Greenwashing – vermeintliche Naturkosmetik im Test
Green sells well. Daher verstecken sich viele konventionelle Kosmetikhersteller hinter einer grünen Fassade. Die App CodeCheck hilft, Greenwasher zu entlarven. Wir haben den Test gemacht.
„Grün, grün, grün sind alle meine Kosmetikprodukte.“ Das lässt uns zumindest der Go-Green-Trend, dem jedes Klein-, Mittel- und Großunternehmen zurzeit folgt, egal wie widersprüchlich Produkt und Philosophie sich zum Thema Nachhaltigkeit verhalten (siehe BP-Skandal, McDonalds, IKEA,…), glauben. Green Marketing nennt sich diese Verkaufsmasche, die eine umwelt- und mitarbeiterfreundliche Unternehmensphilosophie, transparente und ehrliche Kundenkommunikation sowie Werte wie Menschlichkeit und Nachhaltigkeit vertritt, oder zumindest vertreten sollte. Tatsächlich ist es nämlich oft nur die Verpackung oder die Kampagne, die „green“ vermittelt.
Woher kommt der grüne Trend?
Heranwachsenden Generationen wurde ihre „grüne“ Denkweise durch die ständige Konfrontation mit Umweltkatastrophen und dem Klimawandel sozusagen in die Kinderschuhe gelegt. Wer zukünftig also den Zeitgeist der Konsumenten treffen und seine Kunden nicht an die Konkurrenz verlieren möchte, macht sich lieber schleunigst Gedanken über mögliche Alternativen zur „Begrünung“ des eigenen Images. Gedacht – getan. Ein grüner Anstrich, Konsumenten getäuscht, die Markt-Kennzahlen gesteigert und fertig. Klingt einfach. Doch für uns Verbraucher, die wir keine Ahnung von chemischen Verbindungen haben und daher versteckte hormonelle Stoffe und andere Industrie-Sünden schwer entlarven können, ist es das nicht.
Rechtliche Lücken und Abhilfe durch Apps
Rechtlich ist Greenwashing im Kosmetikbereich ein Kinderspiel, da der Begriff „Naturkosmetik“ nicht geschützt ist. Dadurch kann ihn jeder auf seinem Produkt platzieren – optimale Voraussetzungen für Etikettenschwindel sozusagen. Doch dieser kann mithilfe des Smartphones und Apps wie ToxFox und CodeCheck ganz schnell aufgedeckt werden. So können auch Konsumenten ohne grünen bzw. Chemie-Daumen vermeintliche Naturprodukte erkennen. Per Scan des Barcodes prüfen die Apps ein Produkt auf chemische oder hormonell wirksame Stoffe, Mikroplastik, Palmöl und was sich sonst noch alles in der Tube oder dem Fläschchen verstecken möge und laut Wissenschaft bestimmte Krebsarten, wie Brust- oder Hodenkrebs, fördern könnte.
Die Apps und Produkte im Alltagstest
Test 1 – Duschgel:
Unser erster Test dreht sich um Duschgels. Dafür haben wir die nächstgelegene Drogerie aufgesucht, um uns dort ein paar Waschlotions mit grünem Etikett vorzuknöpfen. Das Scannen mit den Apps funktionierte einwandfrei. Wir beschränkten uns jedoch schnell auf die App CodeCheck, weil hier die Informationen umfangreicher sind als bei der App ToxFox, welche Kosmetik nur auf hormonell wirksame Chemikalien prüft, was verglichen zu den roten Listen, die CodeCheck ausspuckt, fast enttäuschend wenige Ergebnisse bringt. Außerdem bietet CodeCheck neben dem Schadstoff-Check auch einen Nachhaltigkeits-Check.
Beim Scan der ersten beiden Duschgels (Kneipp und Tetesept, die ich als hochwertige Produkte und „grüne“ Marken im Kopf hatte) setzte erste Enttäuschung ein. Trotz „Naturkomponente“, „Medizinische Hautpflege“, „Gesundheits-Dusche“ und „natürlichen Wirkstoffen“ auf der Etikette, standen wir einer Liste bedenklicher Inhaltsstoffe gegenüber. Per One-Click liefert die Codecheck-App zu jedem davon genauere Infos, die auch für Nicht-Chemiker verständlich sind. Sodium Lauerth Sulfate, zum Beispiel, „schwächen die Barrierefunktion der Haut“ laut CodeCheck – beste Vorraussetzungen dafür, dass andere synthetische Stoffe über die Haut in unsere Blutbahn gelangen, also. Dazu zählen unter anderem PEGs (Polyethylenglykole), die in Kosmetika besonders häufig vorkommen und als Emulgatoren dienen. Durch ihre künstliche Herstellung lassen sie sich an alle Anforderungen anpassen und sind somit praktisch und billig, für unseren Körper aber gefährlich. Durch das in PEGs enthaltene Ethyloxid, welches als giftig und krebserregend gilt, belasten diese Stoffe nebenher aber auch noch die Umwelt, da sie durch ihre gezielt hergestellte Haltbarkeit nur langsam abgebaut werden können.
Die Erwartungen an Palmolive und Balea, deren Outfit noch etwas grüner sind, waren dann bereits gehemmt. Trotzdem: Wer Mikroplastik in sein Produkt steckt, sollte dieses nicht mit dem Beinamen „Naturals“ betiteln. Im Vergleich überraschend gut hat Balea mit der „Totes Meer Salz Dusche“ abgeschnitten, welches bis auf Palmöl kaum bedenklich ist. Der Trick, den viele konventionelle Kosmetikhersteller anwenden, beruht darauf die Natürlichkeit eines einzelnen Inhaltsstoffes zu promoten. Selbst wenn ein natürliches Öl nur zu 1% im Produkt vorhanden ist, kann es zu 100% natürlich sein und damit kann man wiederum auf der Verpackung werben. Der Großteil der Konsumenten greift jedoch zu, ohne die Konzentration der Inhaltsstoffe zu lesen.
Die besten Ergebnisse lieferten die Sebamed Wellness Dusche, die CD Glücksgefühl Dusche und die Savoderm med Pflegedusche, bei denen grüne Werte also bis zum Flascheninhalt reichen. Als wir im Regal dann ein Kinderduschgel und -Shampoo in pinkem Schwanenprinzessinnen-Kleid entdeckten, dass sich Naturkind (ebenfalls von Kneipp) nennt, wurden wir skeptisch. Was wohl dahinter steckt? Aber tatsächlich, die Inhaltsstoffe sind großteils unbedenklich und somit wohl empfehlenswerter als die Erwachsenen-Version von Kneipp.
Zurück aus der Drogerie, war die Neugier, was sich zu Hause alles an Schadstoffen in (Natur-)Kosmetik verstecken könnte, groß. Darum zückten wir erneut das Smartphone und drehten eine Runde durch Bad und Waschraum. Wenn Anbieter, die mit grün werben, „sehr bedenklich“ sind, wie sieht’s dann mit jenen aus, die auf die Gesundheits- und Natur-Schiene verzichten? Voll von Chemikalien?
Test 2 – Schminke
Als erstes mussten sich zwei Mousse-Make-ups dem Test stellen. Eines von Essence und das zweite von Maybelline. Optisch sehr ähnlich, unterscheiden sie sich vor allem im Preis. Und das Ergebnis bestätigt: teuer heißt nicht immer besser. Obwohl es nicht einmal halb soviel kostet, schneidet Essence neben der teureren Variante von Maybelline schadstofftechnisch besser ab.
Smokey- und Cat-Eye-Liebhaber aufgepasst: Lasst eure Augen nicht leiden! Zwei Wimperntuschen waren im Test, diesmal beide von Maybelline. Das Ergebnis: Auch vom selben Hersteller gibt es Bedenklicheres und weniger Bedenkliches.
Obwohl Simple das mit der Etiketten-Begrünung bei Text und Grafik sehr gut hinbekommen hat, zeigt der Vergleich zum Alverde-Make-up-Entferner, dass wahres Green Marketing nicht bei der Verpackung halt macht. Die Inhaltsstoffbewertung der Codecheck-App bestätigt, bei Alverde ist tatsächlich alles „verde“.
Test 3 – Shampoo
Habt ihr euch schon mal gefragt, worauf die „Lift-Technologie“, mit der Syoss auch bei feinem, platten Haar durch nur eine Wäsche ein 48-Stunden-Volumen verspricht, basiert? Ja, es kann nichts Natürliches sein. Butylphenyl Methylpropional gilt als potentes Allergen und wird im Syoss-Volume-Shampoo als Duftstoff verwendet. Obwohl es auf die Atemwege belastend wirkt, massieren wir unseren Kopf damit ein. Durch Cocamide MEA werden laut CodeCheck Nitrosamine gebildet, welche krebsfördernd wirken können. Der Einsatz ist in mehreren Ländern nur beschränkt erlaubt. Und auch die Liste an PEGs ist lang. Verstünde man ein wenig mehr von Chemie, würde man wohl öfter auf 48 Stunden maximales Volumen verzichten und doch lieber zu Naturkosmetik, wie Speick greifen.
Test 4 – Zahnpaste
Ein weiteres Kosmetikprodukt, das wir allerdings nicht auf der Haut tragen, sondern in den Mund nehmen und das (hoffentlich) zweimal täglich: Zahnpasta. Im Duell standen Colgate und Blend-a-med und wieder folgte das mehr oder weniger überraschende Ergebnis: Billig bedeutet nicht unbedingt qualitativ schlechter. Nimmt man jedoch tatsächliche Naturkosmetik mit ins Ranking, macht es sich bezahlt, mehr Geld auszugeben: Die Minze-Salbei-Zahncreme von Grüne Erde kann mit einer beinahe durch und durch grünen Bewertung punkten.
Tatsächlich grün und mit Siegel bestätigt
Einige Marken fielen im Test besonders positiv, empfehlenswert oder harmlos auf, egal welches Produkt wir scannten. Grünes Licht gibt’s zum Beispiel für Lavera, Grüne Erde, Alverde, Speick und Sante.
Positiv überrascht waren wir außerdem von der Bipa-Eigenmarke Bigood, welche mit umweltfreundlichen und natürlichen Pflege- und Haushaltsprodukten wirbt. Wir waren skeptisch, doch nicht nur die Verpackungen auch der Inhalt scheint tatsächlich mensch-, tier- und umweltfreundlich zu sein.
Die Verwendung von Naturstoffen ist bei den Bigood-Produkten zusätzlich mit dem NaTrue-Label gekennzeichnet, welches als verlässliches Siegel für jene gilt, denen es zu blöd ist, die Produkte mit der Codecheck-App zu scannen. Dieses lässt sich auch auf sämtlichen Lavera-Produkten finden. Bei Speick haben wir übrigens das BDIH-Label entdeckt, welches ebenso garantiert, dass die notwendigen Standards für Naturkosmetik eingehalten wurden. Ein weiterer Beweis, dass Natur hinter der grünen Fassade steckt, ist das Ecocert-Siegel. Gütesiegel, die Unternehmen selbst einführen, beruhen hingegen oft auf niedrigen Standards und sind in deren Verlässlichkeit somit zu bezweifeln.
Fazit zum CodeCheck-Test
Es lohnt sich und ist zugleich spannend, jene Produkte, mit denen wir unseren Körper tagein tagaus pflegen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Welche Nebenwirkungen oder Spätfolgen könnten sie neben dem eigentlichen Anwendungszwecken hervorrufen? Das Problematische an versteckten Schadstoffen ist ja, dass die Auswirkungen selten direkt bemerkt werden, weil sie oft erst durch einen Cocktail-Effekt oder längerfristige Anwendung entstehen oder die Ursache bei anderen Lebensgewohnheiten gesucht wird.
CodeCheck bietet eine praktische Möglichkeit sich der Thematik anzunähern und funktioniert wirklich einfach. Trotzdem würde ich nicht behaupten, dass es die Kaufentscheidung erleichtert, es dient mehr als Orientierungshilfe. Man hat zwar einen groben Überblick bzw. eine Bewertung welche Stoffe im Produkt vorhanden sind, in welchen Mengen weiß man jedoch nicht. Dadurch überlegt man zwar einmal öfter, ob man ein Produkt wirklich braucht und sucht nach Alternativen, gibt es jedoch keine, kauft man das Produkt trotzdem, dafür mit schlechtem Gewissen. In diesem Fall hat man aber die Möglichkeit über die App mit wenigen Klicks den Hersteller zu kontaktieren und ihn aufzufordern Schadstoffe in Produkten zu verzichten. Bei der Verwendung von CodeCheck und ToxFox darf man weiters nicht vergessen, dass beide Plattformen auf dem Wiki-Prinzip beruhen, somit können alle Infos von Usern aber auch von Herstellern bearbeitet werden. Auch der Vorwurf CodeCheck verwende veraltete Daten, die nicht mehr mit den aktuellen Inhaltsstoffen mancher Produkte übereinstimmen, klingt nicht ab.
Wer’s genauer wissen will, muss sich also selbst tiefer in die Thematik einlesen, was die zeitliche Kapazität eines Einkaufs definitiv sprengt. Dennoch liefern die Apps einen Anstoß, sich spielerisch mit einigen Alltagsprodukten auseinander zu setzen. Wenn man regelmäßig zum selben Produkt greift, bleibt auch der Aufwand überschaubar. Wer jedoch auf Nummer sicher gehen und keine Zeit investieren will, der greift einfach zu zertifizierter Naturkosmetik. Ärgerlich bleibt, dass Greenwashing weiterhin passiert, ohne, dass der Großteil der Konsumenten Wind davon bekommt.
Auch hier haben wir uns bei BIORAMA schon mit Mikroplastik in Kosmetik beschäftigt.