Grüner gründen: Was fördert die Stadt Wien?
Die Wirtschaftsagentur Wien fördert Unternehmen, Wirtschaft und den Standort Wien. Ihr Geschäftsführer Gerhard Hirczi über die Möglichkeit, dabei nachhaltig zu agieren.
BIORAMA: Wie kann man als Stadt die Gründung und das Wachstum von Neugründungen mit klaren Nachhaltigkeitszielen fördern?
Gerhard Hirczi: Ganz wichtig ist, dass die Stadt glaubwürdig bleibt, also sichtbar darauf achtet, ein nachhaltiges Lebensumfeld zu schaffen. Das tut Wien. Zum Beispiel mit der 365-Euro-Öffi-Jahreskarte oder einem Solarkraftwerk, an dem sich WienerInnen direkt beteiligen können.
Als Standortagentur können wir durch kluge Themensetzungen bei der Vergabe von Fördergeld ganz eindeutig Anreize für nachhaltige Projekte schaffen. Aktuell starten wir zum Beispiel einen Lebensmittelschwerpunkt. Hier ist Nachhaltigkeit oberstes Ziel. Wir suchen nach Ideen und Projekten, wie in einer Großstadt wie Wien Lebensmittel nachhaltig produziert, verpackt und auch vertrieben werden können.
Welche Ziele unterstützt die Stadt hier besonders? Es gibt mit Green Tech, Recycling, Kreislaufwirtschaft, Creative Industries verschiedene Schwerpunkte?
Wien sieht das gesamthaft und hat auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit ja schon vor einigen Jahren einen Ehrgeiz entwickelt. Es wird über die Smart City nicht nur geredet, sondern die smarten Ziele haben sich in die Rahmenstrategie der Stadt eingeschrieben. Wir kommen dem also gar nicht mehr aus. Das heißt auch, egal ob wir Produktionsanlagen, Wohnungen oder U-Bahnen bauen, Unternehmen fördern oder Stadtteile entwickeln, wir müssen hier nachhaltig planen und agieren. Ein ganz wichtiges Ziel für Wien ist die soziale Nachhaltigkeit. Und auch das unterstützen wir im unternehmerischen Umfeld, Stichwort Social Entrepreneurship.
Mit den Ansiedelungen in Aspern wie der Industrie-4.0-Pilotfabrik oder Aspern Smart City Research und vielen mehr hat Wien ein Innovationszentrum. Wie können junge UnternehmerInnen davon profitieren?
Die Seestadt Aspern bietet ihnen einzigartige Entwicklungsmöglichkeiten. Neben großen Technologieplayern wie Hoerbiger oder Atos forscht die Pilotfabrik, man trifft auf die innovative Community des European Institute of Technology und auf Technologie-Start-ups, die Großes vorhaben. In unserem Technologiezentrum finden die Unternehmen flexibel Platz – von kleinen Büros bis zu großen Produktions- und Laborflächen. Die Nachfrage ist groß und wir werden daher das Technologiezentrum erweitern.
Ein Fokus der Stadt sind junge produzierende Betriebe. Wie kann man hier auf Nachhaltigkeit setzen?
Wie die meisten Städte hat Wien einen Strukturwandel in Richtung Dienstleistungen erlebt. Viele sind überrascht, wenn wir darauf hinweisen, dass in Wien 8.500 Unternehmen mit 135.000 Beschäftigen im produzierenden Bereich arbeiten. Produkte made in Vienna werden in die ganze Welt exportiert. Neue technologische Entwicklungen wie die additive Fertigung, Re- und Upcycling und die Automatisierung von Produktionsprozessen sind Assets für Wien. Wiener Unternehmen punkten am Markt mit hochwertigen, maßgeschneiderten, kreislauffähigen und individualisierbaren Produkten.
Es gibt eigene Calls und Förderschienen, aber auch Bonuspunkte für Nachhaltigkeit in Calls mit anderem Schwerpunkt. Wie gelingt der Spagat zwischen Spezialisierung und Breite?
Wenn wir Förderwettbewerbe für betriebliche Innovationsprojekte machen, definieren wir einen eher breiten Fokus, sodass wir auch für Ideen offenbleiben, die wir vorher nicht antizipiert haben. Mit den Bewertungskriterien können wir steuern, dass Projektideen, die besonders gut zu den Zielsetzungen der Stadt Wien passen und gleichzeitig besonders hohe Chancen haben, sich im Wettbewerb durchzusetzen.
Städte werden nach wie vor immer wichtiger und sind Vorbildregionen, stehen aber auch nicht alleine. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Bund oder auch dem Wien umgebenden Bundesland Niederösterreich organisiert?
Mit den Wirtschafts- und Innovationsagenturen des Bundes und den Standortagenturen der anderen Bundesländer sind wir in sehr engem und gutem Austausch. Nur wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir Österreich zum »Innovation Leader« machen. Wien hat hier als Hauptstadt eine besondere Rolle als »Zugpferd« für die gesamte österreichische Volkswirtschaft.
»Let’s talk Lebensmittel«
Die Wirtschaftsagentur Wien sucht Ideen und Projekten, wie in einer Großstadt Lebensmittel nachhaltig produziert, verpackt und auch vertrieben werden können.
Nachhaltigkeit, Regionalität, Gesundheit, Versorgungssicherheit – alles, was mit Lebensmitteln zu tun hat, emotionalisiert und ist von gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung. Ab Herbst 2020 gibt es einen neuen Schwerpunkt in der Wirtschaftsagentur Wien: Lebensmittel. Sieben Millionen Euro stehen 2020/2021 als Fördersumme für innovative Lebensmittelprojekte aus den Bereichen Verarbeitung, Verpackung, Qualitätssicherung, Logistik, Recycling sowie innovative Gastronomie zur Verfügung.
Ab 1. Oktober 2020 gibt es den Förderwettbewerb »Urban Food« für kreative Projekte, ab 10. Dezember können im Förderwettbewerb »Lebensmittel« Forschungsprojekte eingereicht werden. Darüber hinaus gibt es in sechs anderen Förderprogrammen (Innovation, Nahversorgung Fokus, Sachgüter, Shared Facilites, Standortinitiative und Creative Pioneer) Boni für Einreichungen mit Lebensmittelbezug. Der Förderschwerpunkt reicht von der Unterstützung von Nahversorgungs- und Handwerksunternehmen bis zur Förderung von Forschungs- und Innovationsideen sowie kreativwirtschaftlicher Projekte. Vorab hat die Wirtschaftsagentur mit dem White Paper »Urban Food« und dem »Technologiereport Lebensmittel«, die digital zur Verfügung stehen, umfangreiche Einblicke in die Branche und ihre Trends publiziert.
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