Glasklare Argumente

Nicht oft wird über ein Umweltthema so viel diskutiert wie derzeit über Wasserprivatisierung. Kontrollverlust nennen es die einen, Effizienzsteigerung die anderen. Eine Meinung dazu hat fast jeder. Zwei davon finden sich hier.

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»Wir haben weiterhin die Kontrolle«

Wir haben uns im Jahr 2009 dazu entschieden, die Trinkwasserversorgung an die Energieversorgung Niederösterreich (EVN) auszulagern und gleichzeitig damit die Chance ergriffen, auf die Versorgung mit Hochquellwasser umzusteigen. Wir sind nun also teilprivatisiert, denn seit dem 1. Jänner 2010 betreibt die EVN das gesamte Trinkwassernetz der Marktgemeinde Gablitz.

Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, die Trinkwasserversorgung in »private Hände« auszulagern. Der finalen Entscheidung sind detaillierte Diskussionen in allen Gemeindegremien sowie eine Befragung der Bürgerinnen und Bürger vorausgegangen. Die Bevölkerung von Gablitz wollte Zugang zu Hochquellwasser haben, wir hätten uns das selbst nicht leisten können.

Hauptausschlaggebend für unsere Entscheidung waren Analysen des 30 Jahre alten Wassernetzes. Wir hätten sehr viel Geld für Sanierungen ausgeben müssen,  im alten Netz waren die Wasserverluste sehr hoch. Außerdem wurden durch Auslagerung der Wasserabrechnung Gemeindemitarbeiter für andere Aufgaben frei. In der Umstellungsphase der ersten Monate haben beide Seiten viel gelernt, die Reaktionsgeschwindigkeit auf Gebrechen war anfangs unzureichend, dies hat sich aber rasch verbessert. Die Praxis zeigt nun, dass die erwarteten Investitionen wirklich notwendig waren, die EVN investiert erheblich in die Erneuerung von Leitungen und Wasserschiebern. Investitionen, welche das Gemeindebudget erheblich belastet hätten. Die Gablitzer Bevölkerung schätzt die Qualität des Wiener Hochquellwassers sehr, die Verwendung von Chemikalien ist signifikant gesunken, der verminderte Reinigungsaufwand von Badezimmern und Armaturen wird immer wieder erwähnt. Die langfristige vertragliche Vereinbarung regelt die Wasserpreiserhöhung lediglich über Index und das Gemeindebudget ist für andere Investitionen in die Infrastruktur unserer Gemeinde entlastet. Wir haben das Gefühl, weiterhin »Kontrolle« über unser Wasser zu haben. Schließlich ist alles vertraglich genau geregelt.

Michael W. Cech ist Bürgermeister der Marktgemeinde Gablitz, deren Trinkwassernetz seit 2010 in privaten Händen ist.

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»Private interessieren sich nicht für Nachhaltigkeit«

Wasser ist kein Luxusgut und auch keine Handelsware. Es ist zur Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse unerlässlich und für die Existenz eines jeden Menschen notwendig. Wohl zwingt niemand die Kommunen, die Wasserversorgung zu privatisieren. Nicht einmal die EU kann das. Und das ist auch gut so! Allerdings schränkt die EU-Kommission das Recht der Subsidiarität massiv ein und erwirkt dadurch eine Liberalisierung durch die Hintertür.

Netzgebundene Dienstleistungen wie Wasser gelten als natürliche Monopole und eignen sich nicht für private Anbieter, da die Marktsystematik durch fehlende Konkurrenz nicht zur Entfaltung gelangt. Öffentliche Dienstleistungen sichern auch für sozial Schwächere die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Schließlich interessiert private Anbieter auch nicht die Frage von Investition, Nachhaltigkeit und Umweltkosten.

Wasser, aus einer isoliert ökonomischen Sicht betrachtet, stellt für die kommerzielle Verwertung ein perfektes Gut dar: Es ist lebensnotwendig, unersetzlich und gleichzeitig von Knappheit bedroht. Das jährliche Volumen des globalen Wassermarktes beträgt rund 400 Milliarden US-Dollar, übertrifft damit um ein Drittel jenen der pharmazeutischen Industrie und liegt bei annähernd 40 Prozent des Ölsektors. Wasser gehört daher in öffentliche Hände. Bürger verfügen dann über demokratische Kontrolle: Wenn es zu Versorgungs- oder Qualitätsproblemen kommen sollte, kann man seinen Unmut darüber nötigenfalls an der Wahlurne kundtun. Private Versorger hingegen sind vorrangig ihren Aktionären verpflichtet. Die Folge: Schnell wird das Prinzip »so rein wie möglich« durch »gerade so sauber wie gesetzlich gefordert« abgelöst. Preis, Qualität und Sicherheit unseres Wassers werden durch Privatisierung massiv gefährdet.

Nicht umsonst hat die Europäische Bürgerinitiative »Wasser ist ein Menschenrecht« bereits 1,5 Millionen Unterstützer in acht Mitgliedstaaten gesammelt. Es liegt nun an der europäischen Politik, die richtige Antwort zu geben.

Thomas Kattnig ist nationaler Koordinator der Europäischen Bürgerinitiative »Wasser ist ein Menschenrecht«.

 

 

Mehr zum Thema gibt’s auf www.biorama.eu/wasserprivatisierung

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