Festivals umweltverträglich gestalten

Mülltrennung-am-Festival

Bild: Partycipation 2014

Ob Donauinselfest, Nova Rock oder Electric Love, nicht nur die Jugend frönt gerne der Festivalkultur. Sind Festivals ökologisch gestaltbar?

Sebastian Theissing, aus dem Organisationsteam des Partycipation Festivals, das von 20. bis 27. Juli 2014 in Gänserndorf am Gelände des Co-housing Wohnprojekts Lebensraum stattfindet, dazu im Gespräch.

BIORAMA: Typisch Festival heißt viel und laute Musik, überhöhter Alkoholkonsum oder andere berauschende Substanzen und am Ende bleibt im schlimmsten Fall ein vollkommen zerstörtes Stück Gelände zurück, ganz abgesehen von den Unmengen an Müll, die dabei produziert werden. Kann ein Festival denn überhaupt ökologisch unbedenklich sein?

Sebastian Theissing: Ja, kann es! Zuerst ist natürlich schon einmal klar, dass fast alle menschlichen Aktivitäten ein gewisses Maß an Umwelteinflüssen erzeugen. Jedes Produkt, jede Reise, sogar einfach nur existieren und atmen beeinflusst das natürliche System um uns herum. Man kann aber dafür sorgen, dass dieser Impact in einem Bereich bleibt, in dem wir die Natur nicht überbelasten. Das ist dem Organisationsteam und mir ein sehr großes Anliegen und daher halten wir durch eine Reihe von Maßnahmen unseren Festival-Fußabdruck so gering wie möglich. Um nur einige zu nennen: genügend und gut auffindbare Müllinseln mit Trennanleitung, Aschenbecher und Taschen-Aschenbecher, sodass keine Zigaretten-Stummel am Boden landen, Bewusstseinsbildung zu Umweltthemen vor Ort, Bereitstellung von gratis Trinkwasser jeder Zeit, sodass niemand mit PET-Flaschen anreisen muss und ausschließliches regionales Bio-Essen. Apropos Essen: Fleisch gibt es bei uns keines, da uns auch hier die negativen Umweltauswirkungen zu stark, bzw. die üblichen Produktionsbedingungen zu schlecht sind.

Wohnwagon und Tipi

Am Gelände des Partycipation Festivals.

Das Partycipation ist eines der Festivals, das versucht, einen anderen Weg einzuschlagen. Was ist am Partycipation Festival anders? Was macht es besonders?

Das Partycipation versteht sich als soziales Experiment, bei dem Menschen zusammen kommen, um voneinander zu lernen und miteinander Spaß zu haben. Menschen sollen hier auch ermutigt werden selber die Initiative zu ergreifen und mit dem, was sie begeistert, zu einer bessern Welt beizutragen. Ein ganz wichtiger Aspekt am Partycipation ist, dass das Oraganisations-Team zwar ganz viel tolles und buntes Programm organisiert, aber den Besucherinnen und Besuchern auch von Anfang an viele Freiräume geboten werden sich selbst einzubringen. So entstehen immer wieder ganz unerwartete und wunderschöne Workshops, Kunstwerke und Aktivitäten ganz von selber aus der Gruppe heraus. Dieses Jahr haben sich z.B. schon spontane Jodel-, Tai Chi- und Jogginggruppen gebildet, und wir sind schon gespannt, was in der restliche Woche noch so alles passiert.

Solarkocher, Ourdoor-Küche und Elektrotipi

Solar-Kocher, Outdoor-Küche und das Elektro-Tipi.

Hügelbühne, Electro-Tipi und Waldbühne – worauf können sich die Besucherinnen und Besucher freuen? Welche Musik erwartet uns dort?

Das Musikprogramm ist bunt gemischt, da unser Fokus ja nicht auf einer bestimmten Musikrichtung sondern eher auf Themen, wie Nachhaltigkeit, Empowerment und Partizipation liegt. Da ist von Beatboxing mit Fii bis Trommelei mit Maracatu Renascante, von weinerlich widerlichen Wienerliedern von Zuckergoscherl bis zu den Swing it DJs Ticket 2T Universe und Tony Maroni, von dem musikalischen Kabarett-Duo Zwa Voitrottln bis hin zu den Mestiza-Klängen und kritischen Texten von La Masutra alles dabei. Außerdem gibt es natürlich jede Menge Workshops, Spiele, Lagerfeuer mit akustischen Spontandarbietungen, Künstlerinnen und Künstler, die am Gelände im Rahmen der Ateliers im Freien arbeiten und und und …

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Musikgenuss am Partycipation 2011. Bild: Anna Frey

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Gudrun von Laxenburg 2011. Bild: Anna Frey

Es ist ein Festival zum Mitmachen. Was erwartet die Workshop-Teilnehmer und Teilnehmerinnen?

Viel! Workshops gibt es dieses Jahr zu Themen wie Selbstversorgung, politisches Theater, Upcycling, „Ein Leben leben, das ich will“, direkter Aktionismus und „Hack your Education“. Außerdem gibt es noch unzählige Miniworkshops wie z.B. Weidenflechten, Naturkosmetik selber machen oder Tuchakrobatik. Es gibt eine Lederwerkstatt, Theaterspiele, Riesenseifenblasen und noch viel mehr.

Hack-your-education-workshop

Hack your Education Workshop: Bildung selbst gestalten.

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Korbflechten mit Luc Bouriel

 Neben Living Books, also Menschen, die man „ausleihen“ kann, um von ihnen Teile ihrer Lebensgeschichte zu erfahren, der Trashbar, eurem Mülltrenn- und Upcycling-System und einem Marktplatz gibt es auch Humustoiletten und einen besonderen Umgang mit der Rauschkultur.

Humusklos verschmutzen kein Trinkwasser, keine Seen, keine Flüsse und keine Erde, sondern produzieren ein kostbares Endprodukt. Humusklos sind gelebter Umweltschutz! Deswegen haben wir am Gelände geruchsarme Humusklos errichtet.

Um den liebevollen Umgang mit dem eigenen Körper zu fördern, wird Teilnehmenden Rausch- und Risikokompetenz vermittelt. Michael Guzei, professioneller Rausch- und Risikopädagoge, wird mit spielerischen Ansätzen das Thema Rausch reflektieren und den Weg zu verschiedensten Räuschen, wie Kreativ-Rausch, Tanzrausch oder dem Rausch der Begegnung weisen, sodass niemand rein auf Substanzräusche angewiesen ist, um bei unserem Festival ekstatisch zu feiern.

Wie kamt ihr auf die Idee das Partyzipation Festival ins Leben zu rufen?

Die Idee war Party bzw. Festival und Sinn zu verbinden. Es sollt Spaß machen, aber eben auch ein Beitrag für eine bessere Zukunft sein. Vor allem sollen Menschen mit dem Selbstvertrauen aus dem Festival kommen, dass sie es selber in der Hand haben etwas zu ändern. Die erste Ausgabe, 2008, war noch sehr überschaubar, nur zwei Tage lang, chaotisch und ist mit unglaublich geringen Ressourcen und quasi ohne Budget über die Bühne gegangen. Aber seit dem ist viel passiert, wir haben viel dazugelernt, sind gewachsen und professioneller geworden. 2014 findet nun schon die sechste Ausgabe statt, sieben Tage lang und mit maximal bis zu 500 Leuten auf einmal. Aber die Grundidee ist und bleibt dieselbe.

War es einfach umzusetzen? Wie lange arbeitet ihr denn an der Organisation?

Begonnen hat die Organisation für dieses Jahr im Herbst 2013. Insgesamt hat uns das Projekt Partycipation 2014 also gut zehn Monate durch unser Leben begleitet. Gut 90 Prozent der Organisation passiert ehrenamtlich. Das heißt wir haben im Team mehrere tausend Stunden unbezahlter Arbeit in unsere Freizeit geleistet um diesen gemeinsamen Traum eines guten, schönen und ökologischen Festivals zu verwirklichen. Da gibt es natürlich schon Tage wo Mensch auch mal an seine Grenzen stößt. Außerdem ist unser Budget, gemessen an den kommerziellen Festivals, natürlich winzig. Da ist schon viel Kreativität gefragt, um vieles auch ohne Kosten auf die Beine zu stellen. Aber es macht unglaublich Spaß, wenn man sieht, was alles möglich ist, wenn eine Gruppe von Leuten ein gemeinsames Ziel verfolgt und alle das einbringen was sie gut können.

alle-laufen_Foto credit-Anna Frey

www.partycipation.at
www.facebook.com/partycipationfestival

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