Die Geschichte der geplanten Obsoleszenz
Wir präsentieren: ein historischer Abriss der geplanten Obsoleszenz – die Geschichte des beabsichtigten Zerfalls, von 1920 bis heute. Wenn kaputtgeht, was kaputt gehen soll.
Was verbirgt sich hinter dem nebulösen Begriff der geplanten Obsoleszenz? Im Grunde beschreibt er die verfrüht herbeigeführte Schadhaftigkeit von Produkten – eine künstliche Haltbarkeitsgrenze sozusagen, das Steckenpferd der Großkonzerne. Ihre Existenz ist immer noch strittig, hat aber dennoch eine Geschichte, die schon weit vor der Blütezeit des Musterphänomens der Kurzlebigkeit, dem iPhone, einsetzt. Wir haben ein paar Indizien gesamelt, die dafürsprechen, dass sich hinter geschlossenen Türen und geflüsterten Gerüchten doch etwas Wahres verbirgt.
1920 – Alfred P. Sloan und das Automobil
Dieser gute Mann hier, gilt als Erfinder der geplanten Obsoleszenz. Seines Zeichens Präsident von General Motors nutzte er sein Amt um durchdacht-durchtrieben alle paar Jahre kleine Konfigurationsänderungen bei den Automobilen durchzuführen. Die Konsumenten? Zogen mit. Nach einiger Zeit, obgleich das mittelalte Vierrad noch vollständig funktionsfähig, wollte trotzdem ein neues die Garage zieren. Schon damals waren neue Features, und seien sie noch so klein und unbedeutend, Grund genug um aus alt neu zu machen – eine Sache, die sich bis heute nicht geändert hat.
1924 – die dunkle Seite der Glühbirne
Glühbirnen sollen leuchten – aber bitte nicht zu lange. 2500 Stunden Licht zu geben ist, und war schon damals, kein Problem für den durchschnittlichen Glühfaden. Aus den rund 100 Tagen Brenndauer resultierte jedoch bald ein Absatzproblem und so schlossen sich, ganz im Zeichen der Gewinnmaximierung, Osram, Philips, und einige weitere zusammen. Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, dunkler Pakt wurde besiegelt: das sagenumwobene „Phoebuskartell“ – Brennpunkt für Detektiv_innen. Die Ermittlungen sollen aber bitteschön nicht länger als 1000 Stunden dauern, dann geht nämlich das Licht aus.
1940 – lasst die Strumpfhosen laufen!
Kohlenstoff plus Luft plus Wasser macht gleich Nylon; minus Laufmasche. Die erste Nylonstrumpfhose wurde 1935 entwickelt und konnte vieles, nur Reißen wollte sie nicht. Sogar das Militär war von der Robustheit des zarten Materials begeistert und nutzte es für seine Zwecke. Die ersten Verkaufszahlen sprechen dafür: 4000 Stück umhüllten von da an die amerikanischen Frauenbeine. Ein kapitalistischer Wermutstropfen: sie taten das zu lange. Eine weniger wünschenswerte Entwicklung für den Hersteller DuPont. Denn: wenn es etwas gibt, das dem Markt nicht gefällt, ist es wohl die Kombination aus Qualität und Haltbarkeit, die den Bedarf an Neuem obsolet macht und die Verkaufszahlen in den Keller treibt. Fluchs wurden also die Maschen wieder weiter gemacht, und ihnen freien Lauf gelassen.
2003 – was der iPod (nicht) kann
Alles für den Konsumenten. Der iPod sollte ein Medium für Kreativität sein, für Film, Spiele, aber vor allem für Musik. Durch die Kopfhörer klingt das fast nach Nächstenliebe, in einer Sache war Apple dann aber doch nur eigennützig. Denn nach ziemlich genau drei Jahren auf den Punkt, sollte der Akku nicht mehr so richtig wollen. Austauschen war nicht drin, fest eingebaut gab es nur eine Alternative, um den akustischen Alltag auch unterwegs ausblenden zu können: ein neues Gerät. Damit wurde das Apple-Portemonnaie beständig dicker, bis zum Jahre 2003. Ein paar verärgerte Nutzer, und einige mehr, formierten sich und klagten. Apple musste klein bei geben, ein Reparaturservice wurde eingeführt.
2010 – wenn der Drucker nicht mehr will
Der rote Faden der geplanten Obsoleszenz reißt auch in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts nicht ab. Die Regisseurin Cosima Dannoritzer hat einen weiteren Fall aufgedeckt, der als Teil ihres Dokumentarfilms Kaufen für die Müllhalde ausgestrahlt wurde. Druck ist hier nicht das Medium, aber im Medium – ein Tintenstrahldrucker der Marke Epson druckt plötzlich nicht mehr. Grund dafür: ein eingebauter Chip. Dieser zählt mit und verhindert nach einer bestimmten Anzahl gedruckter Seiten schlicht und einfach das Weiterdrucken. Was bleibt ist eine Fehlermeldung. Ein paar Software-Basteleien später funktioniert das besagte Gerät wieder; die Frage nach dem Warum stellen wir uns spätestens seit der Nylonstrumpfhose nicht mehr.
2012 – Waschmaschine leb(t)en länger mit (und ohne) Calgon
Dass die Waschmaschine ein halbes Leben hält, war gestern. Oder zumindest 2004. Und das ist sogar wissenschaftlich belegt. Acht Jahre später hat das Umweltbundesamt Deutschland zusammen mit dem Öko-Institut eine Studie veröffentlicht, die folgendes beweist. Die Ergebnisse besagen, dass unsere Waschmaschinen, im Vergleich zu 2004, doppelt so lange kürzer waschen bis zur endgültigen Waschpause und die Wäsche ungewaschen bleibt. Der Anteil an defekten Haushaltsgroßgeräten hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt, einhergehend mit technologischen Verbesserungen ist das aber mehr als fragwürdig.
heute – von Kabelbruch und Bildschirmfluch
Auch heutzutage gibt es eine Menge an Geräten, die schneller kaputtgehen, als wir wollen, für die Hersteller aber genau dann, wenn sie sollen. Etwa die in die Jahre gekommene erste Generation des iPhones, dessen Betriebssystem heute nicht mehr aktualisiert werden kann, weil die Software nicht mehr passt. Aktualisiert man eine App, lässt sich diese wie durch ein Wunder nicht mehr öffnen. Auch der Inputstecker von Kopfhörern ist noch bei kaum jemandem auf Dauer heil geblieben (egal wie gut man aufpasst): der Kabelbruch als unumgängliches Todesurteil. Oft können wir uns auch nur fragen – ist das Bildschirmglas unserers Smartphones absichtlich so weich, dass es schon beim Hinschauen springt? Muss sich die Bratpfannenbeschichtung wirklich so schnell ablösen? Und ist spülmaschinenfestes Porzellan ein Mythos?
Murks? Nein danke! – Eine Seite für alle Gegner_innen der geplanten Obsoleszenz, die Erfahrungen teilen, Fälle melden oder einfach nur mehr Informationen wollen.
Aus dem Archiv:
Guter Service statt schlechter Besitz (2014)
Die Kultur des Reparierens ist auch ein Geschäft (2015)