Glückliche Gesichter
Das Fairtrade-Label Göttin des Glücks besucht die eigenen Produktionsstätten in Indien und trifft auf zufriedene Menschen, die sich erfolgreich gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen aufgelehnt haben. Ein Reisebericht.
Indien, November 2011. Matt, erhitzt und gleichzeitig unterkühlt von der Klimaanlage im Auto erreichen wir das erste Ziel unserer dreiwöchigen Reise: die Swayam Academy, eine Privatschule mitten im Baumwollanbaugebiet um Dhar. Das Gebäude ist sauber und lichtdurchflutet. Hier gehen rund 400 Kinder aus den umliegenden Bauerndörfern zur Schule. Sie erhalten Unterricht nach einem der besten Schulstandards in Indien. Die Höhe des Schuldgeldes ist trotzdem vergleichsweise gering, arme Familien müssen gar nichts zahlen.
Ein Brunnen im Dorf
Schließlich kommen wir im Dorf »unserer« Bäuerinnen und Bauern an. Das ist vielleicht ein Gefühl, jene Menschen zu treffen, die in mühsamer Erntearbeit das »weiße Gold«, die Biobaumwolle, für uns anbauen! Ich frage sie, wie sie vom Fairtrade-Programm persönlich profitieren. Mit der Fairtrade-Prämie konnten sie sich einen Brunnen im Dorf bauen, sodass sie nicht mehr Wasser von weit her holen müssen. Aufgrund der guten Schulen erhalten ihre Kinder bessere Berufschancen. Sie sind froh über die Fairtrade-Vorauszahlungen, weil sie damit das Saatgut finanzieren können, für das sie sonst Schulden machen und bis zu 30 Prozent Zinsen bei Geldverleihern zahlen müssten. Dann führen uns die Bauern aufs Feld. Überall die weichen, weißen Wattebäusche, dazwischen als typisches Zeichen für biologische Mischkulturen Chilischoten, Nüsse, Sojabohnen. Und das Beste: Die natürliche Schädlingsbekämpfung. Statt giftigen Insektiziden hängen überall Döschen, sogenannte Pheromonfallen, eine natürliche Art der Schädlingsbekämpfung mit Hilfe von Sexuallockstoffen.
Unsere nächste Station: die Spinnerei Mahima Purespun. Mitten im Industriegebiet liegt ein sauberes, gepflegtes Kleinod. Hier gibt es bunte Wohnhäuser für die Mitarbeiter, asphaltierte Straßen und eine feine Produktionshalle. Die Menschen lachen freundlich. Ungefähr Tausend Menschen arbeiten hier in drei Schichten. Ein Tag in der Woche ist frei, dazu kommen jährlich neun fixe Feiertage und 24 Tage Urlaubszeit. Die Arbeiter bekommen über dem Minimumlohn bezahlt, sodass zwei Erwachsene und ein Kind von einem Gehalt leben können. Sie bekommen eine Karte für medizinische Gratis-Versorgung für die ganze Familie, es gibt eine Arbeitslosenversicherung und einen Pensionsfonds. Als wir von Mahima Purespun wegfahren, denke ich mir: »Diese Fabrik könnte auch in Europa stehen.«
Das »Wunder« von Kalkutta
Unsere letzte Station ist Kalkutta, wo unser zweiter Konfektionär Rajlakshmi (neben Craft Aid auf Mauritius) sitzt. Kalkutta ist eine jener indischen Metropolen, wo das Elend an jeder Straßenecke zu sehen ist. Obdachlose teilen sich die dreckigen Straßen mit Kühen, Schweinen und Ratten. Der Smog in der Luft ist gelb und stinkend. Mitten in all dem Wahnsinn die Firma Rajlakshmi. Der Firmenchef hat sein Unternehmen vor zehn Jahren gegründet, mit dem Ziel, Menschen von der Straße zu holen, sie auszubilden und ihnen Arbeit zu geben. Innerhalb von zehn Jahren hat er drei Firmenstandorte aufgebaut und über 1.000 Frauen und Männer ausgebildet. Neben Fix-Gehältern gibt es Pensionsfonds, Krankenvorsorge, Urlaubszuschüsse, auch das Schulgeld für die Kinder wird gezahlt. Als wir nach dieser letzten Station am Abend erschöpft im Hotel ankommen, sind wir sehr glücklich: Wir verneigen uns mit großem Respekt vor den Menschen, die die Kraft aufbringen, sich in diesem Land gegen herkömmliche Produktionsmechanismen aufzulehnen. Am nächsten Tag fahren wir wieder nach Hause. In eine Welt, in der man atmen kann, in der Gesundheit, Wasser und Nahrung in den meisten Fällen selbstverständlich sind. Wir können zurück in diese Welt, nach Wien, aber die Menschen in Indien können nirgendwo anders hin. Als Konsumenten und Unternehmer tragen wir die Verantwortung dafür, dass es auch ihnen besser geht und miteinander können wir ganz viel bewirken.
TEXT Lisa Muhr