Consciousness im Flagship Store
Der schwedische Textilkonzern Hennes & Mauritz öffnete die Türen seines neuen Wiener Gigastores. Das ist auch in Zeiten allgegenwärtiger Fast-Fashion-Kritik ein Ereignis. Ein Versuch, Einkaufsmotive bewusst wahrzunehmen.
»Heute eröffnet der neue H&M Flagship Store auf der Wiener Mariahilfer Straße 47. Um das gebührend zu feiern, wird zwischen 11 und 21 Uhr zum großen Opening Event geladen. Nichts wie hin!«, ruft »1000ThingsToDoInVienna« seine NewsletterabonnentInnen schon um acht Uhr früh per Whatsapp-Nachricht auf. Auch das private Umfeld scheint das ähnlich zu sehen: »Hey Mädls, wollen wir heute zum H&M Opening gehen?«, fragt die Mitbewohnerin. Und man sich: Warum wird die Eröffnung eines H&M Stores so gefeiert?
Der schwedische Textilhandelgigant H&M eröffnete gestern seinen größten Flagship Store Österreichs. Auf insgesamt 3.120 m² kann über vier Stockwerken geshoppt werden. Auf Facebook lud H&M zu einem Eröffnungsevent ein – mit DJ Line-up, einem Live-Act und Opening-Goodies.
Über 2/3 ist nachhaltige Mode wichtig
Hält man sich in Österreichs Twitter-Blase auf, war man bei einer Fridays For Future Demonstration dabei oder verfolgt man den Einzug von Nachhaltigkeits-Slogans in die Werbung, drängt sich der Eindruck auf: Umweltschutz und Nachhaltigkeit werden den Menschen immer wichtiger. Eine 2015 in Deutschland durchgeführte Online-Umfrage im Auftrag von Greenpeace ergab, dass 25 Prozent der TeilnehmerInnen gezielt Kleidung kaufen, bei deren Produktion auf Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit oder faire Arbeitsbedingungen wert gelegt wird. Immerhin die Hälfte der Befragten findet Siegel, die bezeugen, dass Kleidung nachhaltig, umweltverträglich und fair hergestellt wurde, beim Kleidungskauf sehr hilfreich. H&M ist ein Fast-Fashion-Label. Die Eröffnung des neuen H&M-Giga-Stores wurde mit großem Andrang gefeiert.
Im ehemaligen Forever 21 Store hat sich nun H&M niedergelassen. Auffallend ist das Design des neuen Stores – er erstrahlt im edlen Naturlook, mit vielen Holzelementen und Topfpflanzen. Ob es Nachhaltigkeit ausstrahlen soll? Ebenfalls auffallend ist die nahezu homogene BesucherInnengruppe. Es sind fast nur junge Frauen. Warum sind sie beim H&M-Event, was schätzen sie am schwedischen Textilunternehmen? BIORAMA hat sich vor Ort ein bisschen umgehört.
Es geht ums Geld
»Da ich momentan noch studiere, schaue ich schon auf den Preis. Vor allem schau ich, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis passt. Wenn etwas qualitativ hochwertig ist, gebe ich auch schon einmal mehr aus«, erzählt Anika, 22. Auch Studentin Christina sieht das ähnlich: »Mir ist der Preis sehr wichtig, da ich Studentin bin und kein regelmäßiges Einkommen habe. Bei einem Kleidungsstück schaue ich aber zuerst auf das Design und dann auf den Preis.«
»Nachhaltigkeit wird ein immer größeres Thema. Auch ich beschäftige mich mehr und mehr damit, aber bei Mode achte ich leider noch wenig darauf.«
Anika, 22, Studentin
»Nachhaltigkeit wird ein immer größeres Thema. Auch ich beschäftige mich mehr und mehr damit, aber bei Mode achte ich leider noch wenig darauf. Fast Fashion ist schon noch um ein Stück billiger und momentan einfacher und schneller zu besorgen«, meint Studentin Anika. »Generell ist mir Nachhaltigkeit wichtig. Das Thema kann man ja gar nicht mehr ignorieren. Ich ernähre mich vegan und bin überzeugt, das macht einen Impact. Bei Mode auf Nachhaltigkeit zu setzen, fällt mir schwer, weil den großen Modehäusern das Thema egal ist«, sieht Marie-Sophie, 22, die Situation.
Christina sagt, für sie sei oft die Optik der Kleidungsstücke nachhaltiger Labels Ausschlussgrund: »Ich achte vor allem bei Lebensmitteln darauf, ob sie biologisch sind. Beim Thema Fashion fällt es mir schwer. Ich glaube nicht, dass es besser ist, teure Markenkleidung zu kaufen, als welche vom H&M. Die produzieren doch alle in Asien unter schlechten Bedingungen. Fair Fashion ist mir oft zu teuer und entspricht meistens nicht meinem Geschmack.«
Kleine Schritte der großen Modekonzerne
Auch wenn es großen Modefirmen scheinbar schwerfällt, Nachhaltigkeit nicht in erster Linie als Marketingstrategie zu begreifen: Erste Effekte des wachsendes Bewusstseins der KonsumentInnen – und ja vielleicht sogar der Marketingstrategien der kleinen wie auch der ganz großen HerstellerInnen – gibt es. Wenn es auch kleine sind. H&M gibt etwa seit längerer Zeit keine Plastiksackerl mehr aus. Mit der »Conscious« Kollektion bietet der Konzern nachhaltigere Mode an. Ein besonderes Highlight befindet sich auch im neuen H&M Flagship Store auf der Mariahilfer Straße. Beim H&M-Take-Care-Bereich dreht sich alles um das Thema Nachhaltigkeit, teilweise wird Upcycling angeboten. Alte Kleidungsstücke – jedoch ausschließlich welche von H&M – erhalten dort einen neuen Schliff. Der H&M-Take-Care-Bereich bietet entgeltlich kleine Reparatur-, Näh- und Stickerei-Services an. Auch umweltschonendes Waschmittel oder Wäschebeutel, die beim Waschen Mikroplastik filtern, können erworben werden.
Die zitierten Studentinnen greifen aufgrund ihres geringen Einkommens oft auf günstige Fast Fashion zurück, gleichzeitig aber wünschen sie sich ein Umdenken in der Fashion-Branche und verfolgen das Verhalten der Modegiganten aufmerksam. »Langsam geht der Trend Nachhaltigkeit auch auf große Konzerne über, wie man ja auch bei H&M sieht mit dem Upcycling-Bereich. Ob das nachhaltig genug ist? Ich glaube nicht, dass das reicht«, meint Anika. »Der Trend geht bereits Richtung Nachhaltigkeit. Aber große Firmen haben vordergründig mehr Interesse am Umsatz als an Nachhaltigkeit, also sind Initiativen wie H&M ,Conscious‘ sicher nur Marketing«, ist Marie-Sophie überzeugt.
Ressourcenschonendes Recycling
Wie viele andere Textilkonzerne auch, beschäftigt sich H&M mit Recycling und sammelt in seinen Filialen Altkleider. »Kurzfristig wollen wir verhindern, dass Textilien auf der Mülldeponie landen. Langfristig soll der Textilkreislauf geschlossen werden«, heißt es auf der Website von H&M. Bis zu einem Fünftel des Materials aus Wolle oder Baumwolle kann H&M nach eigenen Angaben recyclen. H&Ms »Sustainability Report« für das Jahr 2018 ergab, dass 57% aller Materialien, die die H&M Gruppe zur Herstellung ihrer Produkte verwendete, aus recycelten oder anderen »nachhaltig« erzeugten Fasern hergestellt wurden. Was das genau bedeutet, steht hier nicht.
Dass sich große Modefirmen wie H&M mit Recycling beschäftigen ist ein wichtiger Schritt in eine nachhaltige Branche. Große Konzerne haben allein durch ihre Nachfrage am Rohstoff- und Textilmarkt entsprechend großen Einfluss. Der reine Anteil an Recycling-Fasern soll bei H&M aber nur ein Prozent des gesamten Sortiments betragen. Und der Konzern verbraucht weiterhin mit jeder neu produzierten Kollektion Ressourcen. Offen bleibt die Frage: Können kleine Nachhaltigkeitsinitiativen der großen Modekonzerne insgesamt zu einer ökologischeren Modebranche beitragen? Auch wenn große Textilkonzerne wie H&M immer mehr nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen anbieten, der Weg zu einer wirklich umweltverträglichen Modebranche ist noch ein langer.