Sie leben!

Fermentierte (K)östlichkeiten.

Bild: Jürgen Schmücking.

Beim Thema Fermentation hatte Europa – und im Speziellen Deutschland und Österreich – einiges an Aufholbedarf. Die teils jahrtausendealte Tradition ist eher in anderen Teilen der Welt beheimatet. Aber wir haben aufgeholt. Und wie. Wir sprechen hier nicht von den Klassikern, die auch bei uns einiges an Geschichte vorweisen können. Also von Bier, Wein oder milchsauer vergorenen Essiggurkerln. Eher von Dingen, die wir von unseren Besuchen im Fernen Osten oder im Asia-Restaurant kennen. Hier wie dort haben sich findige Geister inspirieren lassen. Eine kleine Auswahl.

Kürbiskernmiso, Luvi Fermente

Hinter Luvi Fermente steckt eine Crew junger Leute, die sich auf eine permanente Suche nach neuen Geschmäckern machen. Diese Crew, das sind Fischzampano Lukas Nagl, Fermentationsfanatiker Viktor Gruber und Christine Brameshuber, die die Fäden in der Hand und alles zusammenhält. Fermentiert wird so gut wie alles (Mögliche): Fischreste aus dem Traunsee, Mohn aus dem Waldviertel, Gemüse aus der Nachbarschaft. Zum Beispiel dieses Biokürbiskernmiso aus gerösteten (steirischen, no na) Biokürbiskernen, Biogerstenkoji und Salz.

luvifermente.eu

Sanjay Bösch, bacteriosapiens

Wenn sich Sanjay Bösch vorstellt, erinnert das ein bisserl an das mit den Jedi-Rittern und den Medichlorianern bei Star Wars. Er spricht dann eigentlich von den vielen Mikroorganismen, die in ihm, diesem komischen sapiens, wohnen. Irgendwie eine wilde Vorstellung. Passt aber zu Sanjay und seinen Abenteuern im Bereich der Fermentation. In den Gläsern in seiner Werkstatt lebt und verändert sich alles. Vom ziemlich besten Kombucha, der in Österreichs Kellern vor sich hinblubbert, über Shoyu hin zum sensationellen Kimchi. Diesem hier.

bacteriosapiens.com

Bio-Natto, Farmento

Farmento hat schöne Gläser. UND: In einem dieser Gläser bekommt man österreichisches Bionatto. Das ist eine kleine Sensation, denn die Anbieter davon kann man an einer halben Hand abzählen. Natto sind vom bacillus subtilis natto zersetzte Sojabohnen, ziehen fürchterlich anmutende schleimige Fäden und gehören zur Grundausstattung der japanischen Küche. Man kann es mit rohem Ei mischen und hat das köstlichste exotische Frühstück, das man sich vorstellen kann.

farmento.at

Bio-Sojasauce, Hans Reisetbauer/Roland Trettl

Genau genommen sind Hans Reisetbauer und Roland Trettl das Gegenteil dessen, was sie mit ihrer Biosojasauce geschaffen haben. Beide sind keine leisen, subtilen Charaktere. Eher im Gegenteil. Der eine, Hans Reisetbauer, ist Schnapsbrenner und dabei einer der besten des Landes. Der andere, Trettl, war einer der besten Köche. Ist er wahrscheinlich immer noch, hat aber die Küche gegen die (TV-)Showbühne getauscht. Gemeinsam haben sie eine subtile, elegant-filigrane Biosojasauce entwickelt, die sich echt sehen lassen kann.

roland-trettl.com

Garum (aus der Schatzkammer)

Vor ein paar Jahren war ich in Südkorea. Auf dem Programm stand der Besuch einer Spezialistin für Fischsaucen. Weit im Süden des Landes, im Garten hinter ihrem Haus, hat sie ihre Leichen vergraben. Tonamphoren mit einem Fassungsvermögen von etwa 30 bis 50 Litern, randvoll mit verwesten und verwesenden Fischköpfen, Gräten und Sojaziegeln. Den Geruch bekommt man nicht mehr so schnell aus dem Kopf. Den Geschmack der fertigen Sauce aber auch nicht. In Österreich und Deutschland versuchen sich ein paar Freaks an Garum. Sobald sich eine Gelegenheit bietet, ein paar Tropfen habhaft zu werden: zuschlagen! Ohne Wenn und Aber. Zum Beispiel bei Luvi Fermente.

luvifermente.eu

BIORAMA #78

Dieser Artikel ist im BIORAMA #78 erschienen

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