Hobby-Imker gegen Honig-Importe
Victor Hernández, Stadtimker in Kassel, gemahnt Hobby-Imker zur bewussten Preisgestaltung und fordert: „Honig darf nur einmal geschleudert werden – und nicht etwa hinterher verschleudert werden.“
BIORAMA: Ein eher harter Winter nähert sich seinem Ende. Wie geht es denn deinen Bienenvölkern?
Victor Hernández: Natürlich haben nicht alle überlebt. Das wäre wirklich ein Wunder. Ehrlich gesagt sprechen Imker nicht gern über ihre Winterverluste. Denn sie wissen, meist haben sie selbst etwas falsch gemacht, und wer schmückt sich schon gerne mit seinen eigenen Fehlern. Mir geht es da anders: Auch ich habe bei der Einwinterung Fehler gemacht, nämlich zum Teil schwache Völker versucht über den Winter zu ziehen, was natürlich nicht funktioniert. Ich hätte sie vereinigen müssen. Diese Völker haben es nicht geschafft. Ich spreche so offen darüber, weil erstens ich daraus lerne und natürlich meine Imkerkollegen, mit denen ich mich austausche. Dennoch bewegen sich die Verluste im Rahmen. Von rund 100 Völkern sind es bis jetzt 5 Völker. Unter uns gesagt, mir tut jedes Volk sehr leid. Es ist immer ein blödes Gefühl, wenn mehr Augen von oben in die Beute hinein schauen als von innen heraus.
Deine Stadtimkerei und Honigmanufaktur folgt laut Website vor allem der Leidenschaft und „keiner primär wirtschaftlichen Zielsetzung“. Was ist dein Brotberuf und – da du den Honig ja verkaufst – welchen Stellenwert hat denn die Imkerei?
Victor Hernández: Richtig, um wirklich wirtschaftlich zu sein, bräuchte ich noch mindestens 200 Völker mehr. Davon könnte ich dann aber noch keine Familie versorgen. Um aber einen tiefen Einblick in die Imkerei und das Wesen der Bienen zu bekommen, braucht es aber mehr als nur zwei Völker. Natürlich hat mich die hohe Nachfrage nach meinem Honig anfangs motiviert, die Völkerzahlen zu erhöhen. Doch nun ist mein persönliches Maximum erreicht. 100 Völker kann ich gerade noch alleine bewirtschaften. Wenn ich bezahlte Hilfe bräuchte, müsste ich auch mit der Völkerzahl einen deutlichen Sprung nach oben machen. Manche Imker schrauben sich in einer Art Teufelskreislauf immer höher. Für mich wäre das nichts. In meinem Brotberuf berate ich Unternehmen in Fragen der Kommunikation als Werkzeug des Marketings. Doch auch dort versuche ich die Umsätze unseres kleinen Büros nicht immer weiter hochzuschrauben. Wenn meine Rechnungen bezahlt sind und ich mich über attraktive Aufträge von angenehmen Kunden freuen kann, habe ich genug. Danach bleibt dann Zeit für Bienen und andere Leidenschaften. Und die führen bei mir häufig durch den Magen: Ich koche und schmause für mein Leben gern. Dazu gehört auch selbst zu wursten und zu käsen oder fischen zu gehen… Das Interesse zu erfahren, woher die Lebensmittel herkommen, ist eng damit verbunden. Und diese Neugierde hat mich auch damals zu Bienen und dem Honig geführt.
Stehst du als Hobby- oder Nebenerwerbsimker in Konkurrenz zu hauptberuflichen Imkern? Und: Wirkt sich das auf deine Preisgestaltung aus?
Victor Hernández: Nicht ganz. Während in Deutschland 80 Prozent des Honigs auf dem Markt importiert wird und lediglich 20 Prozent von einheimischen Imkern produziert, kann man nicht wirklich von einem Konkurrenzverhältnis sprechen. Wir sind alle miteinander also eher Kollegen, die gemeinschaftlich an dem Ziel arbeiten sollten, dass weniger Honig importiert werden muss. Denn dann haben wir die Bestäubungsleistung der Bienen tatsächlich auch hier. Du kennst sicher den Spruch: Honig kann man importieren, Bestäubung nicht. Das soll für regionalen Honig werben. Und wenn uns dieses so am Herzen liegt, dann sind die Erwerbsimker natürlich von unschätzbarem Wert. Währen Hobbyimker in der Masse doch eher einen symbolischen Beitrag zur Bestäubung leisten, sind es die Profis, denen wir viel verdanken. Daher darf die Preisgestaltung eines Hobbyimkers auf keinen Fall die Preise der Berufsimker untergraben! Meine Preisgestaltung korrigiert von Anfang an auch die Preise meiner Kollegen nach oben. Ich führe in diesem Zusammenhang gerne ein Sprüchlein auf den Lippen: Honig darf nur einmal geschleudert werden – und nicht etwa hinterher verschleudert werden. Obwohl mein Honig hier in der Region mit einer der teuersten ist, bin ich stets vor der neuen Ernte ausverkauft. Ich arbeite aber auch aktiv daran, das Bewusstsein bei den Verbrauchern, also bei der Honigkundschaft in diese nachhaltige Richtung zu verändern. Geiz ist geil führt nämlich eindeutig zum Bienensterben!
Victor Hernández: Es gibt so vieles zu beachten. Es fängt natürlich bei den Bienen an. Mit welcher Haltung führe ich meine Imkerei? Ist es eine ökologische Haltung? Vielleicht ist diese sogar bio-zertifiziert. Wir haben diesen Schritt im vergangenen Jahr unternommen. Denn natürlich war auch ich anfangs ohne Bio-Siegel davon überzeugt, dass ich nur das Beste für meine Bienen tue. Das meinen fast alle Imker, die ich kennen. Aber erst durch die strengen Kontrollen wird ein Schuh draus!
Na und ebenso wichtig ist es eben, nicht nur auf den Honig-Eimer, sprich die Erträge zu schielen. Ich engagiere mich ehrenamtlich rund um die Imkerei in zahlreichen Initiativen und Projekten. Auf diese Weise kann ich viele Menschen für mein Thema „Naturerlebnis Biene + Naturgenuss Honig = Naturschutz für unsere Region“ sensibilisieren.
Man muss sich klar machen: Wo nur Rasen wächst, gibt es für Bienen nicht zu holen“ (Victor Hernández)
Dass es Bienen in der Stadt heute oft besser geht als auf dem Land, hat sich herumgesprochen – weil die Flora der Stadt vielfältiger und blütenreicher ist als die oftmals artenarmen Agrarmonokulturen auf dem Land. Aber du betreibst deine Imkerei nicht nur als Slow Food-Aktivist, sondern auch nach den strengen Bio-Richtlinien des Naturland-Verbands. Wie lässt sich denn Stadthonig Bio produzieren, wenn du keinerlei Einfluss darauf hast, ob auf Balkonen in Flugreichweite deiner Völker nicht doch massiv Pestizide oder dergleichen eingesetzt werden?
Victor Hernández: Das stimmt! Anfangs waren die Stadtimker noch die Spinner unter den Imkern: die jungen Wilden, die ihre Kästen auf die Dächer von Mehrfamilienhäusern stellen. Die älteren Kollegen rieten mir damals noch davon ab, geschweige denn „Stadthonig“ auf das Etikett zu schreiben. Inzwischen ist der Standortvorteil mehrfach wissenschaftlich belegt. Doch darf es deshalb nicht etwa zu einer Konkurrenz zwischen kreativen Stadtimkern und konservativen Landimkern kommen. Wir brauchen vielmehr eine Allianz aus Moderne und Tradition zu Gunsten der Bienen. Wenn sich Bienen in der Stadt heute wohler fühlen, dann müssen wir uns fragen, was wir eigentlich mit unserem Land gemacht haben in den letzten 30 Jahren. Darüber müssen wir mit Landwirten und Verbrauchern ins Gespräch kommen.
Auf das Fluggebiet der Bienen können wir weder in der Stadt noch auf dem Land viel Einfluss nehmen. Wenn ich die Pestizidbelastungen von Raps-Honig aus dem Landkreis sehe, fragt man sich sicher auch, ob das noch Bio sein kann. Doch geht es eigentlich bei der Zertifizierung um die Betriebsweise, also die Haltung der Völker. Diese soll möglichst „naturnah“ sein. Leben die Bienen in Holzkästen oder in Styropor? Welche Varroa-Behandlungsmittel werden eingesetzt? Wie sieht die Zucht aus? Was ist mit der Honig-Verarbeitung? Und vor allem: Das ganze wird von unabhängiger Stelle streng kontrolliert. Erst dann ist es Bio und dann gibt es auch einen echten Unterschied zu konventionellem Honig.
Du hast an mehreren Standorten in der Stadt Bienenstöcke platziert, u.a. am Dach des Stadttheaters. Unterstützt die Kommune deine Arbeit?
Victor Hernández: Kassel ist nicht nur topografisch eine sehr grüne Großstadt, sondern auch im Herzen der Menschen, die hier leben. Ich genieße eine enorme Unterstützung von vielen Seiten. Unternehmen übernehmen Patenschaften. Die Stadt überlässt mir Bereiche in ihren Parkanlagen. Und die Honigliebhaber unterstützen mich mit dem Kauf meines Honigs. Vor einiger Zeit erhielt ich als erster Imker überhaupt den Naturschutzpreis der Stadt Kassel. Das war natürlich eine zusätzliche Anerkennung, für die ich noch heute sehr, sehr dankbar bin.
Nun, da die Pflanz-Saison unmittelbar bevorsteht: Was können denn Balkonbesitzer tun, um es Stadtbienen möglichst annehmlich zu machen?
Victor Hernández: Wer etwas für den Erhalt der Bienen tun möchte, der sollte an erster Stelle regionalen Honig kaufen. Und zweitens hat jeder irgendwo eine kleine grüne Ecke, die er mit den Insekten teilen kann. Wir verschenke mit jedem Glas ein kleines Tütchen Bienenweide, ausgewählte Blühmischungen, die Honig- und Wildbienen, aber auch Schmetterlingen Nahrung bieten. Das funktioniert bei mir auf der Dachterrasse ebenso gut wie im Balkonkasten oder auf den buntblühenden Kasseler Verkehrsinseln. Man muss sich klar machen: Wo nur Rasen wächst, gibt es für Bienen nicht zu holen. Und von dem neuen Trend, seinen Vorgarten mit Kies und Steinen auszuschütten, möchte ich gar nicht anfangen zu erzählen. Das sind pflegeleichte Wüsten.
Gibt es bei der Balkonbepflanzung aus Sicht des Imkers absolute No-Gos?
Victor Hernández: Es sind Blühpflanzen mit geöffneter Blüte zu bevorzugen, bei denen die Insekten auch an die Nektarien der Pflanze gelangen. Sonst sieht es zwar hübsch aus, aber freut eben nicht die Facettenaugen unserer Mädels. Aber in den Gärtnereien wird man da oftmals sehr gut beraten, es kommt ja schließlich auch auf Standort und Bodenqualität an.
Weiterlesen? Wiederholt hat sich BIORAMA mit dem Thema Bienen beschäftigt. Hier etwa die Empfehlung eines Kinderbuchs über eine Biene, die sprechen konnte.