Ein Haus als Hightech-Organismus

In Vaduz steht ein Aktiv-Energiehaus mit Sonnensegeln und Lüftungsklappen. Die Luxusimmobilie soll sich selbst und die Nachbarn mit Energie versorgen.

Vom nachhaltigen Bauen gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Manche Architekten denken dabei an Häuser aus traditionellen, nachwachsenden Rohstoffen, die kaum Energie verbrauchen: Lowtech. Andere Architekten haben eher innovative, technische Lösungen vor Augen, die natürliche Ressourcen effizient nutzen und sogar selbst Energie produzieren: Hightech. Das Architektenpaar Cornelia Falkeis-Senn und Anton Falkeis hat in Liechtensteins Hauptstadt Vaduz ein Gebäude realisiert, das auf den ersten Blick verrät, in welche der beiden Kategorien es gehört. Im Auftrag einer recht solventen Bankiersfamilie ist hier ein bionisch inspiriertes Hightech-Wohnhaus entstanden, für dessen Realisierung architektonische Grundlagenforschung betrieben wurde. Sechs Jahre lang wurde geplant, entwickelt, experimentiert und schließlich gebaut. Das spektakuläre Ergebnis trägt den Namen »Active Energy Building«. Einen Anschluss ans Stromnetz hat es vor allem, um überschüssige Energie abzugeben. Vier Gebäude in der Nachbarschaft soll es mit Energie versorgen. Außerdem kann Energie in Speicher abgeführt werden – und zwar in die Batterien der Elektroautos, die in der Tiefgarage Platz finden.

Die textilen, dunklen Fassadenelemente sorgen für Schatten in den dahinterliegenden Räumen. (Bild: Roland Korner)

Strategien aus der Natur

Im Active Energy House steckt gleich eine ganze Reihe technischer Extravaganzen. Einige davon wurden speziell für das Gebäude entwickelt. Das Tragwerk des Gebäudes zum Beispiel basiert auf einer kinetischen Säulenstruktur, die von einem Algorithmus anhand von Voronoi-Diagrammen optimiert wurde. Dabei ist eine wabenartige, materialsparende Struktur entstanden, die an den Aufbau der Flügel von Insekten erinnert. 59 V-förmige Säulen aus eigens entwickeltem Spezialzement stützen die Konstruktion im Inneren. Das minimalistische Tragwerk ist nicht die einzige Strategie aus der Natur, die sich das Gebäude zunutze macht.

In den Klappen, die bei Sonnenschein aus der Fassade schwenken, erwärmt die Sonne Paraffin, das seine Wärme während der Nachtstunden an das Gebäude abgibt. (Bild: Roland Korner)

Phase Changing Materials, also Stoffe, die in bestimmten Temperaturbereichen ihren Aggregatzustand wechseln, unterstützen die Geothermie-Heizung. Dafür werden Wärmeflügel, die automatisch aus der Fassade schwenken, tagsüber durch die Sonne erwärmt, um die Wärme über Nacht an das Gebäude abzugeben. Andere Flügel öffnen sich bei Bedarf während der Nachtstunden, erkalten und geben die Kühle der Nacht ans Gebäude ab. Dabei wird in Lamellen im Inneren der Flügel die Speicherkraft von Paraffin genutzt. Das Prinzip kennt man von Kühlakkus oder Wärmekissen.

Auf dem Dach des Hauses sorgen Solartracker dafür, dass die Sonnensegel tagsüber vollautomatisch dem Lauf der Sonne folgen. Das steigert ihren Wirkungsgrad um das 2,9-Fache, heißt es von den Architekten. Dass für das Aufstellen und Drehen der Solarpaneele Elektromotoren benötigt werden, falle in der Energiebilanz kaum ins Gewicht.

Angewandte Bauforschung: Vor Baubeginn wurde die Funktionsweise der mobilen Solarkollektoren und der Paraffin-Klappen zuerst einmal im Mock-up erprobt. (Bild: Roland Korner)

Die Kosten waren eher zweitranging

Wenn man beim Liechtensteiner Bauherrn vorsichtig nachfragt, wie viel denn das Gebäude so ungefähr gekostet hat, dann entlockt man ihm nicht mehr, als dass die Familie nicht erwarte, am Gebäude zu verdienen. »Die Familie hat Wert darauf gelegt, Liechtenstein auf die Landkarte nachhaltiger Architektur zu setzen«, erklärt er. Dass man dabei bereit war, auch Risiken in Kauf zu nehmen, sieht man dem Gebäude an. Denn ob sich all die technischen Finessen am Ende in der Praxis tatsächlich bewähren, muss sich erst zeigen. Vieles wurde während der Entwicklungsphase schon in teilweise mehrjährigen Versuchen erprobt. Viele Ideen wurden auch verworfen. »Jede Innovation hat natürlich Kinderkrankheiten. Die sind nun aber ausgemerzt«, versichert der Bauherr. Böse Überraschungen fürchtet er nicht –schließlich war er in die Planung eingebunden. Das gesamte Projekt hatte für die Beteiligten schließlich auch den Charakter eines Forschungsprojekts. »Wir hatten noch nie einen Bauherrn, der sich so für jedes Detail interessiert hat«, meint Architekt Falkeis. Skepsis ist dem Bauherrn bei der Realisierung des Luxusprojekts fremd: »Ach wissen Sie, wir sind positive Menschen.«

BIORAMA #52

Dieser Artikel ist im BIORAMA #52 erschienen

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