Green Care – Pflege am Bauernhof

Bild: Poncioni

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Am 26. Juni findet in Wien die dritte Green-Care-Tagung Österreichs statt, wir haben vorab mit Projektleiterin Nicole Prop von der Landwirtschaftskammer Wien über Pflege und Betreuung am Bauernhof gesprochen.

 

BIORAMA: Frau Prop, für alle, die noch nicht davon gehört haben, was ist Green Care?

Nicole Prop: Green Care ist Interaktion zwischen Mensch, Tier und Natur auf einem aktiven Land- oder Forstbetrieb in Kooperation mit den Sozialträgern oder anderen Experten aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Normalerweise treten ja Landwirte nicht mit Sozialträgern in Kontakt und umgekehrt, darum haben wir dieses Projekt „Green Care – wo Menschen aufblühen“ als Koordinationsstelle, als Plattform, die wir österreichweit aufbauen, damit wir die Landwirtschaft und das Gesundheitssystem sinnvoll vernetzen und Kontakte herstellen, Produkte entwickeln, beraten etc. Das ist unsere Funktion, einerseits die Landwirte und andererseits Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in einer Plattform zu verknüpfen, um gemeinsam Angebote zu erstellen.

BIORAMA: Welche Zielgruppen sollen mit Green Care angesprochen werden? Welche Angebote gibt es?

Nicole Prop: Wir versuchen grüne Komponenten an bestehende Systeme anzudocken, Green Care soll eine Alternative sein zu bestehenden Projekten, wo zum Beispiel Menschen mit Behinderung in einer Einrichtung mit einer bestimmten Tagesstruktur untergebracht sind, und dort kleine Arbeiten erledigen. Zielgruppe sind auch Menschen mit Burn-Out, arbeitsmarktferne Personen, ältere Menschen, Asylwerber, Kinder und Jugendliche. Wir wollen sie in die Natur bringen, ihnen ein Zusatzangebot auf den Höfen bieten. Wir vernetzen Bauern und Bäuerinnen mit sozialen Einrichtungen und ergänzen die bestehenden Angebote der Sozialträger um grüne Produkte.
Momentan gibt es vier Bereiche in der Green Care: Die Pädagogik, ein Beispiel wäre hier die Schule am Bauernhof, weiters die Therapie, also Therapiearbeit mit Tieren und Pflanzen, außerdem Pflege und Betreuung, zum Beispiel von dementen Menschen, sei es stationär am Hof oder nur tagsüber und als vierter Bereich die Soziale Arbeit, also Betreuung von Jugendlichen, Arbeitslosen oder Ähnliches.

Bild: Starz

Bild: Starz

BIORAMA: Wie sind bisher die Reaktionen auf Green Care?

Nicole Prop: In Österreich werden im Sommer die ersten Green-Care-Projekte starten, wir haben jetzt drei Jahre lang daran gearbeitet den rechtlichen und institutionellen Rahmen dafür zu schaffen, die Idee zu verbreiten und Mitstreiter zu gewinnen. Aber es gab schon vorher einige Betriebe, die die Idee praktiziert haben, und die jetzt auch mit uns Green Care vorantreiben. Sie haben durchwegs positive Erfahrungen gemacht, die Betreuten fühlen sich sehr wohl in der Umgebung, die Landwirte sind auch sehr zufrieden. Nur die Anrainer sind hin und wieder skeptisch, wenn zum Beispiel Suchtkranke in ihrem Ort betreut werden sollen, aber auch das legt sich mit der Zeit, und es entwickeln sich Freundschaften, und die Leute helfen dann auch gerne mit bei der Betreuung.

Nicole Prop Bild: LK Wien

Nicole Prop Bild: LK Wien

BIORAMA: Green Care soll Bauern dabei unterstützen, ihre Einkommensquellen zu diversifizieren und ihnen so das wirtschaftliche Überleben erleichtern, wie sind die Reaktionen der Landwirte auf Green Care?

Nicole Prop: „173.317 Bauernhöfe gab es 2010 in Österreich, das sind 20% weniger als im Jahr 1999. Wir wollen das Hofsterben verhindern, denn Höfe bringen Arbeitsplätze und regionale Entwicklung. Viele Höfe können von der Landwirtschaft allein nicht mehr leben, wir bieten ihnen eine Diversifizierung in den Sozialbereich, der Bauer ist nach wie vor Bauer, das ist uns wichtig, denn die Kulturlandschaft soll ja erhalten bleiben, aber er hat auch ein zusätzliches Standbein. Wir sind jetzt seit drei Jahren unterwegs, und es ist viel Aufbauarbeit. Am Anfang kannte kaum jemand das Konzept der Pflege am Bauernhof, heute sehen laut einer Studie des Market Instituts 64% der Bauern eine Chance in Green Care. Es sind meist Bäuerinnen, die mit uns zusammenarbeiten, viele von ihnen haben Bezug zum Sozialbereich, weil sie zum Beispiel Kindergärtnerinnen waren oder noch immer nebenbei sind. Leute, die keinen Zugang dazu haben, wollen das eher nicht. Wenn wir merken jemandem geht es nur ums Geld werden wir uns auch zurückziehen. Wir wollen natürlich ausgebildete Bauern, darum kooperieren wir mit den Sozialträgern. Wir wollen auch das Image von Bäuerinnen und Bauern aufwerten, denn Landwirtschaft hat auch eine soziale Komponente, Natur kann ein Ausgleich sein, und die Landwirte tragen dazu bei.“

Bild: Poncioni

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BIORAMA: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Green Care angesichts der steigenden Demenzhäufigkeit?

Nicole Prop: „Ich sehe Green Care als charmante, ergänzende Möglichkeit zu bestehenden Angeboten, man geht neue Wege, es gibt neue Möglichkeiten. Demenz ist ein wichtiges Thema. Die pflegenden Angehörigen haben oft keine Zeit für eine Vollzeit-Betreuung zu Hause, und Pflegeheime verursachen für die Angehörigen und den Staat enorme Kosten. Außerdem ist es ja viel schöner, wenn man den Tag in der Natur verbringt und weiter zu Hause wohnen kann. Es hat viele Vorteile, für die Gesundheit, für das Budget und für die Bäuerinnen und Bauern. Dennoch ist Green Care eine Nische, in Ländern, die das schon länger praktizieren, wie die Niederlande, hat Green Care drei bis fünf Prozent Marktanteil, das wollen wir für Österreich auch erreichen.“

Bild: Landeskompetenzzentrum

Bild: Landeskompetenzzentrum


Green Care-Tagung „Willkommen am Hof“

26. Juni 2014, ab 12:15 Uhr
Festsaal HBLFA Schönbrunn
Grünbergstraße 24, 1130 Wien

Mehr auf: greencare-oe.at

Für mehr Infos hier klicken: Green Care Präsentation 2014

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