WWF: „Otter-Regulierung durch Abschuss purer Populismus“

Die Fischotter-Population stabilisiert sich selbst, meint Christian Pichler. Die im Waldviertel geplanten Abschüsse würden weder Probleme der Teichwirte lösen, noch Schäden verhindern. Ein Gastkommentar des WWF-Artenschutzexperten

[Debatte] Die Wiederausbreitung des Fischotters in den letzten Jahren, in Österreich ebenso wie in anderen Teilen Europas, ist ein natürlicher Prozess. Das Verbot der Jagd und die strenge Unterschutzstellung haben ebenso dazu beigetragen wie die Erhaltung von noch vorhandenen natürlichen und naturnahen Flüssen und Bächen oder die Renaturierung von degradierten Gewässern. Fischotter sind ein wichtiger Teil naturnaher Fließgewässer und in Österreich streng geschützt. In ganz Europa genießt der Fischotter gemäß der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie größtmöglichen Schutz. Der Fischotter ist ein wichtiger Bestandteil unserer Natur. Als „Gesundheitspolizei“ der Gewässer-Ökosysteme erbeutet er vermehrt schwache und kranke Tiere und hält damit den natürlichen Wildfischbestand gesund.

Wir sollten uns daher freuen, dass der Fischotter wieder bei uns vorkommt, verstehen aber die Sorgen der Teichbesitzer um die Verluste an Fischteichen. Der Abschuss von 20 Fischottern an Fischteichen und weiteren 20 Ottern an Flüssen (wie vom Land Niederösterreich geplant, Anm. der Redaktion) ist aber ganz sicher keine Lösung. Als Topprädatoren stehen Fischotter an der Spitze der Nahrungskette und haben keine natürlichen Feinde! Fischotter wurden also nie durch natürliche Feinde reguliert und müssen daher auch nicht vom Menschen reguliert werden.

Fischotter sind ein wichtiger Teil naturnaher Fließgewässer und in Österreich streng geschützt.“ (Christian Pichler, WWF)

Durch ihre Lebensweise regulieren Otter ihre Dichten selbst. Erwachsene Fischotter leben als Einzelgänger in Streifgebieten entlang von Gewässern. Ausschlaggebend für die Größe dieser Streifgebiete sind die Verfügbarkeit von Nahrung und soziale Unverträglichkeiten, denn Fischotter beanspruchen jeweils eigene Gebiete und gehen sich aus dem Weg. Ab einem gewissen Punkt stabilisiert sich deshalb die Population und wächst nicht mehr weiter.

Ein leergeschossenes Fischotter-Revier zieht das Interesse von anderen Fischottern auf und das Revier wird bald wieder besetzt.“ (Christian Pichler, WWF)

Wenn man nun versucht Fischotter zu „regulieren“, destabilisiert man dieses natürliche System. Zeitweise kann das sogar zu höheren Otterdichten führen. Denn aufgrund des freien Reviers und weniger Konkurrenz und damit mehr verfügbarer Nahrung vermehren sich die Otter in der Nachbarschaft stärker und die Fischverluste können sogar ansteigen! Ein leergeschossenes Fischotter-Revier wird außerdem das Interesse von Fischottern aus der Nachbarschaft auf sich ziehen und das Revier wird bald wieder besetzt.

Abschüsse keine Lösung.
Aus Sicht des Naturschutzes ist es daher völlig unverständlich, dass das Argument der Tötung von 20 Fischottern an den Teichen als Lösung verkauft wird, um die Verluste an Fischen in den Waldviertler Teichen dauerhaft zu senken.

Ein Erfolg in Sachen Artenschutz: die Rückkehr des Fischotters (WWF / Canon_Sanchez & Lope)

Ungeschützte Teiche werden für Otter immer ein Magnet sein, weil sie ein reichhaltiges Buffet darstellen! Will man also verhindern, dass sich Fischotter an den Teichen bedienen, muss man entweder den Fischotter im gesamten Waldviertel ausrotten oder man zäunt die Teiche ein.

Aus Sicht des WWF ist der Abschuss von Fischottern daher nur eine populistische Maßnahme aber keine ersthafte Lösung. Viel wichtiger wäre es ausreichende finanzielle Ressourcen für die Schadensprävention und Verbesserung von Abwehrmaßnahmen an Fischteichen zur Verfügung zu stellen. Kleine Teiche müssen also otterdicht eingezäunt werden und dort wo es kurzfristig nicht möglich ist, müssen Schäden am Fischbestand besser entschädigt werden. Hier wäre es langfristig aber wichtig, an innovativen Lösungen zu arbeiten, damit Fischotter nicht dauerhaft künstlich gefüttert werden.

An der Spitze der Nahrungskette hatte der Europäische Fischotter (Lutra lutra) auch früher keine natürlichen Feinde. Der Bestand reguliert sich selbst. (Foto: M.Boulton / 4nature)

Wir erwarten uns daher von Teichbesitzern die Bereitschaft Maßnahmen zu treffen, um ihre Fische zu schützen. Genauso erwarten wir ja auch, dass Schafhalter ihre Schafe vor Übergriffen durch Wölfe schützen und wollen nicht, dass Wölfe zum Abschuss freigegeben werden. Die Verpflichtung zum Schutz besteht schon seit dem Jahr 2005. Paragraph 19 des Österreichischen Tierschutzgesetzes besagt, dass Tiere, die vorübergehend oder dauernd nicht in Unterkünften untergebracht sind, soweit erforderlich vor widrigen Witterungsbedingungen und soweit möglich vor Raubtieren und sonstigen Gefahren für ihr Wohlbefinden zu schützen sind. Das zeigt, dass die Fischteichbesitzer jetzt schon die Verpflichtung haben Präventionsmaßnahmen zu setzen.

Ad personam:
Christian Pichler ist Artenschutz-Experte beim WWF Österreich und als solcher einer der wichtigsten Fürsprecher für u.a. Wolf, Luchs, Braunbär und Fischotter. Mit dem WWF hat er die Petition „Nein zum Fischotter-Mord in Niederösterreich!“ gestartet.


Weiterlesen? Hier geht’s zum Gastkommentar von Demeter-Fischzüchter Marc Mößmer, der sich behutsame „Entnahmen“ vorstellen kann.

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