Kräuter – Superfood auf heimischen Wiesen
Unter Superfood verstehen viele Chia Samen, Spirulina Algen, Goji Beeren und Co. Man muss aber nicht unbedingt in Mexiko, China oder gar im Ozean auf die Suche nach vermarktbaren „Superpflanzen“ suchen.
Ich kann mich noch sehr gut an mein erstes Kräutersammeln erinnern. Ich war ungefähr acht Jahre alt. Meine Großmutter nahm uns auf das verwilderte Grundstück unseres Nachbarn mit. Dort pflückten wir den halben Tag, im Sonnenschein büschelweise Brennnesseln. Sie zeigte mir wie ich das Kraut auch ohne Handschuhe anfassen kann, ohne mich an den Nesseln zu verbrennen. Zuhause angekommen zauberte sie daraus einen unheimlich leckeren Brennnesselspinat mit Kroketten und Spiegelei. Ich weiß nicht ob es daran lag, dass ich zum ersten Mal selbstgepflücktes zu einer Speise verarbeitetete oder ob meine Großmutter damals ein besonderes Rezept benutzte, aber, es sollte mir nie wieder so gut gelingen. Jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, weiß ich nicht nur um die geschmacklichen Eigenschaften des „Unkrautes“ sondern auch um dessen heilende Kräfte. Denn die Brennnessel wird in der Sammlergemeinschaft als der Rockstar der heimischen Kräuterszene gehandelt.
Tees, Tinkturen, Trockenpulver
Ob nun Brennnessel, Hirtentäschel, Löwenzahn oder Spitzwegerich. Die Wildkräutersammelsaison ist eröffnet. Die warmen Frühlingstage sind die ideale Zeit dafür. Überall grünt und blüht es. Zeitgleich sprießen auch die Kräuterblogeinträge und Youtube Videos im Internet aus dem virtuellen Boden. Sowie die Youtube Serie über „Essbare Wildkräuter und Wildblüten“ von Silke Leopold. In ihrem esoterisch anmutenden Blog schreibt sie nicht nur über die wirkungsformen der verschiedensten Kräuter sondern auch über die rohvegane Lebensweise. Wo aber lässt sich aber das Kräuterwissen einordnen? Gehört es in den esoterischen Sektor? Ist es Homöopathie, Naturheilkunde oder doch Schulmedizin? Schließlich wurde die Basis für Aspirin ursprünglich aus der Weidenrinde gewonnen. Zu Salaten, Pestos, Pulver und Tees verarbeitet, sollen sie nicht nur sehr bekömmlich sein sondern auch besonders auf den menschlichen Organismus wirken. Also doch Superfood?
Hildegard von Bingen und die Hildegard-Medizin
Um mehr über den Ursprung der Kräuterheilkunde zu erfahren muss man in der Geschichte weit zurück reisen. Schon die Ägypter, Summerer und Babyloner wussten um die Wirkung von Heilfpflanzen. Man fand ihn Gräbern nicht nur Aufzeichnungen sondern auch eine Urform von Tabletten. Sorgsam wurde das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben und vergrößert. Im Mittelalter begannen in den Klöstern die ersten Studien. Gelehrte, wie man sie damals nur unter den Mönchen und Nonnen fand, legten Kräutergärten an und dokumentierten die Experimente in bunten Illustrationen. Aus den Pflanzen gewannen sie Tees und Tinkturen. Unter ihnen war auch die Universalgelehrte Hildegard von Bingen, die mit ihren Abhandlungen und Schriften als Mutter der Hildegard-Medizin gilt. Sie wird der traditionell europäischen Medizin (TEM) zugeschrieben. Die Behandlung mit Kräutern und Pflanzen war jedoch nicht immer komplikationsfrei. Vor allem die teilweise berauschenden Wirkungen wurden der Magie zugesprochen. „So aß die Brennnessel man sie am Johannistag (24.Juni) um vor Nixen- und Elfenzauber gefeit zu sein.“ Dieses mystische Wissen um Kräuter wird vor allem von der Esoterik gerne aufgegriffen.
Pflanzen als Basis der modernen Medizin
Kräuterwissen bzw. Pflanzenheilkunde ist Teil der Schulmedizin. Denn wie viele vielleicht nicht Wissen, wurde das Wort zum erstmals 1876 von dem homöophatisch orientierten Arzt Franz Fischer geprägt und entsprang einem Streit zwischen dem Begründer der Homoöpathie Samuel Hahnemanns und medizinischen Gelehrten der damaligen Zeit. Erst im 19. Jahrhundert sollte der Begriff dazu dienen „wissenschaftliche Medizin“ von „unwissenschaftlicher Medizin“ also Paramedizin zu trennen. Viele der uns heute bekannten Arzneimittel sind aus Naturstoffen, also Stoffe die von lebenden Organismen wie Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen, entwickelt werden. Die Acetylsalicylsäure, gemeinhin als Aspirin bekannt, hat ihren Ursprung im Salicin, einem Wirkstoff der in der Weidenrinde enthalten ist. Baldrian, Hopfen, Passionsblume gelten schon lange als beruhigend und sind nicht nur bei Apothekern bekannt. Man findet sie auch immer wieder in den Zutatenlisten für „Omas Hausmitteln“ wieder. Unter Hausmittel versteht man Mittel die selbst hergestellt werden können und nicht unbedingt in der Apotheke zu finden sind.
Apotheke im Garten
Neben den unbeliebten „Essigpatscherln“ findet man auch oft Kräuter unter den hilfreichen Tipps. Hustensirup aus Spitzwegerich kann man zum Beispiel mit einem 1-Liter Glas, Honig bzw. Zucker und den Blättern der Pflanze ganz einfach selbst herstellen. Holünderblüten mit heissem Wasser aufgegossen ergeben einen aromatischen Tee gegen Erkältungen. Brombeerblätter werden in der Blüte gesammelt und bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum eingesetzt. Basenteemischungen können ganz einfach aus Brennnessel, Birkenblätter, Löwenzahn etc. hergestellt werden, fördern die Entgiftung und beschleunigt den Heilungsprozess bei Entzündungen. Ein Thema mit dem vor allem Hobby- und Profisportler zu kämpfen haben. Deswegen findet man die Hilfsmittel aus dem Garten nicht selten in Green Smoothie Mischungen der Fitnessindustrie wieder. Unser heimischen „Unkraut“ kann also locker mit exotischem Superfood mithalten.
Kräutersammeln kann man im Prinzip überall. Welche Kräuter ihr im Monat Mai sammeln könnt findet ihr hier