Fairdreht – mit dem Markt gegen den Markt

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BILD Fairtrade Österreich

Dem Kirchengruppen- und Pfarrcafé-Dasein ist der faire Handel mittlerweile entwachsen. Die der Idee innewohnende Spannung, über den Markt dessen Auswirkungen bekämpfen zu wollen, ist aber geblieben.

»Fairer Handel hat als subversive Idee angefangen: Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen, wie zum Beispiel bei Nicaragua-Kaffee, und die Forderung nach gerechten Weltmarktstrukturen«, erklärt Oliver Pye, Südostasienforscher an der Universität Bonn. Bricht diese enge Bindung an sozialen Bewegungen weg, dann werde fairer Handel vorwiegend zu einer »professionellen Vermarktungsstrategie«, die hierzulande nicht mehr primär an politischer Aktion, sondern an entpolitisierten Kaufentscheidungen anknüpft.

Die Nachfrage nach einem Konsum mit gutem Gewissen wächst. Mit dieser auch Fairtrade, eine der ersten und größten Organisationen in diesem Bereich, die überdies ihr 20-jähriges Jubiläum in Österreich feiert. »Knapp 1.000 Kleinbauernkooperativen und Plantagen arbeiten weltweit unter den Fairtrade-Standards. Das sind rund 7,5 Millionen Menschen in 66 Ländern, die vom fairen Handel profitieren«, führt Veronika Polster, Pressesprecherin von Fairtrade Österreich, aus. Der weltweite Gesamtumsatz liegt mittlerweile über fünf Milliarden Euro.

Rohstoffexport aus dem Süden

»Mehr Wertschöpfung im Süden zu schaffen, ist nach wie vor erklärtes Ziel des Fairen Handels«, sagt Antje Edler, Geschäftsführerin Forum Fairer Handel. Der Export landwirtschaftlicher Rohstoffe – es gibt Ausnahmen wie pakistanische Fairtrade-Sportbälle – ist aber vorherrschend. Ein Gros der Veredelung und damit der Wertschöpfung findet in den Absatzmärkten statt. Gegen eine Weiterverarbeitung im Süden sprechen oftmals praktische Hindernisse oder geringe Rentabilität, vor allem aber auch protektionistische Strategien in den Importländern. »Vielen Produzentengruppen bleibt nichts anderes übrig, als Rohstoffe zu exportieren, wenn sie überhaupt den Markteintritt in den Industrieländern schaffen wollen«, resümiert Veronika Polster. Zölle auf Rohstoffe sind meist gering, für weiterverarbeitete Produkte dagegen ungleich höher. Zusätzlich stützen die Industriestaaten ihre eigene Agrarproduktion mit riesigen Summen: die EU-Agrarsubventionen betragen beinah das Neunfache des weltweiten Fairtrade-Umsatzes.

Fairdreht - mit dem Markt gegen dem Markt

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Mehr Markt, weniger fair?

Nicht nur der Protektionismus der Industriestaaten gibt Anlass zur Kritik. »Dass Lidl und Dole auch Fair-Produkte führen und verkaufen, ist eine Perversion des fairen Handels. Strukturelle Ausbeutung wird damit fortgeführt und mit dem Label dann noch legitimiert«, kommentiert Oliver Pye die Fairtrade-Kooperation mit Konzernen. Dole würde nun neben der klassischen »Ausbeutungsbanane« auch fair gehandelte vertreiben. Auch bei Lidl liegen die Dinge ähnlich: Folgt man der Gewerkschaft Verdi, dürfte der Diskonter selbst nie ein solches Zertifikat erhalten. Lidl ist für seine Anti-Gewerkschafts-Politik bekannt – mit Fairtrade-Statuten zwar unvereinbar, aber dennoch unerheblich: Es werden Produkte und nicht Unternehmen zertifiziert. Die Zusammenarbeit mit Konzernen öffnet zwar größere Märkte, bindet den Fairen Handel aber auch stärker an eine Logik, deren Auswirkungen man eigentlich bekämpfen will.

So sorgt auch die Möglichkeit eines Zertifikaterwerbs durch Plantagen für Bedenken. Dazu habe man sich entschieden, so Verena Polster, »um die problematischen Produktionsbedingungen in diesem Bereich zu verbessern und dem Bedürfnis von Millionen von Landarbeitern nach besseren Lebensbedingungen gerecht werden zu können.« Kaffee- und Kakaoanbau bleibt aber auf Kooperativen beschränkt. Der Markt könne ein Mehrangebot durch Plantagen-Produktion nicht aufnehmen. Das würde ansonsten zu einer Schwächung der Stellung von Kleinbauern führen. Die Studien von Maria Tech, Soziologin an der Ruhr-Universität Bochum, zur Roiboos-Teeproduktion in Südafrika zeigen, dass das in Sektoren mit paralleler Kooperativen- und Plantagen-Produktion eine reale Gefahr ist.

Organisation als Gegenmacht

Die Stärke von Fairtrade liegt vielleicht gerade in jenen Aspekten, die weiter von der Marktlogik entfernt sind oder ihr entgegenlaufen. Durch den Fairtrade-Preis werden Zwischenhändler ausgeschaltet, die Schwankungen des Weltmarkts abgeschwächt und Projekte finanziert, die ganzen Communities zugute kommen. Antje Edler hebt aber auch  die Rolle der Organisation der Bauern als zentrales Entwicklungsinstrument im Sinne eines »Empowerment« hervor. Die Anregung zur Selbstorganisation der Produzierenden ist für Sebastian Nessel, Soziologe an der Universität Graz, der wertvollste Beitrag zu gerechteren Verhältnissen. Damit wird nicht nur die Marktmacht der Produzierenden gestärkt – es entstehen darüber hinaus neue Initiativen, Einkommens- und Absatzmöglichkeiten. Die Stabilisierung von Lebensverhältnissen sei aber nicht genug, um einer Fortschreibung bestehender Klassen- und Geschlechterverhältnisse entgegenzuwirken, so Nessel. Es brauche Perspektiven, schreibt Hanns Wienold, Soziologe an der Universität Münster, um eine Lebensform, die Menschen nicht freiwillig gewählt haben, zu überwinden. In Bezugnahme auf Marx erklärt er diesen Anspruch: »Klar war er darin, dass eine Welt nicht gerecht sein kann, in der einige ihr Leben lang Kaffee, zu welchem Preis auch immer, für andere produzieren.«

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