Weniger Fairness: „Der Boom hat die Biobranche stark verändert“

(Bild: Voelkel)

Der Verein Fairbio setzt sich für mehr Fairness in der Biobranche ein und verleiht zu diesem Zweck auch ein eigenes Gütesiegel. Die Vorsitzende des Vereins Karin Artzt-Steinbrink erklärt, weshalb Sie das für notwendig hält, weshalb anonyme Konzernstrukturen nicht zu Bio passen und für welche Unternehmen das Fairbio-Siegel infrage kommt. 

BIORAMA: Ist mangelnde Fairness in der Biobranche ein so großes Problem, wie in vielen anderen Branchen?

Karin Artzt-Steinbrink: „Der Boom in den vergangenen Jahren hat die Struktur in der Biobranche stark verändert. Konzerne investieren in die Biobranche und übernehmen kleinere Verarbeiter. Auch auf Handelsseite dominieren inzwischen national aufgestellte Filialisten. Bio wird dabei zunehmend auf die reine Produktqualität reduziert. Die ursprünglichen Werte und das langjährige Engagement der Akteure für eine Veränderung des Wirtschaftssystems treten in den Hintergrund. Wir haben das FairBio-Label entwickelt, um den Begriff Fairness für heimische Bio-Lebensmittel stärker ins Bewusstsein von Erzeugern, Händlern, Verarbeitern und Verbrauchern zu rücken. Mit unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Verarbeitern unterscheiden wir uns deutlich von anderen Anbietern.“

BIORAMA: Für welche Qualitäten steht FairBio?

Karin Artzt-Steinbrink: „Alle unsere Mitgliedsunternehmen sind zu 100 Prozent Bio, denen faire Preise für Erzeuger und langfristige Verträge ein wichtiges Anliegen sind. Wir machen unseren Warenbezug transparent. Die Kunden können sich beim FairBio-Unternehmen darüber informieren, woher und von wem die Rohstoffe bezogen werden. Die FairBio-Mitglieder orientieren sich außerdem an dem Ansatz der Gemeinwohlökonomie, die eine maximale Lohnspreizung zwischen der niedrigsten und höchsten Lohnstufe benennt. Der Einsatz von permanenten Leiharbeitern ist ausgeschlossen und der Bezug von Ökostrom ist selbstverständlich. Soweit es möglich ist, erzeugen die Unternehmen ihren Strom selbst.“

Karin Artzt-Steinbrink, Foto: FairBio e.V.

BIORAMA: Wer kann das Siegel tragen?

Karin Artzt-Steinbrink: „Unsere Mitglieder sind unabhängige Unternehmen, in denen die Entscheidungen von Inhabern, Gesellschaftern oder Genossen getroffen werden. Zu uns passen keine anonymen Konzernstrukturen. Wir sind mittelständische Biounternehmen, die sich in sozialen Projekten engagieren, die für einen aktiven Umweltschutz stehen und für die regionales Wirtschaften kein Fremdwort ist. Das FairBio-Siegel können alle Mitgliedsunternehmen verwenden, die erfolgreich zertifiziert sind.“

BIORAMA: Wie werden die FairBio-Kriterien überprüft?

Karin Artzt-Steinbrink: „Die Einhaltung unserer Richtlinien wird durch die Gesellschaft für Ressourcenschutz geprüft und zertifiziert. Ähnlich der Bio-Kontrolle, der jeder in der Biobranche unterliegt. Die Lieferanten eines Unternehmens werden über ein anstehendes FairBio-Audit informiert und haben über unsere Webseite dann die Möglichkeit, eine Stellungnahme bei der Kontrollstelle abzugeben. Eine solche Bewertungsmöglichkeit ist ein Novum in der Branche.“

So sieht das Fairness-Siegel aus.

BIORAMA: Warum ist Herzblut so wichtig? Wie lässt sich Bio emotionaler vermitteln?

Karin Artzt-Steinbrink: „Hinter dem FairBio-Konzept steht einfach mehr als die reine Produktqualität. Faire Lieferbeziehungen, transparente Firmenstrukturen und der Wunsch, eine bäuerliche Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zukunftsfähig zu gestalten, sind unser gemeinsames Fundament. Wir wollen Lebensmittel herstellen, die gut sind für Menschen, Umwelt und Tiere. Bio ist eben nicht gleich Bio. Da wir mit den Werbebudgets großer Konzerne nicht mithalten können, setzen wir auf Authentizität. Hinter unseren Produkten stehen Menschen, die Bio seit Jahrzehnten mit Herzblut betreiben. Sie sind die glaubwürdigsten Botschafter, um das Konzept Bio emotional zu vermitteln. Alle zusammen bilden wir eine Wertegemeinschaft, die unter dem Markendach FairBio das breitgefächerte Engagement der Mitglieder öffentlich sichtbar machen will. Wir wollen gemeinsam kommunizieren, warum wir als Öko-Mittelstand anders sind.“

 

 

 

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