kraft treten, dauert es noch einmal sechs Monate. »Realistisch reden wir also von Ende 2025. Eh ein Wahnsinn, wenn man es so betrachtet«, meint Bernhuber.
Glasklare Herkunftsgarantie
Was ebenfalls beschlossen werden soll: dass ultrafiltrierter Honig (sogenannter »industrial honey«) innerhalb der EU nicht mehr als Honig bezeichnet werden darf – eben weil er sich chemisch nicht mehr von Reiszuckerwasser mit beigemengten Pollen unterscheiden lässt. Für KonsumentInnen bringt das also Sicherheit, dass sie im Supermarkt auch wirklich Honig kaufen.
Wer direkt beim Imker oder bei der Imkerin kauft, weiß womöglich ohnehin, dass Honig nicht gleich Honig ist. Selbst aus ein und demselben Bienenvolk unterscheidet sich der im Frühjahr geschleuderte Honig wesentlich vom Hochsommerhonig. Das Wetter, der Zeitpunkt der Blüte, welche Pflanzen von Bienen angeflogen werden – all das unterscheidet sich nicht nur saisonal, sondern auch von Jahr zu Jahr. Richtiger Honig verfügt deshalb über einen geographischen Fingerabdruck, der sich mittels DNA-Analyse mittlerweile genau geographisch zuordnen lässt. Deutlich genauer als in bisherigen Pollenanalysen. »Durch die Verbreitungsgrenzen nicht dominanter Pflanzen lässt sich in einer DNA-Analyse der Pollen geographisch gut einnischen und feststellen, in welcher Region ein Honig gesammelt wurde«, sagt Corinna Wallinger, Botanikerin beim Tiroler DNA-Analyseunternehmen Sinsoma. Für eine molekulare Analyse reichen fünf Milliliter Honig aus, das sind weniger als ein Teelöffel, um 35.000 Pollenkörner zu bestimmen. Damit lässt sich ein Honigprofil erstellen, das genau zeigt, welche Pollenpflanzen in einer Gegend zum Zeitpunkt des Sammelns geblüht haben. »Das veranschaulicht nicht nur die Vielfalt, die in einer Landschaft herrscht«, sagt Wallinger, »es zeigt auch, dass jeder Honig anders und Honig keine Massenware ist«.
Bei den großen Abfüllern und Importeuren wird man das zwar auch nach In-Kraft-Treten der neuen Honigrichtlinie anders sehen. Aber regionale Imkerinnen und Imker könnten ihren KundInnen künftig damit maximale Transparenz bieten – und auf ihren Etiketten beispielsweise mittels QR-Code genauestens zeigen, welche Blütenpollen im von ihnen gekauften Glas Honig enthalten sind, welche Artenvielfalt für das Zustandekommen der jeweiligen Süße verantwortlich ist. Absehbar, dass es bald nicht nur eine Auszeichnung für den sensorisch überzeugendsten Creme-, Sonnenblumen- oder Waldhonig gibt, sondern dass auch für den biodiversesten Honig eine »Goldene Honigwabe« verliehen wird. Denn importierter Mischhonig aus aller Bienen Länder wird billiger bleiben. Und bei der Abgrenzung dazu helfen Qualität und Transparenz, glasklare Herkunftsgarantien und der Mehrwert guter Geschichten.
Offenlegung: Thomas Weber ist nicht nur selbst Hobbyimker, sondern moderierte die Verleihung der »Goldenen Honigwaben« bereits zum zweiten Mal ehrenamtlich.