Eine vegetarische Reise durch das belgische Gent
Flandern kannte ich bis jetzt nur aus der Kinderserie „Niklaas, ein Junge aus Flandern“ und von Belgien hatte ich ein paar kulinarische Klischees im Kopf: Pommes, Nugat, starkes Bier. Aber wie geht es dort in echt auf den Tellern zu?
Besonders interessant für mich als Anhängerin der tierfreien Kost ist in diesem Zusammenhang natürlich die Tatsache, dass in Gent, dem Ziel meiner Reise, seit Mai 2009 jeden Donnerstag Veggieday ist, das heisst, dass in Kantinen und Restaurants das vegetarische Angebot im Vordergrund steht. Die Stadtverwaltung lieferte hierfür personelle und finanzielle Unterstützung, etwa hundert Restaurants beteiligten sich freiwillig und andere belgische Städte zogen nach.
Diese sinnvolle Initiative, die vor allem der allgemeinen Gesundheit der Bevölkerung und dem Klimaschutz dienen soll, wurde in Deutschland im Zuge wahlkampfbegünstigter Politpolemik leider im Keim erstickt. Natürlich fiel mein Aufenthalt auf einen Donnerstag.
Schon bei der Ankunft war ich geblendet. Die historische Altstadt wirkt wie ein pittoreskes Freiluftmuseum, jede Gasse und jede Brücke sieht aus wie gemalt. Gent hat sogar einen Preis bekommen für die beste Stadtbeleuchtung!
Auf eine Viertelmillion Einwohner kommen 30.000 Studenten, was dafür sorgt, dass die Stadt nicht an ihrer Geschichte erstickt, sondern dass neben alten Kulturschätzen wie dem weltberühmten Genter Altar von Jan van Eyck auch neue Orte wie das Designmuseum ihren Platz finden.
Man kann sich gar nicht entscheiden vor lauter netten Lokalen, Imbissen, Cafés und Shops, zum Glück hatte man mir schon ein bisschen ein Programm zusammen gestellt und nach einer historischen Stadtführung durfte ich ein Abendessen im Belga Queen geniessen und auch wenn man dort eher nicht auf vegane Küche eingestellt ist, gab man sich Mühe – mein Highlight war das Gin Tonic Sorbet zum Nachtisch und natürlich die eindrucksvolle Location, das Restaurant befindet sich in einem ehemaligen Kornspeicher, der modern ausgebaut wurde.
Am nächsten Morgen schlenderte ich bei herrlichem Sonnenschein durch die malerischen Gässchen zur Superette, einer ganz besonderen Bäckerei. Auf dem Weg holte ich mir noch einen knallroten Aufwach-Smoothie bei Greenway, einem sehr empfehlenswerten Veggie-Imbiss mit zwei Filialen, der auch ausgewählte Produkte an lokale Supermärkte liefert.
Die Bäckerin Sarah Lemke ist der resolute Mastermind in der Superette. Sie kam extra aus den USA um den gigantischen Holzbackofen zu bauen der das Kernstück des Lokals bildet.
Um ihn dreht sich alles und, im Gegensatz zu schnöden Elektro-Öfen, gleicht seine Nutzung einer wahren Wissenschaft. Sarah und ihre Kollegen erklären mir wie wichtig es ist jedes Produkt genau zur richtigen Zeit zu backen, da der Ofen im Laufe des Tages permanent seine Temperatur und Hitzeverhältnisse ändert. Das Ergebnis: köstliches Brot, feines Gebäck, knusprige Pizzen und fast alles ausschließlich auf Sauerteig-Basis.
Man schmeckt die Qualität. Auch das Teig ansetzen dauert viel länger als in der konventionellen Bäckerei und alle Mitarbeiter sind mit ganzem Herzen bei der Sache.
Ich beiße in knusprige Brotkrusten…und muss schon wieder weiter, denn zu Mittag bin ich im Avalon verabredet, dem ortsältesten vegetarischen, mittlerweile veganen Restaurant Gents. Obwohl mein Magen schon mit Brot befüllt ist, wähle ich das dreigängige Mittagsmenü …
Gemüsesuppe und noch mehr Brot
Ein bunter Teller mit köstlichen Leckereien wie gebratenem Tempeh, Süßkartoffelpüree, blanchiertem Grünkohl, cremigem Lauch, knackigem Rotkohlsalat … wäre dieser Teller ein Mensch, ich würde ihn auf der Stelle heiraten. Denn er vereint alles, was die vegane Küche ausmacht und gut macht. Aufzuzeigen wie viele Geschmacks-, Konsistenz- und Genusskomponenten mit reiner Gemüseküche möglich sind! Ein wahrer Traum!
Obwohl schon fix und alle, lasse ich mir die Tarte Tartin mit Vanillesoße nicht entgehen, zum Kaffee wird ein kleines Schälchen mit hausgemachter Schokocreme serviert, selten habe ich so etwas köstliches auf der Zunge gehabt (seit dem Hauptgang!).
Bei einem Plausch erzählt mir Tine Tomme, die Geschäftsführerin, dass auch in Belgien viele Menschen anfangs Vorbehalte gegen den Veggieday hatten, er sich aber mittlerweile gut etabliert hat und die Anzahl der Lokale mit vegetarisch-veganem Angebot stetig steigt.
Nach einer kurzen Verdauungspause im Designmuseum habe ich einen weiteren kulinarischen Termin im Volta, eines der modernsten und angesagtesten Restaurants der Stadt.
Es ist gerade mal 15 Uhr nachmittags, doch Maarten, der charmante Barkeeper des Volta empfängt mich mit einem Aperitif, der ordentlich knallt! Es ist eine flämische Interpretation des klassischen Negroni, ein Teil roter Vermouth, ein Teil Campari und statt Gin ein Teil belgischer Filliers, laut Maarten der Godfather des Gin. Mit Orangenzeste serviert ein absolutes Highlight.
Leicht angetüdelt spaziere ich in die Küche, wo mich bereits Davy De Pourcq, der erst 26-jährige Küchenchef des Volta empfängt.
Während er mir ein komplett grünes Gemüsegericht zaubert, das fast zu schön ist um es zu verzehren (nicht dass ich schon wieder Hunger hätte), erklärt er mir wie wichtig für ihn die regionale Herkunft und Qualität seiner Produkte ist und das er den Luxus einer eigenen Pflanzenzüchterin hat, die im Restauranteigenen Garten das Gemüse zieht. Hier noch ein Tropfen Schnittlauchöl, da noch ein essbares Blümchen, obwohl es mir widerstrebt, mache ich mich gierig über das Speisengemälde her!
Auf den Veggieday angesprochen meint Davy, dass vor allem älteres Publikum Fleisch nach wie vor als Qualitätsattribut auf der Karte wahrnimmt, aber die Nachfrage nach vegetarischen Alternativen auch bei seinen Gästen immer mehr zunimmt. Für ihn sei die Gemüseküche die spannendste Spielwiese überhaupt.
Vollkommen gefüttert und beeindruckt von so vielen tollen Menschen, die mit so viel Leidenschaft ihren Berufen frönen, mache ich mich auf den Weg zum Hotel, lasse mir eine Wanne ein und schlüpfe schnell ins Bett. In dieser Nacht träume ich von einer belgischen Spezialität, die ich leider diesmal verpasst habe, weil einfach kein Platz mehr war, weder im Programm, noch im Magen: einer ordentlichen, dicken Portion Pommes.
Ich muss dringend noch mal wiederkommen!
Die Autorin reiste auf Einladung von Visit Flanders Wien.