Hamsterkäufe und Homeoffice bescheren dem Biohof Adamah eine Obergrenze für Biokistln
Wegen der großen Nachfrage musste zusätzliches Leihpersonal angeheuert werden. Und Gründer Gerhard Zoubek führt auch selbst wieder Bio-Kistln aus.
Die Gaststätten sind geschlossen, die Kinder zu Hause und im Homeoffice gibt es keine Kantine. Das hat nicht nur Supermärkten, sondern auch Hofläden und Biokistl-Lieferservices einigen Zulauf gebracht. Am Biohof Adamah im Marchfeld musste man zum Ausführen sogar zusätzliches Leihpersonal anheuern – und schließlich sogar eine Obergrenze für ausgelieferte Biokistln ansetzen. Gründer Gerhard Zoubek, der dieser Tage auch selbst wieder Kistln ausführt, und Tochter Elisabeth Zoubek erklären im BIORAMA-Interview, warum auch bei ihnen Germ und Trockenhefe knapp wird und auf welche positiven Veränderungen sie durch die Coronakrise hoffen.
Die Supermärkte wurden überrannt. Wie sieht es bei den Biokistln aus?
Gerhard Zoubek: Seit 20 Jahren arbeiten wir bei Adamah daran, die Idee der Direktvermarktung mit dem Adamah-Kistl so zu entwickeln, dass es eine hilfreiche Unterstützung und Dienstleistung für Haushalte schafft, denen eine regionale, saisonale und biologische Versorgung wichtig ist und die verstehen, dass ein wertvolles Lebensmittel auch seinen Preis haben muss!
Elisabeth Zoubek: Wir geben unser Bestes, um den zahlreichen Bestellungen unserer KundInnen nachzukommen. Schweren Herzens mussten wir für die nächsten Wochen eine Obergrenze einführen – mehr als 1.500 KundInnen am Tag schaffen wir einfach nicht. Unsere MitarbeiterInnen in allen Bereichen leisten großartige Arbeit, sollen aber nicht überlastet werden. Außerdem ist es uns ein großes Anliegen, dass die gewohnte Qualität unserer ausgelieferten Produkte nicht leidet – daher auch die Entscheidung, dass wir momentan keine NeukundInnen aufnehmen können.
Hamstern auch AbonnentInnen von Biokistln Lebensmittel zu Hause?
Gerhard Zoubek: In der ersten Woche mit der Ausgangsbeschränkung haben wir doppelt so viele Kistln als sonst geliefert und da sind schon sieben bis acht Kistln an eine Adresse gegangen. Auch Genussgüter wie Wein und Bier waren dabei, aber vor allem viel frisches Gemüse und Obst, Brot, Milch und Milchprodukte, Fleisch, Käse und Fisch und auch Reformartikel.
Gibt es einzelne Lebensmittel, bei denen Adamah die Nachfrage nicht bedienen konnte oder kann?
Gerhard Zoubek: Bei vielen Produkten sind wir auf die Lieferfähigkeit von VorlieferantInnen und ProduzentInnen angewiesen. Da hat es am Anfang das eine oder andere Lieferproblem gegeben. Durch den Ausfall der Gastronomie mussten einige Produkte umgeleitet werden.
Elisabeth Zoubek: Auf der einen Seite ist die ganze Gastro weggefallen und auf der anderen Seite ist die Nachfrage der Endkunden entsprechend massiv gestiegen, auch weil hier Lebensmittel auf Vorrat gekauft werden. Das Ganze ging sehr schnell und dementsprechend konnte nicht alles geliefert werden. Das betrifft aber in unserem Fall nur einen Bruchteil der Produkte aus unserem Sortiment. Im Großen und Ganzen können wir die Versorgung auch die nächsten Wochen sicherstellen, auch wenn eventuell einige Produkte gar nicht zu bekommen sind oder entsprechend teuer. Zum Glück haben wir eine eigene Landwirtschaft, die uns mit Lagerware versorgen kann und jetzt schon wieder frische Salate hat. Die Planung im Einkauf hat sich dahingehend verändert, dass die Verfügbarkeit der Ware und der Lieferkette oberste Priorität hat und wir auch kurzfristig umplanen müssen, weil zB. ein LKW durch die Grenzkontrollen verspätet ankommen kann.
Wie hat sich das Bestellverhalten verändert seitdem sich die Menschen im Homeoffice eingerichtet haben und die meisten Familien ganztägig ihre Kinder zu Hause haben?
Elisabeth Zoubek: Unsere KundInnen bestellen aktuell um circa 25 Prozent mehr als sonst. Auch die Bestellzeiten haben sich stark verschoben. Vor der Krise haben die meisten KundInnen abends bestellt – nun verteilen sich die Bestellungen über unseren Webshop auf den ganzen Tag.
Gerhard Zoubek: Wir glauben, es wird wieder mehr gekocht. Der Absatz unserer Bio-Rezeptkistln bestätigt das.
Dass Germ und Trockenhefe in den Supermärkten ausverkauft sind, zeigt, dass dieser Tage auch viel gebacken wird. Lassen sich AbonnentInnen auch Mehl oder andere Zutaten, die es zum Brotbacken braucht, nach Hause liefern?
Gerhard Zoubek: Unsere Getreidemühle lauft ständig, unser Getreide kommt ja direkt aus unserer Biolandwirtschaft.
Elisabeth Zoubek: Germ und Trockenhefe sind aber leider auch für uns sehr limitiert und bei unseren VorlieferantInnen oft nicht lieferbar.
Der Milchpreis kam in den vergangenen eineinhalb Wochen weiter unter Druck. Bei vielen Milchbauern geht es um die Existenz, auch im Biobereich. Wie geht da Adamah mit seinen Milchlieferanten um?Gerhard Zoubek: Wir haben im Raum St. Veit an der Gölsen einen Biomilchbetrieb, mit dem wie schon seit Langem zusammenarbeiten, der liefert uns die Frischmilch und Joghurt in Glasflaschen im Mehrwegsystem. Wir haben aber auch länger frische Biomilch und Milchprodukte vom Schaf.
Elisabeth Zoubek: Der Milchpreis, den wir bezahlen unterliegt nicht den täglichen oder wöchentlichen Schwankungen des Marktpreises, sondern errechnet sich anhand der Produktionskosten unseres Produzenten und wird meist jährlich um die Inflation angepasst. Das ist auch der große Vorteil von Milchbauern mit einer Direktvermarktung.
Adamah liefert nicht nur Bioprodukte, sondern immer auch Rezepte und Anregungen für die Zubereitung. Habt ihr bei den vorgeschlagenen Rezepten auf Homeoffice und das sogenannte Versorgungskochen reagiert?
Elisabeth Zoubek: Genau – wir stellen zwar das ganze Jahr über Rezepte, Tipps und Tricks für die Küche, aber auch andere nützliche Dinge wie Anregungen zu Zero Waste und zur Obst- und Gemüse-Verarbeitung zur Verfügung. Aber jetzt achten wir besonders auf familientaugliche Rezepte – Speisen, die auch Kinder gerne essen und die nicht allzu aufwendig in der Zubereitung sind. Mit unserem Rezeptkistl bekommen unsere KundInnen alle Zutaten in genau benötigter Menge, welche dann mittels ganz konkreten Zubereitungstipps – wir nennen diese „Genussanleitung“ – gekocht werden können. Da können auch kleine Hände gut mithelfen. Kochen und Essen sollen Spaß machen und gennussvoll sein. Nicht nur jetzt, aber gerade in Zeiten wie diesen.
Gerhard Zoubek: Für uns ist die Dienstleistung selbstverständlich, wir lieben unsere Kundinnen und Kunden. Wir wollen es ihnen einfach machen und möchten, dass es ihnen gut geht!
Manche Menschen beschäftigen sich nun erstmals mit Lebensmitteln. Ist da mit einer langfristigen Veränderung im Ess- und Einkaufsverhalten zu rechnen?
Gerhard Zoubek: Ich würde mir das sehr wünschen, dass viele Menschen durch die Krise und durch die Reflexion draufkommen, was zum guten Leben wirklich wichtig ist – und das sind eben Lebensmittel –, und dass da das Wort Leben drinsteckt!
Elisabeth Zoubek: Auch für mich wäre das mehr als wünschenswert und höchst an der Zeit!
Hat der aktuelle Ausnahmezustand auch etwas punkto Qualitätskontrolle verändert?
Elisabeth Zoubek: Trotz vermehrten Bestellaufkommen versuchen wir die Qualität hoch zu halten. Wir stehen für hohe Standards bei der Qualität unserer Produkte, der Lieferung und beim Service rundherum. Auch in der Krise soll das so bleiben wie es unsere KundInnen gewöhnt sind.
Gerhard Zoubek: Wir spenden während des ganzen Jahres unsere „Besondere Ware“ – also Ware, die wegen sogenannter Schönheitsfehler nicht verkäuflich ist – an karitative Einrichtungen. In der Krise hat sich hier eine neue Zusammenarbeit mit dem Neunerhaus ergeben: Wir konnten Gemüse zur Verfügung stellen, mit dem warme Mahlzeiten für das Gesundheitszentrum gekocht und Jausenpakete gepackt werden. Ab nächster Wiche soll das Projekt des Neunerhauses ausgeweitet werden und es sollen weitere armutsbetroffene Menschen mit Essen versorgt werden. Eine extrem wichtige Maßnahme, denn viele haben derzeit keinen Zugang zu Verpflegung.
Wie lässt sich denn das Mehr an Bestellungen in der Auslieferung bewerkstelligen? Machen die Adamah-ZustellerInnen Überstunden?
Elisabeth Zoubek: Unsere Fahrer sind unglaublich fleißig und motiviert. Aber auch die Familienmitglieder helfen hier aus und auch Gerhard setzt sich in den Lieferwagen und liefert unsere BioKistln aus!
Gerhard Zoubek: Durch unsere langjährige Erfahrung arbeiten wir proaktiv. Wir kennen unsere täglichen Möglichkeiten, bei denen wir weder die MitarbeiterInnen überfordern und gleichzeitig unseren KundInnen hohe Qualität und Verlässlichkeit garantieren können. Wir haben rechtzeitig Leihpersonal organisiert und Bestellgrenzen eingeführt.
Vielen LandwirtInnen fehlen durch die in ihre Heimat zurückgekehrten ErntehelferInnen aus dem Osten Europas die Arbeitskräfte für die Ernte. Das Landwirtschaftsministerium sucht sogar über eine eilig eingerichtete Website ErntehelferInnen. Gibt es da bei euch in der Landwirtschaft auch einen Bedarf oder gar einen Mangel?
Gerhard Zoubek: Die Biolandwirtschaft benötigt mehr Handarbeit als konventionelle industrielle Landwirtschaft. Wir müssen oft die Kulturpflanzen vom Beikraut händisch befreien und dürfen das „Unkraut“ nicht mit Chemie abtöten.
Wir haben viele langjährige MitarbeiterInnen, auf die wir jedes Jahr aufs Neue zurückgreifen. Unsere rumänische Gruppe ist somit schon beim Anflug der Krise eingetroffen, eben um drei Wochen früher als sonst üblich, und es gibt ja sowieso genug zu tun. In der Krise kommt es auch zurück wie man mit seinen MitarbeiterInnen umgeht. Bei uns werden sie fair bezahlt und haben entsprechende Unterkünfte, in denen sie sich wohlfühlen.
Und wie sieht es bei den Biobäuerinnen und Biobauern aus, deren Produkte ihr vermarktet?
Gerhard Zoubek: Im Große und Ganzen auch gut. Vielleicht werden wir das Angebot an Spargel etwas verändern müssen. Zum Beispiel könnten wir vermehrt Spargelspitzen statt der AAA-Stangen anbieten, weil es möglich ist, dass der Spargel von unqualifizierteren ErnethelferInnen geerntet wird.
Viele Menschen sind verunsichert. Den Biohof Adamah kann man immer erreichen. Gab es Fragen, die gehäuft beantwortet werden mussten?
Gerhard Zoubek: Zu Beginn der Krise hatten wir zusätzlich auch noch einen Telefonfestnetzausfall durch eine mechanischen Telefonkabelstörung. Das hat aber unser Kundenservice-Team bravourös mit Mobilgeräten gelöst. Die größte Herausforderungen ist es gewesen, den Menschen zu erklären, dass wir im Augenblick keine NeukundInnen annehmen.
Elisabeth Zoubek: „Das eine Kistl geht doch noch!“ haben wir sehr oft gehört. Aber es geht eben irgendwann nicht mehr. Da haben wir begonnen an andere PartnerInnen bzw. ProduzentInnen zu vermitteln.
In der letzten Wirtschaftskrise bremste sich auch der Bioboom ein. Durch die Coronakrise gibt es binnen weniger Tage 150.000 neue Arbeitslose. Viele Leute werden sparen. Wie wird sich das auf die Biolandwirtschaft auswirken?
Elisabeth Zoubek: Die Wertschätzung und das Bewusstsein über die Notwendigkeit der zum Leben notwendigen Mittel wird hoffentlich steigen. Und Regionalität wird hoffentlich wieder wichtiger sowie die Unterstützung der lokalen, regionalen Wirtschaft. Der Preis von Bioprodukten setzt sich aus den tatsächlichen Produktionskosten zusammen. Bioproduktion schont und schützt die Umwelt – den Boden, die Luft, das Wasser. Außerdem ist die Produktion von Biolebensmitteln teurer, da arbeitsintensiver. Das muss immer wieder hervorgehoben werden.
Gerhard Zoubek: Es ist immer wieder die Rede davon, dass die Luftverschmutzung auch zu einem Teil der Krise beigetragen hat. Die Lunge ist unser größtes menschliches Hohlorgan und wir müssen uns bewusst werden, wie wir uns in Zukunft verhalten sollten um saubere, schadstofffreie Luft zum Atmen zu haben. Da sind wir alle angehalten gut hinzuschauen, uns mit unserem Lebensstil auseinanderzusetzen und uns die Frage zu stellen: Was brauchen wir für ein gutes Leben? Lebensmittel! Und die am besten Bio.