Kiwi, Feige, Knoblauch – Unerwartetes aus der Region
In Österreich wächst inzwischen viel Essbares, das man vor allem als importiere Ware kennengelernt hat. Dafür sorgen gestiegene Nachfrage und Agrar-PionierInnen.
Goji Beeren. Kiwis. Feigen. Knoblauch. Safran. Soja. Reis. Verknüpfen Sie diese sieben Lebensmittel mit Regionalität? Wohl kaum. In unseren Breitengraden denken wir dabei vielmehr an lange Transportwege. Doch auch wer regional konsumieren möchte, muss nicht auf die vermeintlichen Exoten verzichten.
Gojibeere
Die Chinesische Wolfsbeere, oder auch gemeiner Bocksdorn, wächst vor allem in China, der Mongolei und Osteuropa. Der Anbau in Mitteleuropa ist unüblich. Seit einigen Jahren wird die Goji Beere als Superfood und Anti-Aging-Quelle gehyped. Manche Ernährungswissenschaftler sind der Ansicht, viele Goji Beeren, die wir bei uns im Supermarkt finden, seien voll von Pestiziden oder Fälschungen. Man solle immer sicher gehen, dass die Beeren als Lycium Barbarum gekennzeichnet sind, denn nur diese Sorte sei echt und wirklich gesund. Familie Hummel vom Biobeerengarten in Niederösterreich hat den Versuch gestartet, regionale, biologisch angebaute Lycium Barbarum auf den österreichischen Lebensmittelmarkt zu bringen. Mit Erfolg. Sie baut nun schon seit einigen Jahren neben vielen anderen Beeren auch Gojis an, als einziger Betrieb in Österreich! Jede Beere wird einzeln und händisch geerntet und ist frei von Giften. Die Gojis der Familie Hummel gibt es in der Saison (August-Oktober) frisch in ausgewählten Feinkostläden in Wien, in Adamahs Biokistl und im Hofladen in Loosdorf zu kaufen. Verarbeitet gibt es auch Gojilikör und Gojis eingelegt in Honig.
Kiwi
Auch die Chinesische Stachelbeere stammt ursprünglich aus Ostasien und wurde um etwa 1900 nach Neuseeland eingeführt, woher sie auch heute meist kommt, wenn wir sie in unseren Supermarktregalen sehen. Mini-Kiwi Sträucher erspäht man immer wieder in heimischen Gärten, doch die Kaufmöglichkeiten von regionalen Kiwis waren bis vor einigen Jahren praktisch nicht vorhanden. Ebenfalls im Garten von Familie Hummel zu finden ist die Weinviertler Mini-Kiwi, die nur ca. 2-5 cm groß wird und sich dadurch, aber auch wegen ihrer glatten, anstatt wie gewohnt stacheligen Schale von der Neuseeland Kiwi unterscheidet. Doch nicht nur in Niederösterreich sind die Beerenfrüchte zu finden, auch in Garsten in Oberösterreich etwa werden sie im Beerengarten Fuxengut angebaut. Die Marke Ja! Natürlich bringt in der Südost-Steiermark biologisch angebaute Mini-Kiwis in etwas größerem Stil in die österreichischen Supermarktregale, die je nach Erntezeit von Ende September bis Mitte Oktober im Handel erhältlich sind. Wer die größeren Kiwis lieber hat, sollte die naturrein gewachsenen Bio-Kiwis vom Ursteirerhof aus der Steiermark probieren!
Feige
Zahlreiche HobbygärtnerInnen in Österreich sind wohl schon am Anbau der süßen, lilafarbenen Früchte gescheitert, weil diesen unser Land in vielen Gebieten zu kalt und windig ist und sie wärmere Regionen vorziehen. Doch der Feigenanbau in Österreich ist durchaus möglich, auch ohne mediterran-tropische Temperaturen! Am besten gedeihen die Früchte an einer geschützten warmen Südwand oder natürlich im Gewächshaus. Wer beides nicht bei der Hand hat, kann die Pflanzen auch im Topf ziehen, der im Sommer am besten an einem sonnigen Plätzchen am Balkon und im Winter in der Garage steht. Die Pflanzen vertragen durchaus kühle Temperaturen, sollten aber keinem Dauerfrost ausgesetzt sein. Wichtig bei der ganzen Sache ist auch die Erde in der der Feigenbaum steht. Diese sollte nahrhaft und humos sein und man sollte sich im Vorhinein genügend mit der nötigen Bewässerung auseinandersetzen. Wer kein sonniges Plätzchen zur Verfügung hat oder sich den Aufwand nicht antun will, kann die Feigenfrüchte aber auch regional aus der Umgebung kaufen! Zum Beispiel am Bio Feigenhof in Wien Simmering, der neben 25 verschiedenen Feigensorten und Feigenpflänzchen auch noch eine Vielfalt an anderen Dingen wie Kräuter und Bio-Frischgemüse anbietet und immer einen Besuch wert ist.
Knoblauch
Knoblauch ist neben der Zwiebel in vielen österreichischen Gemüsegärten zu finden. Doch auch wenn der Knoblauchanbau in unserer Klimazone keine große Herausforderung darstellt, stammten bis vor Kurzem fast alle Knollen, die es in unseren Läden zu kaufen gab, aus China. Das lag vor allem am Preis. Billigimporte verdrängten den heimischen Knoblauch aus der österreichischen Landwirtschaft. Die meisten Bauern konnten preistechnisch einfach nicht mehr mithalten und mussten den Anbau aufgeben. Der Großteil des Knoblauchs in unseren Supermärkten stammt zwar nach wie vor aus Asien, das steigende Bewusstsein für nachhaltige Ernährung und Regionalität der KonsumentInnen hat jedoch dafür gesorgt, dass mittlerweile in nahezu allen Geschäften Bio-Knoblauch aus Österreich zu finden ist, in Bio-Läden sogar fast ausschließlich!
Safran
Ähnlich wie beim Knoblauch verhält es sich auch mit dem teuersten Gewürz der Welt, denn die roten Fäden, die händisch und einzeln aus den Blüten der Krokuspflanzen gezupft werden, haben ebenfalls eine lange Anbautradition in Österreich, die jedoch vor über 100 Jahren geendet hat. Von ca. 1350 an war die Gegend um Krems in Niederösterreich eine der bedeutendsten Anbauregionen von Safran in Europa. Im Jahr 1776 wurden am Kremser Markt 4500 Kilo Safran gehandelt. Aufgrund seiner hervorragenden Qualität war der niederösterreichische Safran unter dem Namen Crocus austriacus als der beste in Europa erhältliche Safran bekannt. Diese Tradition endete vor über einem Jahrhundert und bis vor einigen Jahren wurde Safran meist aus dem Iran, Spanien, Indien oder dem europäischen Mittelmeerraum importiert. Seit 2007 baut der Ökologe Bernhard Kaar, passionierter Botaniker und Pionier auf dem Gebiet der Wiederbelebung des niederösterreichischen Safrananbaus, wieder rotes Gold an. Auf Steinterassen, die früher dem Weinanbau dienten, wachsen auf über 2500 Quadratmetern etwa 300.000 Pflanzen. Geerntet werden daraus nur ein bis zwei Kilogramm Safran jährlich. Was sich zunächst nicht nach viel anhört, ist jedoch im Hinblick darauf, dass man für ein Kilo ca. 600.000 Safranfäden benötigt, eine ganze Menge.
Soja
Die Sojabohne zählt in Ostasien seit Jahrtausenden neben Reis, Gerste, Hirse und Weizen zu den fünf heiligen Körnern. Viele sehen Sojaprodukte als wichtige Eiweißlieferanten, andere hingegen verbinden den Anbau mit abgeholzten Regenwäldern und importiertem, genmanipuliertem Tierfutter für Massentierhaltung. In Österreich wird auf rund 25.000 Hektar herkömmlicher Soja angebaut und es ist damit das drittbedeutendste Anbauland in der EU. Die Jahresproduktion liegt bei 120.000 Tonnen, wovon mehr als die Hälfte in die Lebensmittelindustrie wandert. Doch der Bedarf an Soja ist weitaus größer und so werden zusätzlich jährlich rund 650.000 Tonnen Sojaschrot und Sojabohnen hauptsächlich aus Argentinien, Brasilien und den USA importiert. Das wird sich wahrscheinlich nicht so bald ändern, aber es ist durchaus möglich, Sojaprodukte mit Bio-Zertifizierung aus regionaler Erzeugung zu kaufen. In allen Supermärkten werden mittlerweile Sojaprodukte angeboten, fast alle aus biologischer Erzeugung, hergestellt in Österreich oder Deutschland. Damit wird jedoch leider oft darüber hinweggetäuscht, dass das Soja selbst nicht in Österreich angebaut wurde. Wer allerdings wert auf Soja aus der Region legt, kann ihn finden.
Reis
Das wohl am schwierigsten regional anzubauende Lebensmittel auf dieser Liste ist der Reis, da er normalerweise in Regionen mit hoher Luftfeuchtigkeit und monatelang anhaltender Regenzeit kultiviert wird. Doch bekanntlich ist nichts unmöglich und deshalb hat Bio-Bauer Erwin Unger, gemeinsam mit seinem „Nachbarn“, Bio-Bauer Erich Leyrer nicht locker gelassen. Die beiden haben vier Jahre im wahrsten Sinne des Wortes Feldforschung betrieben, um optimale landwirtschaftliche Voraussetzungen für den Reisanbau zu schaffen. Sie erkoren die Nationalparkregion Neusiedler See-Seewinkel zum Anbaugebiet, vereinten sich mit der Bio-Marke Ja! Natürlich und seit heuer steht der österreichische Reis in den Regalen. 2015 bebaute das Bauern-Duo eine Fläche von etwa zwei Hektar mit zwei ursprünglich aus China stammenden Reissorten – das sind der „Schwarze Seewinkler“ und der „Rote Seewinkler“. Interessanterweise wurden die Reisfelder im Trockenanbau kultiviert, was Unger erklärt: „Der Reis muss natürlich ausreichend bewässert werden. Im Gegensatz zur Nasskultur werden bei meiner Kulturführung keine Fäulnisbakterien erzeugt, die dann große Mengen an Methangasen ausscheiden, was in Zeiten des Klimawandels sehr zu begrüßen ist.“
Nach vier Jahren des Ausprobierens konnte Unger im Herbst 2015 insgesamt etwa sechs Tonnen schwarzen und roten Reis einfahren. Ein Teil davon geht an Ja! Natürlich, den Rest verkauft der Biobauer ab Hof und beliefert ausgewählte Restaurants. Die raren Ja! Natürlich Packungen waren nach wenigen Tagen bereits ausverkauft! Herr Unger arbeitet unentwegt an der Expansion und Optimierung der Anbaubedingungen, denn das Angebot kommt der Nachfrage momentan noch nicht hinterher!
Was bedeutet Regionalität?
Was heißt regional? Unser Umgang mit Regionalität ist eine Geschichte voller Missverständnisse, gut gemeinter Fehleinschätzungen und gezielter Falschinformation. Wer sich beim Einkauf nicht ausschließlich vom Preis leiten lässt, achtet auf die Herkunft der gekauften Ware. Aber woran erkennt man die – und wie stark wirkt sich die Produktionsmethode, die Region und der Transport etwa auf die Klimabilanz eines Produkts aus?