Das Märchen vom gesunden Kindermenü

Glenn Fry © Verlag S.Fischer

Warum muss in Gastronomiebetrieben gerade für unsere Kleinen, für die gesunde Ernährung besonders wichtig ist, das Essen so derartig mies sein? Ein Plädoyer gegen Micky-Maus-, Pinocchio- und Pumuckl-Teller.

Die Nahrung für meinen kleinen Sohn liegt mir besonders am Herzen. Seit seiner Geburt  lese ich intensiv Verpackungstexte, recherchiere Zusatzstoffe und möchte ganz genau wissen, was dieser kleine Körper zu essen bekommt. Gerade in der Wachstumsphase sind gesunde, natürliche Nahrungsmittel sehr wichtig. Das hat mich dann vor vier Jahren in die Biomärkte und Naturkostläden gebracht. Nur bei biologisch zertifizierten Lebensmitteln kann ich mir weitgehend sicher sein, dass mein Sohn von chemischen Rückständen und künstlichen Aromastoffen weitgehend verschont bleibt. Was aber, wenn ich mit der Familie gerne essen gehe und mit dem Kleinen öfters mal auswärts esse?

Die Kindermenüs auf den Speisekarten sind nicht nur nach den immerselben Märchen- und Comicfiguren bekannt, das Angebot hinter Pinocchio-Teller oder Biene-Maja-Schnitzel ist seit Jahrzehnten genauso einfallslos – mit der Tendenz zu immer schlechter werdender Convenience-Qualität. Warum setzt man unseren Kindern in der Gastronomie immer nur Würstel mit Pommes, Nudeln mit Sauce, Fischstäbchen oder Hühnernuggets vor? Minderwertige Lebensmittel, die zumeist direkt aus der Fritteuse oder dem Mikrowellenherd serviert werden. Pfui Deibel.

Angebot und Nachfrage

Sogar im Bio- und Kinderresort Ulrichshof im Bayrischen Wald findet sich am üppigen Biobuffet ein Eck mit all den Klassikern, die ich gerade dort nicht erwartet hätte: Chicken Nuggets, Pommes, Kroketten, Nudeln mit Sauce. Dort, wo man mit Überzeugung auf rein biologisch zertifizierte Zutaten setzt und neben dem Genuss auch Gesundheit und Bewusstsein in den Vordergrund stellt, unterscheidet sich das klassische Kindermenü kaum von dem konventioneller Restaurants. Aber warum? Hotelbesitzer Ulrich Brandl, seines Zeichens auch Präsident aller Hoteliers und Wirte in Bayern, ist die Problematik bewusst: »Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier weit auseinander. Wenn wir einen Tag keine Nudeln oder Frittiertes an der Kindertheke anbieten, hagelt es bis zum Abend Beschwerden an der Rezeption.« Dabei können bewusste Eltern für ihre Kinder natürlich auch aus der restlichen Buffetlandschaft feines und gesundes Essen zusammenstellen, wie auch wir es dann getan haben.

Die Verantwortung liegt also bei den Eltern, die Gastronomie reagiert offensichtlich nur auf die Nachfrage. Aber macht man es sich da nicht etwas leicht? Kann man unter den Deckmänteln der Comic-Namen vielleicht nicht auch vollwertigere Nahrung anbieten? Wie wäre es mit dem Spiderman-Gemüseauflauf oder dem Bob-der-Baumeister-Linsencurry? Interessant, dass bei der Auswahl der Kindermenüs nicht nur die Nahrungsmittel, sondern auch die Namen extrem von gestern sind: Welches Kind kennt heute noch Pinocchio oder Biene Maja? Die neuen Comichelden sind schneller, moderner und – wie das Essen – auch künstlicher.

Der Bochumer Arzt Dietrich Grönemeyer setzt in seinem neuen Buch »Wir Besser-Esser« ebenfalls auf Comicfiguren. Der aus vorhergehenden Publikationen bekannte kleine Medicus bekommt diesmal einen pommesfressenden Gegenpart: Spekki Bulletti. Gemeinsam mit den Schulkindern unternehmen sie eine Reise durch die ernährungsrelevanten Körperteile, kochen und turnen miteinander und lernen vernünftige Ernährung auf spielerische Art und Weise kennen. Gut aufbereitet und einfach erklärt. So kann ein gesunder Zugang aussehen und zum Nachahmen animieren.

Pflanzt also Gemüse und Obst mit euren Kindern oder zeigt ihnen, wo die Ware aus dem Bioladen herkommt. Kocht gemeinsam einfache Dinge und erklärt es spielerisch. Gemüse essen wird Freude machen und gesunde Dinge werden einfach schmecken. Erzählt das mal eurem Wirt! Abseits von Märchenfigurentellern werden dann aus kräftigen Kindern gesunde Erwachsene. Guten Appetit!

 

www.ulrichshof.com

www.dietrich-groenemeyer.com

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