Haarige Pelz-Mode

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Der Herr mit dem Hermelin: in der Renaissance weist der Hermelin-Pelz Malatesta Baglioni im Gemälde von Parmigianino als einflussreich aus.

Pelz ist grausam, sagen die einen. Pelz ist reine Natur und schick, sagen die anderen. Pelz als Symbolträger für Status und Luxus polarisiert. Kommt jetzt gar der Bio-Pelz?

Der »nackte Affe« Mensch kam schon früh auf den Pelz und eignete sich Haut und Haar von damit besser ausgestatteten Geschöpfen an: Bereits in der jüngeren Altsteinzeit (40.000–10.000 v. Chr.) wurden Tierfelle als Bekleidung und als Schmuck benutzt. Was in Ur-Zeiten das Überleben der Art sicherte, bekam spätestens im frühen Mittelalter eine zusätzliche Funktion: edle Pelze wurden zum sozialen Symbol von Status und Herrschaft. Seit dem Mittelalter (6. bis 15. Jahrhundert) geniesst besonders Marderpelz höchstes Ansehen. Am begehrtesten war Zobel, gefolgt von Baummarder und Steinmarder. Als die Normannen in Russland einfielen (10. Jahrhundert), setzten sie den Tribut in Fellen fest und trieben so viel davon wie möglich vom unterworfenen Volk ein. Besonders aus waren die Eroberer auf Zobel, Marder und Fuchs. Die Kleiderordnungen des Mittelalters zementierten die Rolle der Pelze als Herrschafts- und Reichtumsanzeiger fest: Sie regelten, welcher Stand welche Pelzarten tragen durfte. Gewöhnliche Bürger und Handwerker mußten mit Fuchs, Lamm und Iltis auskommen. Kaufleuten war es gestattet, Iltis und das (nicht ganz so hoch geschätzte) Kehlfell des Marders auszuführen, wenn sie im Stadtrat saßen. Das beste Stück vom Marder, das Rückenfell, wurde vornehmen, männlichen Bürgern zugedacht. Frauen mußten sich an Eichhörnchenfelle halten. Bauern und Tagelöhnern durften sich nur in »schlechte Beltze« wie Lamm und Ziege hüllen. Relikte dieser Regelungen finden sich bis heute in Amtstrachten und Kleidungsordnungen des britischen Königshauses. Ab dem 17. Jahrhundert eroberte der Pelz das Militär. Auch hier waren die edlen Stücke den hohen Dienstgraden vorbehalten, während den niederen Chargen einfachere Pelze, etwa als Kälteschutz im Krieg, zugestanden wurde.

Symbolischer Ausdruck von Weiblichkeit?

Der wachsende Nachfrage nach »Rauwaren« (alte Bezeichnung für Echt-Pelz) machten den Pelzhandel in manchen Regionen Europas zu einem Wirtschaftsfaktor, etwa im Raum Leipzig. Pelzfarmen entstanden, um die steigende Nachfrage abzudecken. Arbeiter und Zuchttiere hatten da aber wenig zu lachen: Die Bedingungen waren für die Menschen, aber vor allem für die Tiere schlecht bis kaum vorstellbar. In der Neuzeit erhielt Pelz eine weitere symbolische Bedeutung: Pelz als symbolischer Ausdruck von Weiblichkeit. Manche Attacken von militanten Pelzgegnern gegen Pelzträgerinnen wurden auch als frauenfeindlich kritisiert. Erst Ende der 60er Jahre waren verstärkt kritische Stimmen gegen die grausige Pelztierzucht und -jagd zu vernehmen. Die Schriftstellerin Marguerite Yourcenar forderte 1968 die Schauspielerin Brigitte Bardot auf, sich gegen die Robbenjagd in Kanada einzusetzen. Bardot hatte zuvor noch in Pelzen posiert. In der darauf folgenden Kampagne gegen die kommerzielle Robbenjagd in Neufundland – vorangetrieben von Brigitte Bardot und anderen Prominenten wie Linda McCartney – wurden erstmals Bilder der grausigen Tötungen von blutüberströmten (weißen) Robbenbabys in den Massenmedien gezeigt. Breites Entsetzen war die Folge. NGOs sprangen auf das Thema auf und starteten Kampagnen.

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Lieber nackt als im Pelz: 1991 began mit Christy Turlington die Kampagne, für die sich bis heute Prominente ausziehen.

PETA gegen die Pelz-Lobby

Noch stärker kippte die öffentliche Stimmung in den 80er Jahren, als die Tierrechtsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) unter anderem mit nackten Promis gegen das Tragen von Pelz kampagnisierte. Das US-Supermodel Christy Turlington posierte 1990 nackt vor der Kamera und ließ sich mit dem Spruch »I’d rather go naked than wear fur« (»Lieber nackt als im Pelz«) abbilden. Die Schaltung dieses Sujets auf einer Anzeigetafel auf dem Sunset Strip in Los Angeles bewirkte ein enormes Medienecho. Viele andere Prominente folgten Turlingtons Beispiel. Das Tragen von Pelz wurde nun für mehr und mehr Menschen zu einer unmoralischen (und unsympathischen) Geste. Die Pelzindustrie hatte infolge natürlich alle Hände voll zu tun, ihre Produkte ethisch wieder zu restaurieren – und die lästigen Pelzgegner abzuschütteln (Aktivisten stalkten Pelzträger mitunter regelrecht). Statt die zweifelhafte Lust am Luxus zu betonen, polte die Industrie das angekratzte Pelz-Image geschickt durch Marketing-Kampagnen und Qualitäts-Zertifikate um. Nicht Luxus, sondern die Aspekte »Natürlichkeit« und Nachhaltigkeit wurden fortan als Kaufmotive angesprochen. Nach der Jahrtausendwende erzielte die Pelzbranche, nach erheblichen Einbrüchen, wieder Zuwachsraten. Zuletzt boomte das Geschäft besonders in Asien und Russland. Das Deutsche Pelz-Institut, eine Art Lobby-Speersitze der Pelz-Industrie, verkündet im Internet, die Pelzindustrie sei »in der Verantwortung«. Sie müsse »für eine einwandfreie legitime Herkunft der von ihr genutzten Naturgüter garantieren«. Und darunter steht frech: »Er mag Luft und Bewegung. Führen Sie ihn bitte so oft wie möglich aus!«

Ist Mitgefühl mit Tieren dumm?

Brendan O’Neill, Redakteur beim libertinären Blatt Spiked – das regelmäßig mit Angriffen gegen Umwelt- und Klimaschutz die britische Öffentlichkeit provoziert – geht in einem Beitrag im Guardian noch einen Schritt weiter: »Hinter der Aufregung um Pelz steht ein Misstrauen gegenüber der menschlichen Zivilisation. Deshalb ist es wert, Pelz zu verteidigen.« Die Anti-Pelz-Bewegung sei motiviert durch »kindische« Übertragungen menschlicher Eigenschaften auf Tiere. Sind tierethische Beweggründe wirklich »kindisch«? Ist Mitgefühl mit Tieren gar dumm? Anders gefragt: Darf die Menschen-Zivilisation alles tun, was Spass macht und Nutzen bringt? Mehr als 20 Jahre (mitunter hochemotional geführte) Anti-Pelzkampagnen haben bei Teilen des Publikums wohl eine gewisse Moral-Abstinenz und »Jetzt erst recht«-Haltung verstärkt. Triumphierend präsentieren Plattformen der Pelzindustrie heute wieder Stars und Models, die demonstrativ in teuren Pelzen posieren. Abgesagt ist die Ethik aber keineswegs – immerhin geistern allerlei »grüne« Pelz-Labels herum, die Pelz offenbar in ein besseres Licht rücken wollen. Die Plattform »Fur is green« behauptet, Pelz sei eine »natürliche, erneuerbare und nachhaltige Ressource«. Synthetische Materialien hingegen würden ja aus nicht nachhaltigem Erdöl hergestellt. 2007 führten europäische Pelzunternehmen das »Origin Assured«-Label (OA) ein. Das soll »versichern«, dass derartig ausgezeichnete Pelzprodukte aus Ländern stammen, in denen es »erkennbare« Tierschutz-Regelungen gibt. In eine ähnliche Kerbe schlägt die nordische Farmer-Kooperative Saga Furs. Ihre Nerze, Füchse und Marderhunde sollen »ausschließlich aus streng regulierten Europäischen Farmen« stammen. Das freiwillige Programm »WelFur« wiederum basiert auf Tier-Indikatoren, die von angeblich »unabhängigen« Wissenschaftlern von sieben Europäischen Universitäten entwickelt wurden, freilich maßgeblich mitfinanziert von der Pelzbranche. Laut Pelzindustrie folgt das Siegel den Prinzipien des »Welfare Quality«-Projektes der EU-Kommission.

»Biozertifizierte« Pelzzucht – ein Phantom

Neuerdings geistert sogar das Wort »Bio-Pelz« herum: Da handelt es sich um Pelze aus der Jagd, wie etwa Füchse. Die würden ja schließlich in freier Natur leben, bevor sie aus »ökologischen« Gründen ohnedies geschossen werden müssen. Zertifizierte Biobetriebe unterwerfen sich allerdings weit über die gesetzliche Basis hinausgehenden Standards betreffend Tierhaltung, Ernährung und Schlachtung. Und sie werden streng kontrolliert. Die Fuchsjagd mit Fangeisen (die Tiere verenden da oft qualvoll) oder Hundehatz in Fuchsbauten hat da wohl kaum eine Chance auf ein amtliches Bio-Siegel. Thomas Pietsch, Wildtier-Experte der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, erteilt all diesen Initiativen eine Absage: »Das ist dreistes Greenwashing. In Wahrheit sind die Fuchskäfige in Finnland in der Regel nicht größer als die in China und sehen gleich aus: Eine Drahtgitterbox ohne Struktur innen. Bestenfalls findet sich ein Holzklotz im Käfig, mit dem die Füchse ‚spielen‘ können. Diese angeblich besseren Standards gib es nicht.« Pietsch vermutet, dass sich die (in Europa marktführende) finnische Pelzindustrie mit solchen Marketing-Maßnahmen von der wachsenden globalen Konkurrenz abgrenzen will. Diese hätten sie aber zuvor selbst durch den Know-how-Verkauf, etwa nach China, geschaffen. »Die Pelzproduktion in China ist günstiger – nicht wegen dem Tierschutz, sondern wegen der niedrigen Lohnkosten, Futterkosten oder dem günstigeren Klima.« Auch am Origin Assured-Siegel läßt der Tierschützer kein gutes Haar: »Das verspricht nur, dass die Produkte aus Ländern kommen, in denen die Pelztierhaltung irgendwie geregelt ist. Diese Regeln sind aber alle mehr oder weniger schlecht. Das Siegel macht keine Aussagen über die Qualität und wirbt mit Selbstverständlichkeiten.« Und die »Bio-Pelze« aus der Fuchs-Jagd, wie sie von Friendly Fur vertrieben werden? Pietsch: »Die Fuchsjagd ist übel. Baujagden sind für die Füchse, aber auch für die Jagd-Hunde extrem belastend. Bei Treibjagden sind die flinken Tiere schwer zu treffen sind und überleben daher oft verletzt noch einige Zeit. Das ist Tierquälerei.« Auch eine ökologische Notwendigkeit für Fuchsabschüsse bestehe nicht. Und die Regulierung funktioniere nicht, Füchse sich durch verstärkte Fortpflanzung oder durch Ausweichen in andere Gebiete außerdem an hohen Jagddruck anpassen würden. »Diese ökologischen Gründe sind also Quatsch. Die Füchse werden zum Spass abgeschossen«, sagt Pietsch. Auch Kojoten-Pelze in Nordamerika würden nicht nachhaltig gewonnen: »Die Koyoten hängen da oft mit einer Pfote im Fangeisen fest. Oft für Stunden oder Tage. Oft beißen sie sich dann selbst das Bein ab. Diese Tierqual sollte für Menschen, die nachhaltig konsumieren wollen, ein No-Go sein.« Und Pelz von Fallwild, etwa aus Roadkill? Pietsch: »Das ist eine Phantom-Debatte. Aus Tierschutzsicht ist das zwar kein Reizthema, aber die Mengen sind marginal.«

Gift im Pelz

Im Oktober 2015 stellten die Tierschutzverbände Fur Free Alliance und Eurogroup for Animals im Europäischen Parlament den Bericht »Nordic fur trade – marketed as responsible business« vor. Der Report untersuchte, ob auf europäischen Pelzfarmen tatsächlich höhere Tierschutzstandards gelten. Im Fokus stand das finnische Label Saga Furs, das Marken wie Prada, Versace oder Burberry beliefert. Resümee: Die Zustände auf den skandinavischen Pelzfarmen unterscheiden sich nicht wesentlich von den Pelzfarmen in anderswo, etwa in China. Es gibt keine ethisch korrekte Pelztierhaltung. Das »Fur Free Retailer«-Programm zieht daraus eine klare Konsequenz und zeichnet Einzelhändler aus, die dem Echt-Pelz die rote Karte zeigen. Mittlerweile machen weltweit gut 400 Modeunternehmen mit, darunter Leit-Marken wie Jack Wolfskin, Esprit, H&M, Marc O’Polo, Orsay, S.Oliver, Zero und Zara. Heuer konnte Vier Pfoten weitere 26 Firmen in Deutschland und Österreich (darunter Gerry Weber, Orsay und Discounter Aldi/Hofer) zum Beitritt bewegen. Die Jubelbotschaften der Pelz-Industrie über sagenhafte Wachstumsraten bewerten Tierschützer skeptisch: Der Markt würde vor allem in Asien und in Ländern wie China und Russland wachsen. Pelz als Statussymbol der Neureichen? Die als grausam verrufene Pelzproduktion in China (Berichte über Vergasungen und Lebendhäutungen) geriet zudem auch ins Visier von Umweltschützern: Messungen ergaben extreme Schadstoffbelastungen im Grundwasser im Bereich der Rohfell-Betriebe. Den Preis für die verbreitete Umgehung der Umweltgesetze zahlen Arbeiter und Umwelt. Schadstoffe in Böden und Gewässer im Umfeld von Pelzfarmen wurden auch in Kanada und Finnland nachgewiesen. Vier Pfoten hat bei Tests Schadstoffe auch in Pelzprodukten gefunden, die auf dem europäischen Markt verkauft werden. Für die 2011 veröffentlichte Studie »Gift im Pelz« wurden 35 Pelzproben von Marderhunden, Nerzen und Füchsen auf bedenkliche Rückstände untersucht. Es wurden 15 gesundheitsgefährdende Schadstoffe wie Formaldehyd (gilt als krebserregend und allergieauslösend) oder Alkylphenole (hormonell wirksam) im Labor bestätigt.

Ein Ende der haarigen Debatten über das Tragen von Pelz ist nicht abzusehen. Zu sehr prallen hier Werte und Ideologien aufeinander. Wem das Tierleid zu Herzen geht, wer sich aber dennoch mit Pelzoptik schmücken will, kann sich auch an Kunstpelz halten. Thomas Pietsch: »Heute gibt es sehr edle synthetische Materialen, die mitunter sogar teurer sind wie manche Echtpelze.« Aber auch Kunstpelz würde dazu beitragen, Pelz salonfähig zu machen, gibt der Tierschutzexperte zu bedenken. Die Frage, ob es die Pelzoptik wirklich braucht, muss wohl jeder für sich selbst beantworten.

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