Das Tier als Ware: Der Fleischatlas zeigt die Bandbreite

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA

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Das Tier als Nahrungsmittel: Immer mehr Menschen verzichten komplett darauf, andere fordern Verbesserungen in der Tierhaltung und Rücksichtnahme auf die Umwelt. Der „Fleischatlas 2016“ bringt die beklemmenden Fakten auf den Punkt.

Die Anzahl der Menschen, die Wert darauf legen zu wissen, wie das Stück Fleisch auf ihren Teller gelangt, wächst. Die Fragen nach den Auswirkungen der Fleischproduktion auf unsere Umwelt und Gesundheit, nach den Arbeitsbedingungen der in der Fleischproduktion Beschäftigten und vor allem nach den Haltungsbedingungen der Tiere werden immer lauter und nachdrücklicher. Die „Heinrich-Böll-Stiftung“ und der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Fragen im „Fleischatlas 2016“ auf den Grund zu gehen, die Unterschiede in der Tierhaltung in den sechzehn deutschen Bundesländern aufzuzeigen, Mängel aufzudecken, aber auch Verbesserungen aufzuzeigen.

Fleischnation Deutschland im Wandel

Obwohl der Fleischverbrauch der Deutschen in den vergangenen Jahren gleichbleibend war, sind die Erzeugung sowie der Export von Fleisch stark angestiegen. Der „Fleischatlas 2016“ zeigt auf, wie dieses Paradoxon zu Stande kommt: Der enorme Zuwachs der Erzeugung ist auf einen Strukturwandel zurückzuführen. Neuartige Produktionsmethoden wie Melkmaschinen und automatisierte Fütterungsanlagen sorgen dafür, dass mehr Tiere von weniger Arbeitskräften versorgt werden müssen. Zugleich steigt aufgrund der Züchtungsmethoden und aufgrund intensiver Fütterung die Fleischmenge pro Tier. Da können viele Familienbetriebe finanziell nicht mehr mithalten und so gibt es immer weniger bäuerliche Kleinbetriebe, dafür vermehrt Spezialisierungen. Weil der Verbrauch von Milch und Fleisch in den vergangenen Jahren gestiegen ist, der Verbrauch der Deutschen aber gleich geblieben ist, ist ein Exportüberschuss bei allen Fleischarten entstanden. Bei den Exporten in Länder außerhalb der EU handelt es sich größtenteils um Milchpulver, Schweinehälften und Hühnerteile. Um mit dem Weltmarkt konkurrieren zu können, müssen die Betriebe ihre Kosten möglichst gering halten, wodurch den Betrieben keine Möglichkeit bleibt, um in Tier- und Umweltschutz zu investieren: ein Teufelskreis.

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA

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Bemerkenswert ist auch, dass mit der gesteigerten Fleischerzeugung der Zukauf von Sojaschrot – mittlerweile eine der wichtigsten Futterkomponenten in Deutschland – in den letzten zwanzig Jahren um über ein Drittel auf über 4,5 Millionen Tonnen gestiegen ist. Da die europäischen Sojaimporte größtenteils aus Südamerika kommen, werden dort Savannen gerodet, um neue Anbauflächen zu schaffen. Dadurch führt die gesteigerte Fleischproduktion in Europa zu weniger Möglichkeiten zu Klimaschutz in Südamerika.

Fachleute sind sich uneinig: Verursacht Glyphosat Krebs?

Der „Fleischatlas 2016“ zeigt auf: Der Einsatz von Pestiziden in Deutschland nimmt Jahr für Jahr zu. Am stärksten steigt dabei – in Deutschland als auch weltweit – der Verbrauch von Umweltbekämpfungsmitteln, wobei der darin enthaltene Wirkstoff Glyphosat durchaus umstritten ist. Das Breitbandherbizid bekämpft alle Pflanzen, abgesehen von denen, die gentechnisch verändert sind. Resistent ist somit die gentechnisch veränderte Sojapflanze, die als Futtermittel in der Fleischproduktion verwendet wird. Daraus lässt sich schließen: Je mehr Fleisch gegessen wird, desto mehr gentechnisch verändertes Soja wird angebaut und desto umfangreicher wird der Einsatz von Glyphosat. Äußerst bedenklich ist dabei, dass Glyphosat vermehrt mit Hautausschlägen, Atemwegserkrankungen und Krebs in Zusammenhang gebracht wird. Um der tatsächlichen Wirkungsweise des Herbizids auf den Grund zu gehen, wurden mehrere Bewertungen durchgeführt. Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) kam zu dem Ergebnis, dass Glyphosat für die menschliche Gesundheit unbedenklich und somit nicht krebsfördernd sei. Die „Internationale Krebsforschungsagentur“ (IARC) kam jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. Laut IARC sei Glyphosat wahrscheinlich krebserregend. Hinzu kommt, dass über 100 internationale Wissenschaftler den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit dazu aufgefordert haben, Glyphosat nicht wieder zuzulassen. Der Entscheid steht bisher aus.

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA

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