Falsch reisen
Alle machen es, Martin Amanshauser schreibt außerdem darüber. Mit uns spricht der Reisejournalist über die Ups und Downs als Berufsreisender.
Seit 15 Jahren ist Martin Amanshauser beruflich ständig rund um den Globus unterwegs. Dass dabei nicht immer alles nach Plan verläuft, ist klar. In seinem Buch »Falsch reisen« hat er 100 Geschichten über die Mühen des Reisens zusammengetragen. Schonungslos ehrlich, aber genauso charmant und selbstironisch erzählt der Autor von landestypischen Phänomenen und skurrilen Begegnungen, reflektiert über das »Kurzzeitgefängnis« Flughafen und klärt über die Kapitalfehler beim Buchen auf. Statt vom Reisen abzuschrecken, machen Amanshausers Erzählungen regelrecht Lust darauf. Schließlich gäbe es ohne derartige Ausrutscher weder amüsante Anekdoten für die Zuhausegebliebenen noch ein Buch wie dieses.
BIORAMA: Es gibt zahlreiche Reiseführer mit Empfehlungen, wie wir auf Reisen am besten einkaufen, essen, wohnen, Orte erkunden sollen. Was ist das Reizvolle an einem Buch, das uns sagt, was wir dabei alles falsch machen?
Martin Amanshauser: Sagt es doch gar nicht. Das Buch handelt vor allem von meinen persönlichen Fehlern. Und jeder Fehler impliziert sein Gegenteil. Anders gesagt, wer meine Fehler kennt – und sich darüber in diesem Buch eventuell sogar amüsiert – zieht ja unwillkürlich einen Schluss für sich selbst. Ich befürchte, es ist mein lehrreichstes Buch geworden!
Würden Sie sagen, je mehr man reist, desto mehr ist man auch in der Lage, falsch zu machen? Oder werden die Fehler mit jeder Reise weniger?
Stimmt beides. Man könnte Reisen mit Tetris vergleichen, man spart sich einige Fehler und Blamagen, aber bald ist man auf dem nächsten Level, wo alles schneller wird. Ein Beispiel: Für einen Seltenflieger mag es in Ordnung sein, ein Flugzeugessen zu sich zu nehmen. Mal was anderes. Ich kenne aber keinen einzigen Vielflieger, der Flugzeugessen anrührt. Diese Chicken-oder-Beef-Rechnung geht auf Dauer einfach nicht auf.
Und wer reist Ihrer Meinung nach besser? Der, der sich penibel vorbereitet, oder jener, der alles auf sich zukommen lässt?
Wer sich zu genau vorbereitet, hat seine Reisen mit Theorien und Vorstellungen aufgeladen, egal ob sie nun interessant, richtig, zutreffend sind oder nicht. Insofern erleben Leute mehr, die alles auf sich zukommen lassen. Aber andererseits reist es sich als völlig Ahnungsloser schlecht. Man sollte schon ungefähr wissen, in welcher Welt man sich befindet. Das Interesse ist die Grundvoraussetzung – nicht das angelesene Wissen.
Der Entdeckungsdrang eines leidenschaftlich Reisenden und das fremdbestimmte inszenierte Programm einer Pressereise – prallen da nicht zwei Welten aufeinander?
Klar. Wenn ich Pressereisen mit Gruppen machen, wird mir definitionsgemäß fast alles von einem Land entgehen. Ich muss diese Problematik mitdenken, und das sickert logischerweise in meine Geschichte ein. Organisierte Fahrten haben auch Vorteile. Ich begegne Menschen, die ich sonst nicht getroffen hätte. Bei Gruppeneinladungen versuche ich natürlich, wo es möglich ist, meine eigenen Wege zu gehen. Die Kolleginnen und Kollegen halten mich oft für total verschroben. Aber ich mache das ja nicht, um sozial beliebt zu sein, ich will gute Geschichten schreiben.
Worauf verlasse ich mich am besten, wenn ich auf unterwegs möglichst viel richtig machen will? Von Guidebooks raten Sie im Buch ja eindeutig ab.
Auf den eigenen Forschergeist. Und dazu passt halt keine Stadtführung. Ich bin nicht gegen Guidebooks an sich, ich besitze selbst sehr viele, vor allem für Kurzaufenthalte. Aber man kann einen Ort nur entdecken, wenn man selbst auf die Reise geht. Ich will doch nicht in einem Lokal sitzen, wo auf jedem Tisch der »Lonely Planet« liegt. Und mit einer Gruppe durchs Nationalmuseum schlendern – das möchte ja in Wirklichkeit auch niemand.
Was machen Sie grundlegend anders, wenn Sie privat und nicht beruflich verreisen?
Ich nehme billige Hotels, meistens buche ich aber etwas über Airbnb, ich wohne viel lieber in wirklichen Wohnungen. Ich gehe privat auch nie in Top-Restaurants und ich meide fast jede Sehenswürdigkeit, außer, ich wollte sie schon längst sehen. Ich betrete Museen nur in Ausnahmefällen.
Kennen Sie als Berufsreisender überhaupt noch Fernweh oder überwiegt das Heimweh?
Fernweh nein, und Heimweh hab ich auch kaum. Eine gewisse Verzweiflung überkommt mich aber schon, wenn ich wieder einmal frühmorgens zum Flughafen Schwechat fahre. Wieso so früh? Wieso jetzt? Wieso alleine? Wieso wieder ich? Aber spätestens am Ziel gibt sich das. Ich bin immer noch neugierig. Naja, wenn ich genauer darüber nachdenke, habe ich doch Fernweh, ich will einfach überall hin. Ich sehne mich nach etwas Unbestimmtem, das wohl nirgends zu finden ist.
Gibt es eine narrensichere Destination, bei der man als Reisender so gut wie gar nichts falsch machen kann?
Hongkong. Asien ist der leichteste Kontinent. Und Österreicher fühlen sich in Neuseeland wohl, das ist ein kollektiver Erfahrungswert. Ich kenne in unserem Land niemanden, der enttäuscht war von Neuseeland.
AD PERSONAM
Martin Amanshauser, geboren 1968 in Salzburg, lebt in Wien und Berlin. Er ist Autor, Übersetzer aus dem Portugiesischen und Reisejournalist, u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er ist ständig unterwegs, schreibt dazwischen aber Romane und Sachbücher und jeden Freitag die Reisekolumne »Amanshausers Welt« in der Tageszeitung »Die Presse«. Bücher u.a.: »Alles klappt nie«, Roman, 2005; »Logbuch Welt. 52 Reisegeschichten«, 2007; »Viel Genuss für wenig Geld«, 2009. »Falsch reisen« ist im Picus Verlag erschienen.