Mehr als Peanuts

Klimatische Veränderungen bedeuten auch Chancen für Kulturpflanzen wie die Erdnuss, die sich ihren Weg auf europäische Äcker bahnt

Bild: Istock.com/sofirinaja.

Die Erdnuss zählt zu den beliebtesten Nüssen Deutschlands – der Pro-Kopf-Verbrauch lag laut der Deutschen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2020 bei 1,4 Kilogramm. Dabei ist die Erdnuss gar keine Nuss, sondern eine Hülsenfrucht, worauf auch die Übersetzung des englischen Wortes Peanut, also Erbsennuss, schließen lässt. Entscheidend für den Erdnussanbau sind allerdings, recht anders als bei unserer ordinären Erbse, relativ hohe Wärmesummen, die aus dem Durchschnitt des Temperaturhöchst- und -tiefstwerts eines Zeitraums berechnet werden. Steigen diese Summen in Europa, könnte die Erdnuss sich als neue Kulturpflanze etablieren. Sie hat schon begonnen, sich ihren Weg durch die Böden Österreichs und Deutschlands zu bahnen.

Importschlager Erdnuss

Grundsätzlich mag es die Erdnuss eher warm und trocken, Hauptanbaugebiete sind daher Westafrika, Indien, Nord- und Südamerika und – der weltweit größte Erdnussproduzent – China, das allerdings aufgrund hohen Eigenbedarfs weniger Erdnüsse als die USA exportiert. Ein landwirtschaftlicher Vorteil der Pflanze ist ihre gute Stickstofffixierung, womit man beim Erdnussanbau auf externe Stickstoffzufuhr verzichten und sich damit begnügen kann, die Überreste der Pflanze als Stickstoffdünger in den Boden einzuarbeiten. Das wiederum kommt der Bodenstruktur entgegen. Nachteile hat die Erdnuss allerdings schon auch: Da sind die nicht selten vorkommenden Blattkrankheiten einerseits, und andererseits der hohe Unkrautdruck nach der Aussaat, die bei guten Bedingungen ab Mai bei einer Bodentemperatur von mindestens 20 Grad stattfindet.

Im Wirtschaftsjahr 2020/21 wurden in Deutschland insgesamt 401.600 Tonnen Schalenfrüchte verzehrt. Am beliebtesten dabei war die Erdnuss, gefolgt von der Mandel und der Haselnuss.
ble.de

Wenn die Erdnuss diesen Widrigkeiten trotzt, läuft das nach der Aussaat folgendermaßen ab: Nach wenigen Tagen beginnen die Erdnusskerne zu keimen und mit der Zeit entsteht aus den Keimlingen ein 30 bis 60 cm hoher Busch, der mit kantigen Stängeln und gefiederten Blättern heranwächst und entlang der Blattachseln blüht. Die Erdnusspflanze, die zu den Leguminosen zählt und sich selbst befruchtet, bildet nach der Befruchtung Fruchtstiele, die unter die Erde wachsen, wo die Erdnuss zwischen 90 und 150 Tage lang reift. Danach werden die Erdnüsse geerntet, gereinigt, getrocknet, verpackt und rund um den Globus verschickt. Mittelfristig werden diese Transportaufwände vielleicht überflüssig.

Erfolgreicher Anbau auch in Deutschland

»Pflanzen sind immer bestrebt, Nachkommen zu produzieren, und so kämpfen sie sich auch bei widrigen Verhältnissen durch.«

Klaus Fleißner, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

Seit 2021 werden an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (Lfl) versuchsweise
Bioerdnüsse angebaut. Lfl-Mitarbeiter Klaus Fleißner untersucht, wie gut fremde Kulturpflanzen in Deutschland gedeihen, und startete dazu auch einen Versuch mit der Erdnuss, deren Anbau er aus Forschungsprojekten in Namibia kannte. Die Frage, die er sich dabei stellte, war, ob die Erdnüsse auch mit den geringeren Wärmesummen und den längeren Regenphasen in Deutschland zurechtkommen und im Vegetationsfenster Juni bis September bis zur Samenbildung kommen. Nach den heißen und trockenen Sommern 2018 und 2019 startete Fleißner 2021 seinen ersten Erdnussanbauversuch. Im Juni vergangenen Jahres säte er mit seinen KollegInnen Erdnüsse auf drei Versuchsparzellen in Ruhstorf (Niederbayern), Manching (Oberbayern) und Schwarzenau (Unterfranken) mit einer Gesamtfläche von 100 Quadratmetern. Die verwendete Sorte stammte aus Usbekistan und damit aus einem ähnlichen Breitengrad wie Bayern, denn ähnliche Tageslängen seien entscheidend für einen erfolgreichen Anbau fremder Kulturpflanzen, so Fleißner. Die Bodentemperatur war bei der Aussaat mit 18 Grad knapp unter der empfohlenen Mindesttemperatur von 20 Grad, trotzdem fingen die Samen an zu keimen und die Erdnüsse konnten nach knapp vier Monaten geerntet werden. Obwohl die Ernte per Hand und Spaten mit einem Quadratmeterertrag von rund 40 Gramm gering ist, zeigt sich der Forscher mit dem ersten Versuch zufrie den. Vor allem, dass die Erdnuss 2021 trotz des vielen Regens und des kühlen Sommers gut gedieh, stimmt ihn zuversichtlich. »Pflanzen sind immer bestrebt, Nachkommen zu produzieren, und so kämpfen sie sich auch bei widrigen Verhältnissen durch.«

Klaus Fleißner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Dort beschäftigt er sich mit Kulturpflanzenvielfalt.
lfl.bayern.de
Bild: Lucia Holmer.

Wird die Erdnuss zur heimischen Kulturpflanze?

Derzeit rentiere es sich wirtschaftlich noch nicht, Erdnüsse in Deutschland anzubauen, sagt Klaus Fleißner. Für die Zukunft bräuchte es nicht nur eine höhere Bodentemperatur bei der Aussaat, die man durch einen Anbau auf Dämmen oder eine Mulchfolienabdeckung des Bodens erreichen könnte, sondern auch standortangepasste Erdnusssorten, die trotz der geringeren Wärmesummen in Mitteleuropa gut wachsen und wirtschaftlich sinnvolle Erträge liefern. Zu diesem Zweck hat der Forscher schon sieben verschiedene Sorten aus aller Welt bekommen, außerdem steht eine Kooperation mit einem großen indischen Forschungsinstitut an, das ihm noch 20 Erdnusssorten mit kurzer Vegetationszeit für seine nächsten Versuche zugesagt hat, mit denen ein Anbau in Deutschland während der Sommermonate besser möglich sein soll. Geht der Plan auf, können die besten Sorten vermehrt und erneut eingesetzt werden und die Erträge mit der Zeit auf ein wirtschaftliches Niveau für BiolandwirtInnen steigen.

Ein bisschen weiter südlich ist man über die ersten Versuche bereits hinaus: Dass ein kommerziell erfolgreicher Erdnussanbau in Österreich möglich ist, beweist die Familie Romstorfer aus dem Weinviertel. Seit 2018 wachsen auf dem Feld der Biobauern Roman, Stefan und ihres Vaters Franz Erdnusspflanzen. Die Idee für den österreichischen Bioerdnussanbau kam einerseits durch die Überlegung, etwas Einzigartiges machen zu wollen, andererseits erschien sie den beiden Brüdern als Antwort auf die klimatischen Veränderungen logisch, erzählt Stefan Romstorfer. Zu Beginn war es nur ein Hektar, auf dem jährlich mehrere Hundert Kilo Bioerdnüsse gedeihen, mittlerweile sind es schon 22
Hektar, die die Romstorfers gemeinsam mit PartnerlandwirtInnen bewirtschaften. Ausgesät werden Anfang Juni die Sorten »Runner« und »Spanish Valencia«. Verglichen mit den Ernten in anderen Ländern seien die österreichischen Bioerdnüsse zwar etwas kleiner, der Geschmack sei allerdings für viele besser und natürlicher als der der prallen amerikanischen oder ägyptischen Erdnüsse, erzählt Stefan Romstorfer stolz.

Für die österreichischen Erdnüsse werden die Sorten »Spanish Valencia« und »Runner« angepflanzt. Bild: neuland.bio.

Die größten Schwierigkeiten beim Anbau der fremden Kulturpflanze in Österreich sind für die Romstorfers einerseits Feuchtigkeit, die in der Keimzeit die gesamte Ernte zerstören kann, und andererseits das Unkraut, weil es eine Konkurrenz für die Erdnuss in Sachen Nährstoffversorgung darstellt. Dessen Entfernung heißt im Bioerdnusslandbau vor allem Handarbeit. Bis zu 200 Stunden brauchen die Bioerdnussbauern aus dem Weinviertel, um einen Hektar des Erdnussackers vom Unkraut zu befreien. Stefan Romstorfer betont außerdem, dass es in Österreich verglichen mit etablierten Kulturarten außerdem keinerlei Infrastruktur und Wissen ür den Erdnussanbau gebe und man sich daher »um vieles selbst kümmern« müsse.

Neuland betreten

Doch der ganze Aufwand lohnt sich aus Sicht der Biobauern aus dem Weinviertel. Sind die Erdnüsse nach etwa vier Monaten reif, werden sie mithilfe einer Maschine, die die Pflanzen ausgräbt, die Erdnüsse von den Stielen rebelt und das gehäckselte Pflanzenmaterial am Acker hinterlässt, geerntet. Damit die Erdnüsse nicht zu schimmeln beginnen, werden sie direkt am selben Tag gewaschen und in einem Lüfter bei 30 bis 35 Grad getrocknet. Einige Tage später werden sie sortiert und in sogenannten Bigbags, großen Schüttgutbehältern mit einem Fassungsvermögen von einer Tonne, verpackt und in die Schweiz verschickt, denn dort befindet sich einer der wenigen Erdnussröster Europas, der auch das Verpacken der Erdnüsse übernehmen kann. Fertig geröstet und ungeschält verpackt findet man die beiden Sorten ab Ende November im österreichischen Einzelhandel in einer 150-Gramm-Packung um rund 3 Euro und im Onlineshop der österreichischen Bioerdnusspioniere als 200-Gramm-Packung um 2,30 Euro zuzüglich der Versandkosten. Seit 2021 produzieren die Romstorfers außerdem Bioerdnussbutter, für die sie ihre Erdnüsse schon selbst rösten.

Neuland Bioerdnussbutter
Die österreichischen Bioerdnüsse, die daraus entstandene Erdnussbutter und ein dazu passendes Traubengelee der Familie Romstorfer können entweder online oder ab Hof gekauft werden.
neuland.bio

BIORAMA #77

Dieser Artikel ist im BIORAMA #77 erschienen

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