Auf den Zahn gefühlt zur Europawahl

Bild: Europäische Union

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Fünf Jahre sind seit der letzten Europawahl vergangen, und es ist viel passiert: NSA-Skandal, Eurokrise, TTIP, neue EU-Klimaziele… Bevor wir nun alle am Sonntag erneut abstimmen, hat BIORAMA noch einmal die sieben erfolgreichsten Parteien bei der letzten Europawahl in Deutschland zu den prägendsten Themen befragt.

Anmerkung: Einige Statements wurden von uns gekürzt. Die Linke und die SPD haben uns bis zum Redaktionsschluss keine Statements zukommen lassen.

BIORAMA: Wie soll die EU künftig in den Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) auftreten? Was sind die größten Probleme bzw. Chancen des Abkommens aus der Sicht Ihrer Partei?

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir Grüne werden keinem Handelsabkommen zustimmen, das europäische Standards und Gesetze untergräbt. Wir mobilisieren für Transparenz im Verhandlungsprozess und die Verteidigung von Standards, für die auf der Straße und in den Parlamenten lange gekämpft wurde – vom europäischen VerbraucherInnen- und Umweltschutz bis hin zur Finanzmarktregulierung in den USA. Deshalb fordern wir Grüne die Aussetzung und einen kompletten Neustart der Verhandlungen zum Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, auf Basis eines transparenten Verfahrens.“

CDU: „Die Europäische Union sollte in den Verhandlungen selbstbewusst und zielorientiert auftreten. Ziel sollte es sein, das Abkommen abzuschließen. Denn Freihandel schafft Arbeitsplätze und Wohlstand. Experten, wie beispielsweise die Bertelsmann-Stiftung und das Münchener ifo-Institut, haben die positiven Effekte eines Freihandelsabkommens bestätigt. Das Freihandelsabkommen bietet so der EU und den USA die Chance, auch im 21. Jahrhundert globale Standards in vielen Bereichen zu setzen, z. B. bei Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz. Mit dem Freihandelsabkommen können wir unsere hohen Ansprüche zum Maßstab für spätere internationale Abkommen oder für ein globales System des Freihandels im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) machen, ohne die jeweiligen Standards aufweichen zu müssen. Eine Herausforderung wird es sein, die zahlreichen Skeptiker von den Vorteilen zu überzeugen und in zahlreichen Einzelfeldern – etwa beim Investitionsschutz – eine ausgewogene und sachgerechte Lösung zu finden. Die für dieses Thema nunmehr stattfindende Konsultationsphase kann dabei hilfreich sein.“

CSU: „Wir sind für das Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Damit entsteht ein neues Schwergewicht in der Weltwirtschaft und ein neuer Impulsgeber für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Wir wollen Verhandlungen auf Augenhöhe, mit beiderseitigem Respekt und in größtmöglicher Transparenz. Wir sind für mehr Information der Bevölkerung und für mehr Beteiligung der nationalen Parlamente. Aber klar ist: Unsere hohen europäischen Schutzniveaus sind nicht verhandelbar! Im Umweltschutz, im Verbraucherschutz, im Tierschutz, im Gesundheitsschutz, im Datenschutz, im Arbeitnehmerschutz darf es keine Absenkung unserer bewährten und hohen Standards durch das Freihandelsabkommen geben. Eine Lockerung unserer strikten Regeln etwa bei Gentechnik oder bei Hormonfleisch kommt nicht in Frage. Die kommunale Daseinsvorsorge muss auch im Freihandelsabkommen geschützt bleiben.“

FDP: „TTIP begründet den größten gemeinsamen Markt der Welt und bietet große Potenziale für Wachstum und Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks. Denn es werden Handelsschranken abgebaut und der Warenverkehr zwischen den Kontinenten erleichtert. Gerade für die krisengeschüttelten Länder der EU ergeben sich daraus immense Chancen auf neue Investitionen und eine Stärkung ihrer Wirtschaftskraft. Trotzdem müssen die Verhandlungen gewährleisten, dass Wirtschaftsstandards zwar harmonisiert werden, aber bestehende Umwelt- und Verbraucherregelungen in Europa geschützt bleiben. Des Weiteren muss sichergestellt werden, dass die Klauseln zum Investitionsschutz für Unternehmen klare Grenzen festschreiben: Schadensersatz kann jemandem nur zustehen, wenn tatsächlich ein Schaden vorliegt. Schutzklauseln für potenzielle Gewinne, die durch eine Investition hätten erzielt werden können, darf es hingegen nicht geben. Wir Liberalen setzen uns dafür ein, dass parallel zu TTIP über ein tragfähiges Datenschutzabkommen verhandelt wird.“

Freie Wähler: „Das transatlantische Freihandelsabkommen kann durchaus ein Stück weit dazu beitragen, unseren Europäischen Wirtschaftsraum zu stärken und unseren Wohlstand für die Zukunft zu sichern. Es steht jedoch auch viel auf dem Spiel: Wir kritisieren besonders die intransparenten Verhandlungen. Wir befürchten zudem eine Senkung unserer europäischen Standards in Bereichen wie dem Verbraucher- und Datenschutz sowie der Lebensmittelsicherheit. Außerdem kann das geplante Investitionsschutzabkommen uns Steuerzahlern teuer zu stehen kommen. Wir halten es für grundlegend falsch, unter demokratischen und rechtsstaatlich hoch entwickelten Staaten wie den EU-Mitgliedern und den USA auf Schiedsgerichte ausweichen zu müssen. Deshalb fordern wir den sofortigen Verhandlungsstopp.“

Bild: Demonstration gegen das TTIP in Brüssel Flickr.com/ greensefa - CC BY 2.0

Bild: Demonstration gegen das TTIP in Brüssel
Flickr.com/ greensefa – CC BY 2.0

BIORAMA: Die EU-Klimapolitik wird von vielen als zu wenig ambitioniert kritisiert. Wie steht Ihre Partei zu diesem Thema, wie könnte man hier weiter vorgehen?

Bündnis 90/Die Grünen: „Klimaschutz ist für uns nicht verhandelbar. Wir können unsere Kinder und Enkel nicht mit der Klimakatastrophe alleine lassen. Deshalb brauchen wir die EU als internationale Vorkämpferin für ambitionierten Klimaschutz. Das heißt konkret: CO²-Emission in zwei Stufen senken: bis 2020 um mindestens 30 Prozent und bis 2030 um mindestens 55 Prozent. Außerdem brauchen wir eine europäische Energiewende – hin zu sauberen Energien, weg von dreckiger Kohle und gefährlicher Atomkraft.“

CDU: „Die Europäische Union nimmt eine Vorreiterrolle in der weltweiten Klimaschutz- und Energiepolitik ein. Dies ist auch für die Zukunft unser Anspruch. Deshalb setzt sich die CDU dafür ein, dass die bestehenden Zielsetzungen in den Bereichen Treibhausgasreduktion, Steigerung der Energieeffizienz und Ausbau erneuerbarer Energien bis 2020 erreicht werden. Auch für die Zeit nach 2020 sind in diesen Bereichen ambitionierte Ziele erforderlich, für die wir nachdrücklich eintreten. Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von mindestens 40 Prozent bis 2030 halten wir für zielführend und realistisch.“

CSU: „Die Europäische Union nimmt eine Vorreiterrolle in der weltweiten Umwelt- und Klimaschutzpolitik ein. Mit den 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft vereinbarten Zielen hat sich die Europäische Union ambitionierte Ziele im Bereich Ressourcenverbrauch, Energieeffizienz und Reduktion der Treibhausgasemissionen gesetzt. An diesen anspruchsvollen Zielen muss Europa auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten festhalten.  Deswegen setzen wir uns für eine marktwirtschaftliche Weiterentwicklung des gemeinsamen europäischen Emissionshandelssystems als zentralen Baustein der europäischen Klimaschutzpolitik ein. Die Förderung der Entwicklung moderner international führender Umwelttechnologien muss wesentlicher Schwerpunkt der Umweltpolitik der EU für die kommenden Jahre sein.“

FDP: Kein Statement

Freie Wähler: „Die EU hat festgelegt, dass sie bis 2020 ihre Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern will. Da bereits bis zum Jahr 2011 eine Reduktion um 17 Prozent erreicht worden ist, muss das Klimaschutzziel der EU umgehend auf 30 Prozent angehoben werden, um noch irgendeine Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus wären ambitioniertere Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien dringend erforderlich. Die Kosten für schnelles Handeln beim Klimaschutz sind in jedem Fall niedriger als die zu erwartenden Schäden des Nichthandelns.“

BIORAMA: Welche Konsequenzen sind Ihrer Meinung nach auf EU-Ebene aus dem NSA-Skandal zu ziehen?

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir Grüne kämpfen für ein wirksames und modernes Datenschutzrecht in Europa und gegen die anlasslose Massenüberwachung durch Staaten und Geheimdienste. Als Antwort auf den NSA-Skandal fordern wir deshalb den Stopp der Übermittlung persönlicher Daten an US-Behörden und Dienste sowie die Aussetzung von EU-US-Datenaustauschabkommen wie Safe Harbor oder zu Bankdaten (SWIFT). Außerdem wollen wir Schutz für Edward Snowden in der EU, ohne dessen Mut dieser gigantische Skandal nicht öffentlich geworden wäre.“

CDU: „Wirksamer Datenschutz umfasst auch den Schutz vor dem Ausspähen durch fremde Nachrichtendienste. Angesichts der bekannt gewordenen Spionagepraktiken müssen wir verloren gegangenes Vertrauen in den Schutz personenbezogener Daten zurückgewinnen. Zu diesem Zweck wollen wir eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden der EU-Mitgliedstaaten erreichen. Wir fordern des Weiteren die rasche Einführung einer strafbewehrten Meldepflicht für Unternehmen, die Daten ihrer Kunden ohne deren Einwilligung an Behörden in Drittstaaten übermitteln. Wir brauchen eine bessere Durchsetzung europäischer Datenschutzstandards gegenüber Anbietern aus Drittstaaten. Wir wollen zudem gemeinsame neue transatlantische Datenschutzstandards vereinbaren, um personenbezogene Daten bei ihrer Übermittlung von Europa in die USA besser zu schützen. Deshalb ist es auch der richtige Weg, das sogenannte Safe-Harbor-Modell neu zu verhandeln.“

CSU: „Europa braucht eigene Fähigkeiten zum Schutz von IT-Infrastrukturen vor Kriminalität und Terrorismus, aber auch vor Ausspähung durch andere Staaten. Dafür muss in Europa eine eigene Sicherheitsindustrie aufgebaut werden. Über die Abwehr der Überwachung durch andere Staaten hinaus brauchen wir einen effektiven Datenschutz in Europa. Er muss die informationelle Selbstbestimmung der Menschen genauso schützen wie Unternehmen vor Industriespionage. Europa ist zum Schutz unserer Daten besonders gefordert. Kein Staat allein kann seinen Bürgern diese Schutzfunktion in der heutigen Welt noch garantieren. Der Datensammelwut, dem intransparenten Handel und dem profitgierigen Nutzen von Daten wollen wir Einhalt gebieten.“

FDP: „Unserer Meinung nach sind folgende konkrete Konsequenzen zu ziehen:

1. Internationale Abkommen mit den USA aussetzen: Wir fordern die Aussetzung internationaler Abkommen mit den USA, die den Transfer europäischer Daten beinhalten. Das schließt das PNR-Abkommen sowie das TFTP-Abkommen und im weiteren Sinne auch das Safe-Harbor-Abkommen mit ein.

2.TTIP an Datenschutzabkommen knüpfen: Ein Freihandelsabkommen ohne ein Datenschutzabkommen wird es mit uns Liberalen nicht geben.

3. Datenschutzgrundverordnung beschließen: Der NSA-Skandal hat uns gezeigt, dass der europäische Datenschutz international nur wirksam sein kann, wenn wir alle mit einer Stimme sprechen. Neben einer Klarstellung der Rechte der Bürger sieht die Verordnung scharfe Sanktionen für Datenverarbeiter vor, die diese Rechte missachten. Zudem wird festgestellt, dass diese Regeln für alle Unternehmen gelten – auch solche außerhalb der EU.

4. Größere Unabhängigkeit von den USA: Mittel- bis langfristig muss die Europäische Union unabhängiger im IT-Bereich werden. Europäischer Datenschutz kann ein Wettbewerbsvorteil sein. “

Freie Wähler: „Wir brauchen ein EU-weites gemeinsames Vorgehen mit gleichen Sicherheitsstandards, dazu die Entwicklung, Angebot und Bewerbung von eigener europäischer Hard- und Software sowie v.a. den Aufbau eigener Sicherheitssysteme. Wir benötigen ein Abkommen mit den USA über die Erhebung und Verwendung von Daten mit Sanktionsmechanismus, Vereinbarungen mit den USA, die den Vereinigten Staaten das Datensammeln erlauben, sollten gekündigt werden. Begleitend dazu sind eine verstärkte Sensibilisierung und Aufklärungsangebote an alle Bürger und Unternehmen nötig, mit ständigen Hinweisen auf die Notwendigkeit, geeignete Abwehrtechniken zu nutzen. Auch eine frühzeitige Medienerziehung in der Schule ist nötig.“

Bild: Grüne Abgeordnete im EP fordern Schutz für Snowden flickr.com/ greensefa - CC BY 2.0

Bild: Grüne Abgeordnete im EP fordern Schutz für Edward Snowden flickr.com/ greensefa – CC BY 2.0

BIORAMA: Nach der schweren Wirtschaftskrise der letzten Jahre, ist es Zeit für eine nachhaltigere Wirtschaft? Und wenn ja, welche Veränderungen würden Sie sich hier wünschen?

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir Grüne wollen einen Green New Deal, der gerade in den Staaten unter dem Euro-Rettungsschirm durch gezielte Investitionen die ökologische Modernisierung und die Energiewende voranbringt und so Zukunftsperspektiven schafft. Aktiver Klimaschutz ist das Fundament für eine zukunftsfähige Wirtschaft: Energie aus Sonne, Wind und Wasser, intelligente Stromnetze, sparsame Autos und eine Effizienzrevolution. Nachhaltige Produktion, die Arbeitsplätze sichert, gibt Europas kriselnder Wirtschaft eine Perspektive. In vielen Ländern sind dafür auch Reformen notwendig. Aber gleichzeitig brauchen die Länder, die Kredithilfe bekommen, einen Ausweg aus der Schuldenspirale und der hohen Arbeitslosigkeit. Genau das ist der Green New Deal.“

CDU: „Die CDU will, dass Europa auch künftig im globalen Wettbewerb eine führende Rolle spielt. Nur so ist vieles, was wir als Freiheiten, Sicherheiten und Wohlstand im Alltag genießen, auch in Zukunft möglich. In diesem Sinne will die CDU, dass die Euroländer in der Wirtschaftspolitik besser zusammenarbeiten. Wichtig ist es auch, dass wir nicht nur erfolgreich produzieren, sondern Produkte und Ideen auch schnell und sicher transportieren können. Wir wollen daher Verkehrsverbindungen und das schnelle Internet ausbauen. Wir wollen Europa durch gezielte Investitionen in Bildung und Forschung wettbewerbsfähiger machen. Gute Ideen und deren schnelle Umsetzung ermöglichen Wachstum und Arbeitsplätze. Mit Jugendgarantie, besserer Anerkennung von Bildungsabschlüssen und dem Export unseres Modells der dualen Ausbildung kämpfen wir gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa, insbesondere in den Krisenländern. Wir wollen weniger Bürokratie. Was in Stadt oder Land entschieden werden kann, soll auch dort entschieden werden. Wir wollen prüfen, wie kleine und mittlere Betriebe von EU-Regelungen ausgenommen werden können.“

CSU: „Wir wollen, dass Europa Zukunftstechnologien gemeinsam voranbringt. Das Projekt Airbus hat gezeigt, dass Europa bei wichtigen Schlüsselindustrien Weltklasse sein kann, wenn es zusammenhält. Das europäische Satellitensystem Galileo macht uns unabhängig in der Satelliten-Kommunikation. Unsere nächsten Anstrengungen müssen europäische Projekte der Informationstechnologie und der IT-Infrastruktur sein, die uns unabhängig machen und auf Augenhöhe zu den Anbietern in USA und Asien bringen. Europa soll sich außerdem noch intensiver dem Ausbau der Handelsbeziehungen mit Drittstaaten widmen. Dabei muss die Vertretung der europäischen Interessen im Fokus stehen. Der Schutz geistigen Eigentums, die Sicherheit unserer Rohstoffversorgung, die Einhaltung internationaler Standards bei der Güterproduktion oder die Vermittlung der Grundsätze Sozialer Marktwirtschaft sind in unserem Interesse und sollen die Handelspolitik der EU bestimmen.“

FDP: „Nachhaltigkeit bedeutet für die FDP, den nachkommenden Generationen eine Welt zu hinterlassen, die ihnen die gleichen Chancen und Möglichkeiten bietet wie der aktuellen Generation. Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass besonders die Staatsfinanzen unsere Aufmerksamkeit verdienen. Nachhaltig wirtschaften bedeutet Schulden abzubauen und keine Entscheidungen zu treffen, die zwar aktuelle Generationen entlasten, dafür aber zukünftige Generationen belasten. Die Senkung des Renteneintrittsalters durch die Große Koalition werden unsere Kinder und Enkelkinder bezahlen müssen und das vor dem Hintergrund immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter. Nachhaltigkeit bedeutet letztlich auch Fairness gegenüber denen, die nach uns kommen und sollte bei politischen Entscheidungen mehr berücksichtigt werden.“

Freie Wähler: „Wir stehen zu einem stabilen Euro und damit für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Die aktuelle unsolide Europapolitik gefährdet jedoch dieses Ziel. Wir stehen zu dem Grundsatz, den die europäischen Staats- und Regierungschefs in Maastricht vereinbarten: Jedes Land haftet für seine Schulden selbst. Wir machen uns für einen Euro stark, der wieder so attraktiv und solide werden muss, dass letztlich alle EU-Länder der Eurozone beitreten wollen. Vereinbarungen wie durch den ESM-Vertrag, die jenseits der Europäischen Verträge getroffen werden, um hier einzelne Bestimmungen außer Kraft zu setzen, lehnen wir ab.“

BIORAMA: Was kann nach Meinung Ihrer Partei getan werden, um die Wähler mehr für europäische Themen zu interessieren?

Bündnis 90/Die Grünen: „Demokratie lebt vom Mitmachen. Demokratie lebt aber auch davon, dass die Bevölkerung sich bewusst ist, warum es wichtig ist, an den Wahlen teilzunehmen. Diese Europawahlen sind aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Erstens kann das Europaparlament bei vielen wichtigen Themen ein zentrales Wort mitreden. So hat es zum Beispiel das Anti-Piraterie-Abkommen verhindert. Zweitens, bei dieser Wahl kommen selbst kleinste Parteien ins Parlament, weil es keine Sperrhürde gibt. Damit die Rechtspopulisten keine Chance haben, brauchen wir eine hohe Wahlbeteiligung. Drittens, das Europaparlament bestimmt mit, wer Kommissionspräsident wird. Nur starke Grüne können auf den nächsten Kommissionspräsidenten Druck ausüben, um grüne Inhalte in Europa umzusetzen.“

CDU: „Wir machen deutlich, dass das Europäische Parlament gleichberechtigter Gesetzgeber für viele Bereiche ist, die auch das Alltagsleben der Menschen beeinflussen. Daher ist es nicht einerlei, ob es eine Mehrheit für die Europäische Volkspartei (EVP) oder für die Sozialisten in Europa gibt. Wir arbeiten die politischen Unterschiede zwischen den Parteienfamilien heraus. Die CDU und die EVP stehen für einen stabilen Euro und lehnen die Vergemeinschaftung von Schulden in Europa ab. Wir stehen für eine Phase der Festigung der EU vor weiteren Beitritten und lehnen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei ab. Zum ersten Mal haben alle wichtigen Parteienfamilien Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufgestellt. Durch diese Personalisierung werden die inhaltlichen Positionen noch deutlicher.“

CSU: „Europa muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Europäische Einigung war bisher ein Projekt der politischen Eliten und der Führungsebenen. Das genügt nicht mehr. Europa muss jetzt ein Projekt der Bevölkerung werden. Das Europa der Zukunft muss ein Europa der Bürgerinnen und Bürger sein. Dazu wollen wir Volksabstimmungen in Deutschland über wichtige europäische Entscheidungen. Das gilt insbesondere für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten, wenn wichtige Kompetenzen nach Brüssel abwandern sollen oder wenn es um finanzielle Leistungen Deutschlands auf EU-Ebene geht. Außerdem wollen wir, dass die Menschen ihre Europa-Abgeordneten direkt wählen können. Dafür wollen wir ähnlich wie bei der Bundes- und Landtagswahl die Direktwahl von Abgeordneten in Wahlkreisen einführen.“

FDP: „Europas Bürgerinnen und Bürger müssen sicher sein können, dass ihre Stimme auch Gewicht hat. Deshalb will die FDP die demokratischen Strukturen der EU stärken und fordert das Initiativrecht für das Europäische Parlament. Das Europäische Parlament ist die einzige direkt vom Volk gewählte EU-Institution und soll künftig nicht nur über Gesetze mitverhandeln und abstimmen, sondern selbst neue Gesetze vorschlagen dürfen. Außerdem setzt sich die FDP für Elemente der direkten Demokratie ein. Zugleich muss sich die Europäische Kommission künftig auf die großen Gemeinschaftsaufgaben wie etwa in der Energie-, Wirtschafts- und Außenpolitik konzentrieren. Verbote von Glühbirnen, Staubsaugern und Fernsehgeräte braucht es hingegen nicht.“

Freie Wähler: „Die im Europaparlament vertretenen Parteien haben es über Jahrzehnte versäumt, Europa den Menschen zu erklären und ihre Arbeit in Brüssel verständlich und transparent zu machen. Hier müssen wir ansetzen: Wir wollen beispielsweise im Falle unseres Einzuges unser gesamtes Abstimmungsverhalten sowie die Kontakte zu Lobbyisten transparent darlegen, begründen und kommunizieren. Wir werden darauf achten, dass die Altparteien ehrlicher in der Europapolitik werden: Häufig stimmen die Parteien in Brüssel anders ab als sie es dann in der Heimat erzählen. Auch werden generell gerne die Verfehlungen in der Bundes- und Landespolitik auf die europäische Ebene geschoben. Dies müssen wir ändern und konsequent die Verantwortlichkeiten deutlich machen.“

Bild: flickr.com/ dielinkebw, Volker Bohn - CC BY ND 2.0

Bild: Das Europäische Parlament in Straßburg flickr.com/ dielinkebw, Volker Bohn – CC BY ND 2.0

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