Harvest MAP: Mehr als die Summe der Teile

Ein Gebäude ist ganz unten angekommen – was folgt: Abriss oder Rückbau? Bild: Harvest MAP

Der Stoff, aus dem die Städte sind: Die Wiener Initiative Harvest MAP Austria bietet nach holländischem Vorbild eine Plattform zum Austausch von Baumaterial. ReUse ist mehr als Recycling – der Materialkreislauf wird vergrößert und Ressourcen werden geschont.

Recycling klingt immer noch nach Joghurtbecher auswaschen und Tetrapaks falten. Doch wo auch immer in der Entsorgungskette die Mülltrennung erfolgt: Recycling ist längst Milliardengeschäft und Know-how-intensive Wachstumsbranche. In der EU hat Deutschland mit rund 60 Prozent jüngst Österreich im Rennen um die höchste Recyclingrate überholt, doch es gibt noch Luft nach oben. Nicht immer ist Recyceln aber der umweltschonendste Weg, ein Material im Nutzungskreislauf zu halten: Upcycling – oder ReUse – bezeichnet die Wiederverwendung von Material, ohne es in seine Bestandteile, die Rohstoffe, zu zerlegen.

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Die „Oogstkaart“ der niederländischen Superuse Studios soll bald um Einträge aus Österreich ergänzt und mit deutschsprachiger Oberfläche zugänglich sein. Bild: Screenshot www.harvestmap.isebuki.com

Im großen Stil

Der Anteil des Haushaltsmülls am Abfall der Europäischen Union beträgt unter zehn Prozent, knapp ein Drittel des gesamten Abfalls entsteht in der Bauwirtschaft. Gleichzeitig wächst der Bedarf an den – oft endlichen – in der Bauwirtschaft benötigten Rohstoffen weiter. Gute Gründe, um neben der Recyclingwirtschaft auch Infrastruktur für Reuse des durch Abbruch, Umbau oder Sanierung anfallenden Materials aufzubauen. Das holländische Unternehmen Superuse Studios bietet eine Plattform zum Austausch von Material an und nützt sie auch selbst als Materialbezugsquelle für seine Architektur- und Designprojekte: die interaktive Karte, auf der Angebote – etwa die Rotorblätter eines Windkraftwerks – gleich mit Lagerstätte verzeichnet werden. Gleichzeitig laden Superuse Studios durch das Anbieten der Karte als Open-Source-Software auch andere zur Teilnahme ein.

Gebäude aus ReUsed Material zu bauen, sei ökologisch und sozial nachhaltig – denn das Material trage viel weniger zum Gesamtpreis bei als die Arbeitszeit, erklärt Floris Schiferli von Superuse Studios. Sobald wir beginnen würden, diesen Fußabdruck bei der Berechnung der Gebäudekosten mitzuberücksichtigen, würde Reuse auch preislich im großen Stil konkurrenzfähig: »Wir brauchen nur Zeit. Es wird passieren.«

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Auf Materialsuche. Bild: Harvest MAP

Wiener Harvest MAP gegründet

Für eine Handvoll Wiener Kreative war die Harvest Map die ideale Möglichkeit, um zwei Bereiche im Produktzyklus zu verbinden, indem die zwei entsprechenden Branchen vernetzt werden: »Wir Designer stehen am Anfang der Kette. Normalerweise verwenden wir ein Produkt aus dem Katalog für eine Designobjekt oder ein Haus. Die Abfallwirtschaft steht am Ende der Kette – den Kreis muss man schließen«, erklärt Andrea Kessler, Mitbegründerin der österreichischen Harvest MAP, kurz für Material-Austausch-Plattform. Die Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen gebe es nicht im nötigen Ausmaß, daher soll die international existierende Karte um Einträge aus Österreich erweitert in deutschsprachiger Variante zugänglich werden. Im Oktober konnte die erste Materialernte eingefahren werden: Das Museum für Angewandte Kunst stellte die Betonblöcke der Modellstadt »Hypotopia« zur Verfügung. Für 2016 wird ein Erntefest in einem zum Abbruch freigegebenen Gebäude geplant.

Das Team der Harvest MAP Austria arbeitet derzeit an Finanzierungsmöglichkeiten, um das Scouting für neues Material im großen Maßstab finanzierbar zu machen. Rückenwind hat das Projekt jüngst auch durch den ersten Preis des Ideenwettbewerbs der Wiener Wirtschaftsagentur bekommen. Wer einspeisen, ernten oder mehr erfahren will, wird hier fündig: harvestmap.isebuki.com

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Harvest MAP Team mit Floris Schiferli von Superuse Studios. Bild: Harvest MAP

Auf einem Workshop im Rahmen der Vienna Open im Juni 2015 nimmt das Projekt Harvest MAP Konturen an. Bild: Lisa Leutner

Auf einem Workshop im Rahmen der Vienna Open im Juni 2015 nimmt das Projekt Harvest MAP Konturen an. Bild: Lisa Leutner

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