The Third Day
Henrik Spohler hat sich in seinem neuesten Fotoprojekt der Nahrungsmittelproduktion im Zeitalter von industrialisierter Landwirtschaft und Gentechnik gewidmet.
Die Fotografien zeigen großflächige Anbaugebiete in Amerika und Spanien, Gewächshäuser in den Niederlanden und Forschungsinstitute in Deutschland, die Vielzahl dieser neuen Landschaften, die unsere Zivilisation formt, wirkt überraschend, man bekommt einen Einblick in eine Maschinerie, die man in diesem Ausmaß nur selten sieht.
Sandige Böden, die mehr an Wüstenlandschaften erinnern als an Ackerflächen, und bis in den Horizont reichende Plastikplanen wechseln sich mit endlosen Reihen an Gewebekulturen ab, Menschen kommen in den Bildern nicht vor – bis auf zwei Ausnahmen, und auch da fügen sich die Personen wie einsame Wanderer in die Landschaft ein und erinnern uns wieder daran, wie wenige Arbeitskräfte es für diese Form der Landwirtschaft noch braucht.
Ohne Erde
Eine Selektion, was fotografiert wird, scheint es kaum zu geben; alles, was auf trockenem Land gedeiht, findet sich in dem Bildband wieder, in manchen Fällen haben die Pflanzen schon kein Erdreich mehr zur Verfügung, in den Tomatenanbaugebieten in Holland gedeihen die Pflanzen auf Steinwolle und wachsen 24 Stunden am Tag, denn selbst in der Nacht wird die gesamte Landschaft künstlich beleuchtet.
„Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die da Frucht trugen und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeglicher nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.“ (1. Mose, 12-13)
Gemüse, Obst, Zierpflanzen, Samenlager und Wasserreservoirs, große Plantagen und kleine Reagenzgläser, Spohler nimmt den dritten Tag ernst und versucht die ganze Bandbreite des heutigen Pflanzenanbaus abzudecken. Die wohl wegen ihrer Nüchternheit erschreckendsten Bilder finden sich in den deutschen Forschungslabors wieder, wo die Aufzucht von alten wie neuen Sorten ganz ohne Erde oder Sonnenlicht stattfindet, Gentechnik den Pflanzen noch profitablere Eigenschaften geben soll und Pilze in Hallen auf Metallstangen großgezogen werden.
Existenz und Zweck
Auf den ersten Blick wird man getäuscht von den ruhigen Bildern, die bevorzugt hellen Aufnahmen und zarten Farben erinnern mehr an eine Sammlung von romantischen Landschaftsaufnahmen als an eine Kritik an unserer heutigen Lebensform. Erst die Bildunterschriften und die langsame Anhäufung von den geometrisch exakten Anbaugebieten führen langsam den Schrecken herbei, den man beim Anblick dieser Industrie empfindet. Die Abwesenheit von Mensch, Tier oder irgendeiner anderen Pflanze als der gewünschten lässt das Gefühl aufkommen, eine Geisterstadt zu betrachten, in der nichts eine Existenzberechtigung hat, was nicht einen Zweck erfüllt.
Ein neutral fotografierter Bildband, in dem sich Nahaufnahmen mit Landschaftsaufnahmen abwechseln, der Blick wirkt nie wertend, jedes Bild hat seine eigene Poesie von Verlassenheit.
Henrik Spohler
„The Third Day“
Vorwort von Christiane Stahl, Texte von Friedemann Schmoll, Christiane Stahl, Gestaltung von Valentin Maeder
Deutsch, Englisch
2013. 96 Seiten, 55 Abb.
30,90 x 26,50 cm
gebunden
Henrik Spohlers Fotografien sind noch bis zum 22. Dezember in der Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin zu sehen.