Gesucht: urbane Eichhörnchen
„Hörnchen zählen – Hauptstadt wählen“: Bis Schulschluss sind Schulklassen, aber auch Privatpersonen eingeladen, österreichweit Eichhörnchen zu zählen. Die beiden Wildtierforscher Theresa Walter und Richard Zink über ihr Eichhörnchenprojekt.
Bis Ende Juni sollen Schulklassen und Privatpersonen die Wildtierforscher der Vetmeduni Wien bei der Erforschung der Eichhörnchenbestände Österreichs unterstützen. Dabei im Fokus: urbane Eichhörnchen. Denn das großangelegte Citizen-Science-Projekt soll helfen, die Wissenslücken über das weit verbreitete, oft allerdings kaum noch als Wildtier wahrgenommene Nagetier zu schließen. Wir haben die Wiener Wildtierforscher Theresa Walter und Richard Zink über ihr Eichhörnchenprojekt befragt.
BIORAMA: Inwiefern können denn Laien beim Zusammentragen von Information über Eichhörnchen helfen? Geht es da nur ums Datensammeln?
Richard Zink: Viele Augen sehen gemeinsam mehr als wenige und viele Landnutzungsklassen sind in der Stadt nur für Privatpersonen zugänglich, zum Beispiel Gärten oder Innenhöfe. Die Verbreitung von Eichhörnchen in Städten kann daher mit Hilfe von Citizen Scientists besser erforscht werden als nur von einzelnen Wissenschaftern alleine.
Theresa Walter: Es geht aber auch darum, Menschen für den Lebensraum Stadt und die tierischen Mitbewohner zu sensibilisieren. Über häufig vorkommende Arten wie das Eichhörnchen gibt es zusätzlich oftmals keine Daten zu Vorkommen oder Verbreitung.
Unter dem Motto „Hörnchen zählen – Hauptstadt wählen“ soll möglichst breitenwirksam auch der Titel der „Eichhörnchenhauptstadt des Landes“ vergeben werden. Die Intention wird schon im Namen des Eichhörnchenprojekts klar: Es geht ums Erfassen der urbanen Eichhörnchenbestände. Warum sind die städtischen Hörnchen für die Forschung so interessant?
Theresa Walter: Eichhörnchen sind Tiere, die in Städten schon kaum mehr als Wildtiere wahrgenommen werden. Wir wollen dafür ein Bewusstsein schaffen. Zusätzlich brauchen Eichhörnchen Grünflächen im Verbund mit alten Bäumen, da sie gerne Baumhöhlen nutzen. Auch für diese Grünbereiche in der Stadt ist das Eichhörnchen ein Botschafter.
Beschrieben werden soll von den Hörnchenzählern auch die Fellfärbung der beobachteten Eichhörnchen. Was sagt denn die Farbe eines Fells einem Wildtierkundler über das Eichhörnchen?
Richard Zink: Wir wollen mit der Abfrage der Fellfarben darauf aufmerksam machen, dass auch die heimischen Eichhörnchen unterschiedliche Fellfarben haben können, da oftmals Gerüchte kursieren, Eichhörnchen mit dunklem oder grauem Fell seien Grauhörnchen.
Theresa Walter: Grundsätzlich gilt, dass für Österreich nicht bekannt ist welche Farbmorphe vorherrscht. In der Wissenschaft wird unter anderem diskutiert, ob dunkle Farbmorphen zum Beispiel im Winter einen Vorteil bieten, da sich dunkles Fell schneller aufwärmt als helleres Fell.
Vor einigen Jahren war immer wieder davon zu lesen, dass aus den USA eingeschleppte Grauhörnchen die in Europa angestammten roten Eichhörnchen verdrängen. Ist eine graue Fellfarbe für Hörnchen von Vorteil – oder sind die amerikanischen Hörnchen stärker und behaupten sich besser im Konkurrenzkampf um Futter?
Theresa Walter: Die amerikanischen Grauhörnchen sind Träger eines Parapoxvirus, gegen den sie selbst allerdings immun sind. Für die europäischen Eichhörnchen endet eine Infektion mit dem Virus oft tödlich. Das führte in Großbritannien zu einer starken Verdrängung des europäischen Eichhörnchens. Zusätzlich finden Grauhörnchen die im Herbst vergrabenen Nahrungsvorräte besser wieder als ihre europäischen Verwandten und nutzen dabei gleich noch die Vorräte des heimischen Eichhörnchen mit. In Österreich kommen derzeit keine nennenswerte Grauhörnchen-Bestände vor.
Vermehren sich die amerikanischen und die europäischen Eichhörnchen auch untereinander?
Richard Zink: Soweit bisher bekannt kommt es zu keiner Hybridisierung zwischen amerikanischen Grauhörnchen und europäischen Eichhörnchen.
Wie konkret können sich Schulklassen an dem Citizen-Science-Projekt beteiligen?
Theresa Walter: Schulklassen bekommen auf der Plattform www.stadtwildtiere.at einen eigenen Usernamen zugewiesen. Unter diesem Usernamen können die Schülerinnen und Schüler ihre Eichhörnchen-Beobachtungen vom Zeitraum 1. Mai bis 30. Juni auf der Plattform melden. Auch hier gilt das Prinzip „viele Augen entdecken gemeinsam mehr als einige wenige“.
Prinzipiell gehen die meisten Meldungen von Laien auf genannter Plattform bislang über Fuchssichtungen in Ballungsräumen ein. 2017 wäre eigentlich die Haselmaus das Wildtier des Jahres. Warum genau das Eichhörnchen?
Richard Zink: Wir haben uns im Rahmen des Citizen Science Awards für ein Wildtier entschieden, das in allen Landeshauptstädten Österreichs gut beobachtet werden kann, da im Rahmen dieser Initiative auch möglichste viele Menschen für das Mitforschen begeistert werden sollen. Auch alle bereits genannten Aspekte haben zu unserer Entscheidung für das Eichhörnchen beigetragen.
Forscher stellen üblicherweise Hypothesen auf. Wie lautet denn die Hypothese zur Forschungsfrage, welche durch des Hörnchenzählen beantwortet werden soll?
Theresa Walter: Für dieses Projekt wurde noch keine Hypothese aufgestellt, da die Ausweitung des Projektes auf alle Landeshauptstädte ein Pilotprojekt darstellt und wir noch nicht wissen, wie die Datengrundlage Ende Juni sein wird. Spannend ist natürlich das Vorkommen und die Verbreitung der Eichhörnchen in den Städten: Gibt es Unterschiede zwischen den Landeshauptstädten? Kommen die Eichhörnchen in manchen Städten in mehr innerstädtischen Bereichen als in anderen vor? Werden in manchen Städten vermehrt Eichhörnchen einer Farbmorphe gesichtet? Darauf aufbauend können sich weitere Forschungsfragen und -möglichkeiten ergeben.
Weiterlesen? In unserem Stöpsel-Kinderbuch-Blog empfiehlt Irene Maria Gruber ein Kinderbuch zum Thema Eichhörnchen: Eva Sixts „Das Eichhörnchenjahr“. Hier haben wir Anfang 2017 die Wiener Haselmaus-Forscherin Birgit Rotter interviewt.