Fish Girl

 

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Wie kann die Wertschöpfungskette der Fischindustrie nachhaltiger werden? Und was ist die Rolle von Design bei der Lösung komplexer sozialer und ökologischer Probleme? 

Laut Welternährungsorganisation (FAO) sind 85 Prozent der Fischbestände überfischt oder bereits erschöpft. Hinzu kommt, dass 20 bis 25 Prozent des gehandelten Fisches hinsichtlich Art, Herkunft oder Fangmethode falsch gekennzeichnet sind. Eine Meeresfrüchteallergie und die Tatsache, dass Cheryl Dahle das Meer erst mit 18 Jahren zum ersten Mal sah, hinderten sie nicht daran, Lösungen für nachhaltigen und transparenten Fischfang und Handel zu entwickeln. Mit »Future of Fish« hat Cheryl Dahle ein Coaching-Programm für Unternehmer gegründet, deren Geschäftsmodelle Nachhaltigkeit, Effizienz und Rückverfolgbarkeit in der Wertschöpfungskette der Fischindustrie ermöglichen.

BIORAMA: Wie wurden Sie zum »Fish Girl«? 

Cheryl Dahle: Im Rahmen eines Forschungsprojektes analysierte ich erfolgreiche unternehmerische Lösungen in der nachhaltigen Fischerei. Gemeinsam mit der Packard Foundation habe ich dann einen Designprozess gestartet, um herauszufinden, ob es über bestehende Ansätze hinaus fehlende Puzzlesteine gibt, die wir ansprechen sollten.

Was war das Problem, das Sie identifizierten?

Die wichtigste Beobachtung war, dass niemand mit den Akteuren in der Mitte der Wertschöpfungskette sprach. Alle Projekte konzentrierten sich auf die Förderung nachhaltiger Fangmethoden oder die Zertifizierung von Fisch für Endkonsumenten. Aber die Energie schien in der Mitte zu verpuffen. Mit einem Team von Designern und Anthropologen haben wir acht Betriebe in vier verschiedenen Ländern besucht und die Mitte der Wertschöpfungskette analysiert – dort, wo Fisch den Besitzer wechselt.

Was haben Sie dabei herausgefunden?

Seit Generationen wird Fisch meist über das Telefon gehandelt. Zwischenhändler geben in der Früh Zielvorgaben vor, die dann am Nachmittag mit den tatsächlichen Fängen zusammengeführt werden müssen. Das endet meist in einem Balanceakt, man gibt Preisnachlässe oder bietet anderen Fisch an. Die andere, betrügerische Variante ist es, die Haut des Fisches zu entfernen und ihn als einen Anderen zu verkaufen, als er tatsächlich ist. In diesem System haben Zwischenhändler kein Interesse an einer Technologie, die eine genaue Nachverfolgung und Auflistung des gefangenen und verkauften Fisches ermöglicht. Für den Konsumenten bedeutet das, dass er keine verlässlich nachhaltige Produktwahl treffen kann. Was wir nun versuchen, ist mithilfe von Technologie eine alternative, transparente Wertschöpfungskette aufzubauen.

Aus dem Designprozess ging die Gründung eines Akzelerators (Beschleuniger) als Lösung hervor. Wie kam es dazu?

Wir erkannten, dass es nicht nur eine einzige Lösung für ein komplexes System, wie es die Fischindustrie ist, geben kann, sondern nur verschiedenste Interventionen in das System. Als außenstehende Designer konnten wir keine Firma gründen, die die gesamte Wertschöpfungskette der Fischindustrie verändern würde. Daher stellte sich die Frage, wie man Akteure, die bereits in dem Feld arbeiten, unterstützen kann. Wir haben innovativen Unternehmern unsere Forschungsergebnisse und die Probleme, die wir sahen, präsentiert und sie um ihre Meinungen gebeten. Denn sie sind ja seit vielen Jahren Teil der Industrie! So wurden sie zu Mitgliedern des Designteams. Es ist wichtig, dass Innovationen innerhalb des Sektors entstehen und nicht von außen kommen. Wenn man systemische Lösungen entwickeln möchte, ist es wertvoll, die Anspruchsgruppen, also die Menschen, die Teil der Industrie sind, in den Designprozess zu involvieren und zu Co-Designern zu machen.

Was kann ich als Konsument ob der Tatsache, dass 20 bis 25 Prozent des Fisches falsch gekennzeichnet sind, tun? Gibt es ein Zertifikat, dem ich vertrauen kann?

Wenn Fisch mit dem Marine Stewardship Council (MSC)-Siegel ausgezeichnet ist bedeutet das, dass es eine zertifizierte Produktkette gibt. Doch leider kommt es auch hier zu falsch gekennzeichnetem Fisch. Das Beste, das man als Konsument tun kann, ist, aufmerksam zu sein, Fragen zu stellen und Antworten zu verlangen. Natürlich bin ich ein Fisch-Nerd (lacht), aber jeder Konsument kann anfangen, Fragen zu stellen. Wenn Konsumenten Antworten verlangen, müssen Handel und Restaurants reagieren und diese bei ihren Zwischenhändlern einfordern.

Das Interview entstand im Rahmen von Compostmodern, einer alle zwei Jahre in San Francisco stattfindenden Konferenz zu Nachhaltigkeit und Design.

INTERVIEW Sarah Stamatiou

 

Dahle HS2a

FUTURE OF FISH

Future of Fish ist ein von Cheryl Dahle in den USA gegründeter nicht gewinnorientierter Akzelerator mit dem Ziel, nachhaltiges Unternehmertum in der Fischindustrie zu fördern. »Future of Fish« unterstützt innovative Geschäftsmodelle, die zu mehr Nachhaltigkeit, Effizienz und Rückverfolgbarkeit in der Wertschöpfungskette der Fischindustrie führen. Unternehmer bekommen Unterstützung durch unterschiedlichste Business Services und Coaching und werden aktiv miteinander vernetzt, um so nachhaltigen Fischfang und Handel voranzutreiben.

www.futureoffish.org

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