Gefundenes Fressen #10: Wasser
Hier schreiben Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter über Essen als essentielles politisches und kulturelles Thema. Zum Zehnten.
(Wasser) Trinken ist bekanntlich sehr gesund, ja eigentlich überlebensnotwendig. Eineinhalb bis zwei Liter Flüssigkeit soll man täglich zu sich nehmen. Ohne Wasser stirbt man ziemlich schnell. Wenn also der Zugang zu Wasser kein Menschenrecht sein soll (wie von Nestlé vorgeschlagen), was dann?
Als ÖsterreicherInnen berührt uns die Wasserversorgung kaum. Frisches Trinkwasser sprudelt in der Alpenregion so selbstverständlich, dass es hierzulande nicht nur zum Trinken, Kochen, Wäschewaschen und Duschen, sondern auch zur Bewässerung, Straßenreinigung und Brandlöschung verwendet wird. Rund 140 Liter transferiert jede und jeder von uns tagtäglich zu Hause auf die eine oder andere Weise von der Frischwasser- in Richtung Abwasserleitung. Ob auch Österreichs Wasser im Rahmen neoliberaler Überlegungen (das nennt sich auch: Privatisierungen) international verkauft werden könnte, wird hierzulande eher ignoriert. Ob Wasser ein Spekulationsgut, wie Weizen, Mais oder Reis sein könnte? Vermutlich lässt sich mit Wasser gut Geld verdienen.
Andererseits, haben wir gesegneten Alpenbewohner doch sicher genut Wasser, um ein paar Millionen EuropäerInnen mit 140 Liter Wasser pro Tag und Person zu versorgen. Das wäre doch ein Spitzengeschäft für uns, das sicher viele Arbeitsplätze schafft, oder nicht? Leider machen aber die oben erwähnten 140 Liter nur einen Bruchteil unseres tatsächlichen Wasserverbrauchs aus. Denn dieser liegt in Europa je nach Lebensstil bei zirka 3600 Litern pro Person und Tag! Einen überwiegenden Teil davon essen wir, indirekt über Nahrungsmittel, die wir erwerben und verzehren (oder wegwerfen).
Die Herstellung eines Kilos Schokolade verbraucht zum Beispiel 24.000 Liter Wasser, jene von Reis 3.400. Weizenbrot schlägt mit rund 1.300 Liter je kg zu Buche, Salat dagegen mit vergleichsweise geringen 130 Liter. Während auf die Erzeugung von Handy, Jeans und Co nur magere 7 Prozent des persönlichen Wasserkonsums entfallen, verschlingt die Produktion von Nahrung glatte 89 Prozent! Brisanter Weise stammt das Wasser, das wir quasi „veressen“, nicht unbedingt aus Österreich, sondern – Globalisierung und Welthandel sei Dank – oft aus ganz anderen Regionen der Welt. Palmöl, Biosprit, Rindfleisch oder schlicht afrikanischer Exportweizen nehmen unter Umständen jenen Menschen die Lebensgrundlage Wasser weg, die wir später abwertend als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen.
Über Gefundenes Fressen:
Jeder Bissen ist ein politischer Akt. Was wir wann wie und warum essen, kann unwürdige Arbeitbedingungen, Bodenerosion in Zentralafrika oder brennende Amazonasflächen auslösen. Die Frage des täglichen Essens hat nichts mit Diäten, Rezepten oder Gourmetkritiken zu tun sondern mit CO2 Emissionen, Fracking oder Gentechnologie. Jeder Biss ist Kultur. Jedes Schlucken ist Politik. Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter wollen in ihrem Blog das Essen als essentielles politisches Thema in der Mitte der Gesellschaft positionieren, weil die Aufnahme der alltäglichen Kalorien nicht nur eine Frage von Genuss und Geschmack sondern auch der Lebenseinstellung und Denkweise einer Gesellschaft ist. Erst das Fressen, dann die Moral? Nein.
Hier geht es zu den bisherigen Beiträgen.