Fleisch im Vergleich
Der WWF Fleischratgeber versucht zu beantworten, welches Fleisch den größten ökologischen Fußabdruck hat. Aber wie lässt sich das bewerten?
Auch in Österreich hat der WWF vor Kurzem einen Fleischratgeber herausgebracht. Mit einem Ampelsystem beurteilt er Fleisch von verschiedenen Tieren aus biologischer und konventioneller Landwirtschaft. Kriterien wie Klima, Artenvielfalt und Tierwohl sollen die Bewertung nachvollziehbar und transparent machen.
Der Ratgeber wurde vom WWF Österreich und dem Wiener Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) entwickelt. Er baut auf einem Projekt auf, das 2013 an einer schwedischen Universität durchgeführt wurde. In Schweden hat auch der WWF seinen ersten Fleischratgeber veröffentlicht.
Bio ist grün
Der Fleischratgeber bewertet Fleisch nach sechs Kategorien: Klima, Artenvielfalt, Überdüngung, Pestizide, Antibiotika und Tierwohl. Bewertet wird das Fleisch von Rind, Huhn und Schwein aus Österreich, der EU und anderen Ländern, aus denen viel importiert wird. So inkludiert die Kategorie Rind zum Beispiel Argentinien, während beim Huhn die Länder Ungarn, Polen und Brasilien bewertet werden.
Grundsätzlich betont der Fleischratgeber, dass es sowohl aus gesundheitlichen als auch aus ökologischen Motiven empfehlenswert ist, wenig Fleisch zu konsumieren – wenn man gar nicht auf Fleisch verzichten möchte. Aber es spiele eben auch eine große Rolle, welches Fleisch: Grüne Bewertungen erhält vor allem Biofleisch aus Österreich und der EU. Der Fleischratgeber empfiehlt, dieses Fleisch nur »in Maßen« zu konsumieren. Fleisch aus österreichischer konventioneller Landwirtschaft soll laut dem Ratgeber »lieber wenig« verzehrt werden – ist also mit gelb gekennzeichnet. Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft aus der EU oder dem internationalen Ausland erhält die Bewertung »Finger weg« – und ist daher rot gekennzeichnet.
Dass Fleisch aus dem Ausland bei den Kriterien im Fleischratgeber schlechter abschneidet, liegt an unterschiedlichen Faktoren. Zum einen unterscheiden sich die Vorgaben für Bio- und konventionelle Landwirtschaft von Land zu Land. Zudem tragen lange Transportwege dazu bei, dass der CO2-Fußabdruck größer ist.
Das Ampelsystem vereinfacht die Kriterien, die zur Bemessung herangezogen werden, stark. »Man könnte einen Fleischratgeber sehr aufwendig machen, aber schlussendlich geht es darum, die Bewertungen möglichst einfach zu kennzeichnen, damit der Ratgeber auch für diejenigen KonsumentInnen hilfreich ist, die sich mit der Materie nicht so gut auskennen«, erklärt Thomas Lindenthal, Mitautor der Studie zum Fleischratgeber und Forscher an der BOKU und dem FiBL.
Was heißt »in Maßen« – wie viel darf ich essen?
Ungefähr 63 Kilogramm Fleisch isst der/die DurchschnittsösterreicherIn im Jahr. Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt pro Woche maximal drei Portionen zu 150 Gramm – das ist etwa ein Drittel des derzeitigen Konsums. »Dieser Wert dient als grobe Orientierung«, sagt Lindenthal. »Wer seinen Fleischkonsum darauf beschränkt, hat einen doppelten Benefit – gesundheitlich und ökologisch.«
Fleischkonsum wirkt sich auf verschiedene Arten auf die Umwelt aus. Einerseits werden für die Tierhaltung – und insbesondere für die Futterproduktion – große Flächen verbraucht. Etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit werden davon beansprucht. Anstatt Futtermittel zu erzeugen, könnte auf diesen Flächen Getreide oder Gemüse für die Ernährung von Menschen angebaut werden. Für den Sojaanbau werden zudem oft Naturräume wie Regenwälder zerstört. Damit werden die Lebensräume vieler Tiere vernichtet. Die Regenwälder sind wichtig, weil sie große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und Sauerstoff produzieren. In der Tierhaltung werden außerdem vergleichsweise große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt und das Grundwasser belastet.
Ökologisch, aber nicht umfassend nachhaltig
Der Fleischratgeber bewertet zwar, wie ökologisch welche Fleischprodukte sind, das sagt allerdings noch wenig über deren Nachhaltigkeit insgesamt aus. »Nachhaltigkeit umfasst auch viele ökonomische und soziale Kriterien: Zum Beispiel: Wie vernetzt sind die Betriebe in ihrer Region? Wie wird das lokale Wissen genutzt? Investieren die Betriebe in die Region? Sind sie finanziell gut aufgestellt?« sagt Lindenthal. Der Fleischratgeber besteht vor allem aus zwei Kriteriengruppen: den ökologischen Kriterien und dem Aspekt Tierwohl. Wie wirtschaftlich nachhaltig ein Produkt hergestellt wird, wie viel Infrastruktur oder Know-how hierzu regional geteilt wird oder unter welchen Arbeitsbedingungen produziert wird, ist im Ampelsystem nicht erfasst.
Milchwirtschaft bedeutet auch Almwirtschaft
Der österreichische Fleischratgeber bewertet außerdem – im Unterschied zum schwedischen Ratgeber – keine Milchprodukte. »Zentrale Ursachen des Klimawandels sind die Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl, Erdgas, Kohle, sowie die Tropenwaldzerstörung. Die Tierhaltung hat einen nicht unerheblichen Einfluss, auch weil aus Tropenregionen importiertes Soja als Futtermittel verwendet wird, was die CO2-Bilanz nochmal verschlechtert. Milchkühe haben insgesamt gesehen aber nur einen ganz geringen Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen und zudem wird in der Milchviehfütterung nur sehr wenig Soja eingesetzt«, erklärt Lindenthal.
Lindenthal weist auch darauf hin, dass Milchwirtschaft im alpinen Raum zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt. Denn in Österreich gibt es viele Grünflächen, die sich nicht für den Getreide- und Gemüseanbau eignen – vor allem in den Alpen. Dort regnet es viel, was zum Beispiel zu Pilzkrankheiten bei Getreide führen kann und generell weniger Erträge bringt. »Da geht es um nachhaltige Flächennutzung: Die Kuh kann Gras verwerten, wir aber nicht. Ohne Milchprodukte würden wir auf diese Flächen verzichten und stattdessen Lebensmittel importieren müssen.«
Wie kommt es zur Bewertung?
Die Kriterien, die im Fleischratgeber verwendet werden, werden anhand von unterschiedlichen Indikatoren gemessen. So kann man Überdüngung beispielsweise am Phosphorgehalt im Boden feststellen. Bei der CO2-Bilanz wird es schon etwas komplizierter: Hier muss nicht nur die Tierhaltung, sondern auch die Bilanz aller Vorleistungen miteinbezogen werden. Dazu gehören beispielsweise die Düngemittel und das Futter: Wo und unter welchen Bedingungen wird es produziert? Wie hoch ist seine CO2-Bilanz? Aber auch ganz grundlegende Aspekte werden mitunter einberechnet: »Manche Bilanzen inkludieren die Tropenzerstörung, was sehr wichtig ist, andere nicht«, sagt Lindenthal.
Auch nach der Schlachtung gibt es einige Faktoren, die in die CO2-Bilanz einberechnet werden müssen – zum Beispiel der Transport, die Verarbeitung, die Verpackung und die Lagerung. Je nachdem, ob diese Aspekte in die Berechnungen inkludiert werden, fallen die Ergebnisse unterschiedlich aus. Auch die Art, wie in den unterschiedlichen Ländern Tiere gehalten werden, hat einen Einfluss auf die Ergebnisse: »Je nach Land unterscheiden sich zum Beispiel die Futtermittel, die Haltungssysteme, die Düngung, ob und wie viel Soja verwendet wird und woher es kommt. Durch verschiedene Produktionssysteme kommt es dann zu Streuungen in den Ergebnissen.«
Lindenthal meint allerdings, dass sich KonsumentInnen nicht auf einzelne Kriterien fixieren sollen: »Manche Leute sagen: Wenn Rindfleisch so schlecht bei den Treibhausgasen abschneidet, dann steige ich um auf Schwein oder Huhn. Das ist oft aber nicht viel besser, weil die Nachteile dort bei anderen Nachhaltigkeitskriterien liegen. Die grundlegende Maxime ist: Möglichst wenig Fleisch kaufen, und wenn, dann Fleisch mit grüner oder im Ausnahmefall gelber Bewertung. Die Gesamtbewertung ist dabei das Wichtigste.«
Thomas Lindenthal arbeitet an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), wo er zu den Themen Nachhaltigkeitsbewertung und Klimaschutz forscht. Er ist Mitautor der Studie, auf welcher der österreichische Fleischratgeber basiert.