Hektar Nektar: Start-up für Imker, Bauern und Bestäuber
600.000 Bienenvölker fehlen Imkern jedes Frühjahr allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hier möchte das Start-up ‚Hektar Nektar‘ vermitteln. Außerdem sollen Bestäubungsleistungen Bauern zu besseren Ernten verhelfen.
Gerade für Hobbyimker bedeutet der Winter oft sechs Monate Zittern. Wie viele Völker werden die kalte Jahreszeit unbeschadet überstehen? Schwer zu beantworten ist dann auch eine Frage, die sich im Frühjahr dann allzu meist stellt: Woher Ersatz für jene Völker nehmen, die man eben nicht über den Winter gebracht hat? – Bis zu 600.000 Bienenvölker, schätzen Mark und Martin Poreda, werden Jahr für Jahr im deutschsprachigen Raum nachgefragt. Hier möchten die beiden bereits in der Vergangenheit erfolgreich gewesenen Gründer mit ihrem in Perchtoldsdorf angesiedelten Start-up Hektar Nektar ansetzen – und eine unterdigitalisierte Branche vernetzen. Auch die Vermittlung von Bestäubungsleistungen an Bauern sowie von Bienenpatenschaften für Private und für Unternehmen soll mittelfristig etabliert werden. Einnahmen bringen sollen dabei – wie beim Vorbild Amazon – Provisionen pro vermittelter Transaktion. BIORAMA traf Mark und Martin Poreda in ihrer Wiener Niederlassung zum Interview.
BIORAMA: Hektar Nektar ist gewissermaßen als Amazon für Bienenvölker und Königinnen gedacht, als Plattform über die Bienenpatenschaften vermittelt werden und Bestäubungsleistungen, die Bauern für ihre blühenden Felder und Obstgärten buchen können. Habt ihr eine Erklärung, warum Bienen und Bestäubung nicht längst über Amazon oder willhaben.at gehandelt werden?
Martin Poreda: Der Handel mit Bienen bedarf einer eigenen Plattform, die mit produktspezifischen Filterkriterien und Informationen besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe eingehen kann. Der Handel mit Bienen oder die Buchung von Bestäubungsleistung ist zumeist ein Termingeschäft und Bienenzüchter arbeiten oft auf Vorbestellung. Amazon wird zwar für den Kauf der meisten Produkte dieser Welt angesteuert aber z.B. für Dienstleistungen, Nutztiere oder den Handel mit Rohstoffen nicht. Für sehr viele Bereiche der Wirtschaft und noch mehr – der Landwirtschaft – ist das „Amazon-Gerüst“ nicht geeignet und kann deshalb solche Themen nicht effizient behandeln bzw. Problemlösungen bieten.
Mark Poreda: Auch ist Bienenschutz oder Bestäubungsleistung mit viel Kommunikation und Aufklärungsarbeit verbunden – ein Aspekt, der in der Ergebnislisten-Gestaltung von Amazon oder willhaben.at nicht angedacht ist und wozu sich diese Plattformen auch gar nicht berufen fühlen.
Martin Poreda: Es stimmt, dass „Urban Beekeeping“ in ist. Die Imkerei ist jedoch eher ein introvertiertes Hobby, was die Verschrobenheit der Alt-Imker erklärt. Man könnte sagen, die meisten Imker imkern „für sich“ und bauen deshalb nicht gleich eine Instagram-Präsenz auf. Die Zielgruppe ist aber nur im Absatz von Honigprodukten undigitalisert – wohingegen die Suche beziehungsweise der Kauf von Bienenvölkern sehr wohl übers Web läuft. Auch sind Imker-Erfahrungsgruppen auf Facebook & Co. sehr aktiv. Die meisten Honigprodukte werden im unmittelbaren Umfeld des Imkers verkauft – aber auch das versuchen seit Neuestem Start-ups zu ändern.
Erfahren Nachwuchs-Imker nicht in Kursen wo und wie sie am besten Bienen bekommen?
Martin Poreda: Hier hört man verschiedene Erfahrungsberichte. Aus irgendeinem Grund werden nicht immer Anlaufstellen empfohlen – vielleicht herrscht hier „Futterneid“ unter den Imkern oder es gibt Interessenskonflikte. Ab und zu sind Bienenzüchter als Empfehlungen auf Imkerei-Schulungsseiten aufgelistet, aber dort ist schon ab Frühjahr, wo die Saison ja erst beginnt, zu lesen, dass die Völker ausverkauft sind. Termingeschäft eben – wo die erfahrenen Imker den Neuimkern die Völker quasi „wegkaufen“. Deshalb ist die Suche im Web der nächste Schritt, aber auch sehr mühsam zur Zeit. Deswegen wird Hektar Nektar eine Art „Einkaufsgemeinschaft“ für den Kauf von Bienenvölkern etablieren.
Mark Poreda: Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass bei dieser Einkaufsgemeinschaft nicht wie üblich die Durchsetzung besserer Preise im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Erhöhung der Chancen für den Kauf seiner Bienenvölker. Hektar Nektar möchte sich als verlässlicher und marktübliche Preise zahlender Abnehmer zahlreicher Bienenvölker für den Bienenzüchter etablieren und seinen Mitgliedern bei der Beschaffung von Bienen helfen.
Martin Poreda: Wir hatten mit der Imkerei bis vor kurzem nichts am Hut. Erst als ein Imker auf uns zukam und um Hilfe bei der Digitalisierung seiner Imkerei bat, stießen wir auf die Herausforderungen der Imkerei und erfuhren aus erster Hand über das Problem des Bienensterbens.
Martin Poreda: Je nach Region und Erfahrung des Imkers überleben 30 bis 70 Prozent der Bienenvölker den Winter nicht. Bei ca. 1 Million Bienenvölkern im deutschsprachigen Raum rechnen wir mit einem Bedarf in der Höhe von 600.000 Bienenvölkern.
Martin Poreda: Die vorherrschenden Bienenrassen sind die Carnica und Buckfast Biene. Da der internationale Handel mit Bienen derzeit noch nicht gelebt wird und außerdem eine logistische Herausforderung darstellte (Verpackung, Versand), suchen und kaufen heimische Imker im Raum Deutschland-Österreich-Schweiz von heimischen Züchtern. Königinnen hingegen werden weltweit gehandelt und versendet.
Mark Poreda: Es gibt eine natürlich Grenze, wieviel ein Imker bereit ist in sein Hobby zu investieren. Wenn der Preis für das Hobby in die Höhe schnellen würde, würde es ein massives Bienen- und Imkersterben geben. Bienenvölker kosten zwischen 160,- und 100,- Euro – je nach Rasse, Begattungsart der Königin, Volkgröße und Lieferzeitpunkt.
Da 99 Prozent der Imker Hobbyimker sind, ist dieses Phänomen eher unter dieser Zielgruppe zu beobachten – Honig wird dem Nachbarn oder in der Familie zum Freundschaftspreis verkauft.
Mark Poreda: Was die Konsumenten dabei nicht bedenken, ist dass der Diskonter-Honig zugekaufte Importware zum Beispiel aus Mexiko oder aus der Ukraine ist, wo man nicht weiß, wie es um die Qualität – Stichwort: Chemie in der Landwirtschaft – der von den Bienen angeflogenen Pflanzen steht. Es ist erwiesen, dass Honig seine Eigenschaften als „Superfood“ und natürliches Antibiotikum mit antioxidativer Wirkung nur dann ausspielt, wenn man regionalen Honig konsumiert. Es herrscht daher diesbezüglich eine Wissenslücke unter den Konsumenten.
Martin Poreda: Und den meisten Hobbyimkern genügt der niedrige Honigpreis schon als „Wertschätzung“ ihrer Leistung. Der Honigpreis kann dann aber nur als „symbolisch“ und nicht als dem tatsächlichen Wert entsprechend bezeichnet werden.
Martin Poreda: Zurzeit richten wir unsere Kommunikation sehr stark in Richtung Imker aus. Von den Personen, die sich seit dem Start von hektarnektar.com bei uns angemeldet haben, sind deshalb 80 Prozent Imker, 10 Prozent Haushalte und die restlichen 10 Prozent teilen sich Landwirte und Unternehmen. Die meisten Besucherinnen und Besucher stammen aus Deutschland, gefolgt von Österreichern und nur sehr wenigen Schweizern.
Martin Poreda: Die professionelle Bestäubung ist im Gemüse- und Obstanbau gelebte Praxis. Zahlen hierzu sind jedoch nicht aufzutreiben. Es gibt eigene Bestäubungsimker, die ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, sodass es hier auf alle Fälle einen Markt gibt.
Martin Poreda: In den USA ist die Bestäubungsimkerei ein Milliardengeschäft und größte Einkommensquelle der Imkereien – nicht umsonst stammt aus den USA der Spruch „there is no money in honey“.
Weiterlesen zum Thema? Immer wieder beschäftigt sich BIORAMA mit Bienen. In seiner Serie „Essen in der Antike“ widmet sich Niklas Rafetseder u.a. dem bereits von Plutarch und Vergil überlieferten Bienensterben in der Antike.