Das soll es gewesen sein mit der Verantwortung, H&M?

 

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In Hamburg hat der schwedische Textilriese einen „Green Pop-up Store“ eröffnet. Mit Energiesparlampen und Regalen aus recycelten Materialien will das transnationale Unternehmen sein Image als nachhaltiger Vorreiter schärfen. Doch letztendlich ist es wieder nur eine weitere oberflächliche Form des Greenwashings.

Das Textileinzelhandelsunternehmen Hennes & Mauritz (H&M) ist das zweitgrößte seiner Branche in Europa. In den 3.132 Geschäften, die weltweit verteilt sind, arbeiten rund 116.000 Menschen, die dem Konzern im Jahr 2013 einen Brutto-Umsatz von 17,35 Milliarden Euro erwirtschafteten. Allein in Deutschland, dem größten Absatzmarkt für H&M, kam das Unternehmen auf einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro. Tendenz steigend.

Doch in Zeiten, in denen Fast-Fashion immer wieder in der Kritik steht – zuletzt durch vermeintliche Hilferufe, die in Primmark-Klamotten gefunden wurden – kämpfen Großunternehmen der Branche nicht nur um größere Marktanteile, sondern ebenso um ein besseres Image. Denn immer häufiger decken Initiativen wie die Clean Clothes Campaign Skandale in den Nähfabriken der großen Hersteller auf.

Deshalb hat sich H&M Kampagnen wie „longlivefahion“ oder die „Conscious Collection“ ausgedacht. Alte Klamotten können bei H&M gegen eine Rabatt-Marke eingetauscht werden und es wurde eine kleine nachhaltige Kollektion herausgebracht, die sich durch den Einsatz von Bio-Baumwolle und Hanffasern auszeichnen soll.

Dazu nun der „Green Pop-up Store“, der auf eine klimaneutrale Einrichtung der Geschäfte abzielt.

 

Doch bei aller Liebe für den selbstdarstellerischen Pioniergeist von H&M: Das soll es gewesen sein mit all der Verantwortung, der sich H&M angeblich bewusst ist?

Viele Worte, wenig Taten

Nach Außen gibt sich H&M als verantwortungsbewusstes Unternehmen – welches Unternehmen tut das nicht? –, das zu 100% Wert auf Nachhaltigkeit, faire Löhne, Tier- und Klimaschutz legt. Vor gut einem Jahr forderte der Konzernchef Karl-Johan Persson gar ein weltweites Fairtrade-Label für die Modebranche. Das Medienecho war groß, seitdem gab es jedoch keine sonderlichen Neuigkeiten diesbezüglich. Allein auf der Homepage verkündet die Firma, sie wolle bis 2018 „alle strategischen Lieferanten“ dazu bringen, „ihren Angestellten einen fairen existenzsichernden Lohn zu zahlen“.

Aus Sicht von H&M zahlen sie sogar schon in vielen Fabriken faire Löhne. Das bedeutet dann jedoch meist nur, dass sie sich an den gesetzlichen Mindestlohn halten. Problem dabei: Oft liegt dieser Mindestlohn weit unter dem Existenzminimum. Zum Beispiel liegt der offizielle Mindestlohn in Kambodscha bei 75 US-Dollar. Laut Berechnungen der Asia Floor Wage Alliance wären jedoch 274 US-Dollar nötig, um davon sich selbst und eine Familie ernähren zu können.

Wieviel würde Fairtrade kosten?

Shirt, die mit einem Fairtrade-Label ausgezeichnet sind, sind im Vergleich zu den 2-Euro-H&M-Shirts relativ teuer. Und sicherlich kann man sein Konsumverhalten nicht ohne Probleme eins zu eins durch reine Fairtrade-Produkte ersetzten. Betrachtet man jedoch genauer das Lohngeflecht von Unternehmen wie H&M, zeigt sich ein anderes Bild. Laut Berechnungen der Gewerkschaft Verdi würde ein T-Shirt nur rund 12 Cent mehr kosten, wenn die Textilhändler für jede Näherin 50 Euro pro Monat mehr berücksichtigen würden. Wenn man dazu bedenkt, dass der Lohnkostenanteil bei einem Shirt ohnehin bei nur rund drei Prozent liegt, fragt man sich, wieso an diesen Stellschrauben noch nicht gedreht wurde.

Seitens H&M gibt man zu bedenken, dass eine solche Lohnverdopplung das Lohngefüge in den Entwicklungsländern durcheinanderbringen würde. Einfach zu sagen – schwer zu beweisen.

Wer trägt wie viel Verantwortung?

Sicherlich ist es immer leichter gesagt als getan. Ein Unternehmen dieser Größenordnung von heute auf morgen komplett nachhaltig aufzustellen bleibt wohl eine Utopie. Jedoch haben Unternehmen wie H&M weitaus mehr Verantwortung und auch mehr Möglichkeiten als sie momentan bereit sind zu nutzen.

Eine wirklich glaubwürdige Strategie muss dabei weitaus mehr sein, als ein paar Recyling-Möbel aufzustellen. Wenn H&M es tatsächlich schafft bis 2018 fair zu produzieren, würde ich laut Beifall klatschen. Doch auch fernab dieses Zieles gäbe es da einige weitere Ansatzpunkte.

Das Unternehmen spricht gerne davon, wie hochwertig ihre Produkte sind. Die Realtität sieht jedoch oft anders aus. Aber wer wundert sich schon darüber, wenn ein 3-Euro-Shirt nach dreimal Waschen eingelaufen, löchrig oder verfärbt ist. Also gleich zurück zu H&M, Rabatt-Marke abstauben und sofort das nächste Shirt vom H&M-Grabbeltisch eingesteckt.

Viele ungenutzte Möglichkeiten

Auch hier hätte das Unternehmen die Möglichkeit wirklich nachhaltig aktiv zu werden. Doch solange das Unternehmen davon lebt, dass möglichst viele Menschen möglichst oft und möglichst viel Geld in den Läden lassen, ist der Weg zur wirklichen Nachhaltigkeit in weiter Ferne. Es würde nämlich bedeuten weniger und bewusster zu konsumieren. Aber das entscheidet ja nicht H&M, sondern der Konsument …

Durch die omnipräsente Plakatwerbung in europäischen Innenstädten trägt das Unternehmen aber nicht unwesentlich dazu bei, dass unsere Konsumgesellschaft so funktioniert, wie sie funktioniert. Welche Werte und Schönheitsideale der Konzern mit abgemagerten und am Computer nachbearbeiteten Modells damit zusätzlich verbreitet soll hier gar nicht erst weiter ausgeführt werden. Aber der Konzern lebt von seinen Kunden, die bei jeder neu-angepriesenen Kollektion wieder ein neues Schnäppchen schlagen wollen.

H&M hat erkannt, dass es als Unternehmen in dieser Größe eine Verantwortung hat. Nun wird es aber auch Zeit diese Verantwortung nicht nur als PR-Image-Kampagne auf Plakate und Flyer zu drucken, sondern diese ernst zu nehmen und glaubwürdige Taten sprechen zu lassen.

Bis dahin sollten wir Konsumenten uns öfters überlegen, ob wir wirklich noch ein weiteres T-Shirt brauchen. Denn das bei solches Preisen etwas schief läuft, ist den meisten ja mittlerweile doch bewusst. Konsum-psychologisch kann es aber in der gefährlichen Shoppingcenter-Atmosphäre immer zu Aussetzern kommen. Aber das ist vielleicht auch eine Sache des Trainings.

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