Wenn Kunden zu Investoren werden

Kuno Haas Bild: Grüne Erde

Kuno Haas
Bild: Grüne Erde

Das Österreichische Unternehmen Grüne Erde hat bei seinen Kunden viel Vertrauen aufgebaut. Dieses soll nun auch die Basis dafür sein, sie als Financiers zu gewinnen. Mit dem Projekt Freundeskreis sucht der Naturmöbelhersteller Kunden, die bereit sind, zu hohen Renditen in Grüne Erde zu investieren. Wer einem Unternehmen sein Geld und Vertrauen als Kunde schenkt, kann dies auch als Geldgeber tun – und dafür statt Ware eben Zinsen bzw. Gutscheine erhalten. BIORAMA hat mit Kuno Haas, dem Geschäftsführer der Grünen Erde, über dieses innovative Modell gesprochen.

 

BIORAMA: Was hat sich im Kreditgeschäft geändert und zum Entschluss geführt, die Finanzierung von Grüne Erde über eine andere Schiene laufen zu lassen?

Kuno Haas: Seit Dezember 2012 haben wir bei Grüne Erde schwierige Diskussionen mit den Banken über die Besicherungen der Kredite. Es wurden Nachbesicherungen durch Kundenadressen und die Marke Grüne Erde gefordert, was für uns tabu ist. Diese Forderungen sind meiner Ansicht nach begründet in der zukünftigen Reglementierung durch Basel III, die die Banken jetzt schon erfüllen wollen. Sehr viele Aktiva in der Bilanz wie zum Beispiel Roh- und halbfertige Waren, werden von Banken nicht als Besicherung akzeptiert und viele andere werden nur sehr niedrig geschätzt.

Viele Banken haben jetzt schon Kredite fällig gestellt oder kürzen diese einseitig. Wir haben uns eine Reaktionszeit einräumen können, um auf die Crowdfunding-Schiene umzusteigen. Wir haben uns damit schon länger beschäftigt, das Konzept gab es in der Schublade bereits, die haben wir jetzt feinabgestimmt und umgesetzt.

 

Der Schluss ist logisch. Wer bisher sein Geld der Grünen Erde gegeben hat, um Ware zu erhalten, soll nun Zinsen erhalten. Doch wie sind Sie auf die Idee gekommen? Gab es ein anderes Unternehmen oder Projekt, an dem Sie sich orientiert haben?

Ja, die Firma Waldviertler Schuhwerkstatt / Gea von Heini Staudinger war das Vorbild. Wir sind in freundschaftlichem Kontakt und wir kennen uns seit 30 Jahren. Ich wusste, dass er schon seit 1999 dieses angesprochene Problem mit den Banken hat und das Modell daher umgesetzt hat. Seine Darlehen sind nicht nachrangig, dadurch hat er Probleme mit der Finanzmarktaufsicht bekommen. Auf diese Diskussion wollten wir uns nicht einlassen. Deswegen haben wir mit dem Angebot von nachrangigen Darlehen eine saubere Lösung gefunden.

 

Welche gesetzliche Barriere besteht bei diesem Modell? Was bedeutet die fehlende gesetzliche Grundlage für Investoren und das Unternehmen?

Die EU erlaubt den Nationalstaaten Darlehensaufnahmen von Unternehmen bei Privatpersonen bis zu einer Grenze von fünf Millionen Euro. Die nationale Ausformung in Österreich beschränkt diese Summe auf 100.000 Euro pro Unternehmen pro Jahr. Diese Grenze wurde jetzt vom Nationalrat auf 250.000 Euro angehoben und wird bald geltendes Recht sein. Das gilt für nicht-nachrangige Darlehen.

Ab 250.000 Euro besteht eine Prospektpflicht, was empfindlich teuer und für kleine und mittlere Unternehmen oft nicht finanzierbar ist. Bei uns geht es um nachrangige Darlehen, daher fallen wir nicht unter die Prospektpflicht.

 

Was bedeutet das für die Kunden, die investieren? Wie hoch ist das Risiko für den Geldgeber?

Bei einem nachrangigen Darlehen werden grundsätzlich zuerst allfällige Bankkredite zurückgezahlt, dann erst Darlehen der nachrangigen Geldgeber. In dem Moment, in dem wir bankenunabhängig finanziert sind, fällt diese Vor- und Nachrangigkeit weg, weil es ja keine Bankkredite mehr gibt, die zuerst erfüllt werden müssen. Momentan haben wir noch Bankkredite, diese werden aber stufenweise über die nächsten drei oder vier Jahre abgebaut. Formal bedeutet die Nachrangigkeit dann nur noch, dass zum Beispiel Lieferantenverbindungen vor den Darlehen nachgekommen werden muss, dabei geht es aber um marginale Beträge.

 

Was fehlt ihrer Ansicht nach an gesetzlichen Regelungen diesbezüglich?

Wir würden uns wünschen, dass die von der EU vorgegebenen fünf Millionen auch in Österreich genutzt werden können. Österreich liegt hier innerhalb der EU an einem der letzten Plätze. Ich sehe den Widerstand hauptsächlich von ÖGB und Arbeiterkammer kommend. Es wird hauptsächlich mit der fehlenden Anlagensicherung und dem Schutz für Konsumenten argumentiert. Diese Regelungen schützen aus meiner Sicht allerdings nur die Banken, denen die Dezentralisierung des Kapitalmarktes ein Dorn im Auge ist. Wir gehen von einer Zivilgesellschaft aus, die mündig über ihr eigenes, versteuertes Geld verfügen will. Das ist doch wünschenswert, jeder sollte frei sein in der Entscheidung, wo er sein Geld anlegen will.

 

Einige Kunden schließen aus dem Aufruf nach neuen Finanzierungspartnern vielleicht, dass Grüne Erde bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckt und schrecken deswegen vor einem Investment zurück.

Die Grüne Erde gibt es seit 30 Jahren, wir sind praktisch jedes Jahr gewachsen. Das Unternehmen entwickelt sich also sehr gut. Gegen solche Unterstellungen ist man natürlich nie gefeit. Die Kunden bekommen umfassende Informationen – zum Beispiel unsere Bilanzen der letzten Jahre. Es besteht völlige Transparenz, jeder kann sich informieren, zum Beispiel auf unseren Road-Shows.

 

Wie sind Sie mit der bisherigen Resonanz zufrieden? Was erwarten Sie?

Wir wollen insgesamt drei bis vier Millionen Euro einsammeln. Das soll über ein paar Jahre gestreut werden, damit nicht der ganze Betrag theoretisch auf einen Schlag gekündigt werden kann und eine Gleichmäßigkeit entsteht. Die erste Tranche endet am 31. Juli 2013, im nächsten Jahr werden wir das Modell fortführen, wahrscheinlich mit ähnlichen Bedingungen.

Die Resonanz bisher hat unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben erst vier Prozent unserer Kunden angeschrieben und bereits ca. eine Million Euro lukrieren können. Natürlich waren das die Kunden mit höherer Bonität, wir gehen jedoch davon aus, dass es kein Problem sein wird, drei bis vier Millionen Euro in den nächsten Jahren zu finanzieren. Die durchschnittliche Darlehenssumme pro Kunde liegt bei 7.000 oder 8.000 Euro.

 

Sie versprechen Ihren Kunden eine nachhaltige Investitionsmöglichkeit. Welche Mitsprache- und Kontrollrechte hat der Geldgeber, um sicherzustellen, dass die Standards, die Sie vorgeben, auch eingehalten werden?

Wir kommen unseren Informationspflichten nach, es gibt ein Kontrollrecht aber kein Mitspracherecht. Durch Veranstaltungen wie Road-Shows, kann man sich informieren, die Investoren werden auch an unseren Firmensitz nach Scharnstein eingeladen. Es wird natürlich auch Informationen in schriftlicher Form wie Geschäftsberichte und das Testat, die vom Wirtschaftstreuhänder geprüfte Bilanz, geben, sobald diese vorliegen. In der Art, wie jedes börsennotierte Unternehmen seine Investoren informiert, werden wir das auch tun. Außerdem bemühen wir uns um einen intensiven Dialog mit unseren Kunden und Investoren.

 

Sie machen mit diesem Finanzierungsmodell einen Bogen um die Banken. Denken Sie, das wird die Zukunft sein, um Geldströme aus dem Bankensystem zu nehmen, das nun schon wirklich viel Vertrauen und Reputation eingebüßt hat?

Ich gehe davon aus, dass sich dieses Modell sich in den nächsten Jahren, wenn Basel III näher rückt, explosionsartig ausbreiten wird. In meiner politischen Funktion habe ich mit vielen Unternehmen zu tun gehabt, die jetzt gar keine Kredite mehr bekommen. Ein Bekannter hat mich gerade erst angerufen und ist aus allen Wolken gefallen, weil sein Kredit abgelehnt wurde. Das ist heute ein weit verbreitetes Problem, die Banken müssen durch die kommenden Bestimmungen wie zum Beispiel die Anhebung der Eigenkapitalquote, ihre Bilanzsumme halbieren oder viel mehr Gewinne machen. Ich verstehe die Not der Banken. Ich sehe Basel III als krisenverstärkend, da Wachstum nicht mehr kreditfinanziert werden kann. Es wird eher zu einer Rezession führen. Daher brauchen wir dringend alternative Finanzierungen, sonst wird im KMU-Bereich ein großes Problem auftreten.

 

Wenn ich in Grüne Erde investieren möchte, was muss ich tun?

Sie schicken ein E-Mail oder rufen an und nennen uns Ihren Wunschbetrag, den Sie investieren möchten, zum Beispiel 2.000 Euro. Wir schicken Ihnen einen unterschriebenen Darlehensvertrag zu, den können sie gegenzeichnen und zurückschicken. Wenn Sie überweisen, ist der Darlehensvertrag gültig. Es handelt sich dabei um einen einfachen, zweiseitigen Vertrag, der in schlichtem Deutsch gehalten und verständlich ist und umfassend der Aufklärungspflicht nachkommt.

 

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