Ethischer Konsum? Der wird nicht reichen
Bewusster Konsum soll die Welt retten. Das ist zu viel verlangt. Zur Rettung der Welt reicht nicht der Glaube an die Kaufkraft von Ökos und LOHAS.
Warum sollen ausgerechnet die Konsumenten die Welt retten, die durch ihre Nachfrage auch eine ressourcenverzehrende Agrarindustrie, Dumpinglöhne in diversen Branchen, Fast Food, Fast Fashion, Fast Everything erschaffen haben? Schließlich betreiben wir zur Lösung der großen Probleme doch auch eine Demokratie. Es werden nicht die LOHAS sein, die durch ihr Kaufverhalten die Welt retten, auch wenn sie das zum Teil sogar selbst glauben. „Kauf dir eine bessere Welt“ lautet die Subline von Utopia.de, der größten LOHAS-Website im deutschsprachigen Internet. Dabei wird nicht ganz klar, weshalb der individuelle Kauf von Produkten, die ökologisch und fair produziert und gehandelt werden, gleich die ganze Welt verbessern sollte. Selbst die Hebelwirkungen von zahlreichen individuellen Kaufentscheidungen, die von LOHAS getroffen werden, entfaltet keine vom Marktplatz ausgehende Revolution im Umgang mit Ressourcen.
The Revolution will not be televised, the Revolution will not fit in a shopping bag!
Viele schätzen den Einfluss ihres Konsums auf die Welt zu groß ein. Zwar verstehen sich ökologisch und nachhaltig bewegte Konsumenten als Teil einer Bewegung von Gleichgesinnten. Und dennoch macht das LOHAS-Segment nur einen kleinen Teil der Konsumenten weltweit aus.
Selbst wenn die Innenstadtbezirke der wohlhabenden Zentren der Welt sich fair und biologisch ernähren und kleiden, betrifft das noch immer nur einen Bruchteil der Bevölkerung, und einen Bruchteil der Waren und Produkte.
Es sind politische Entscheidungen, an denen sich zeigen lässt, welche Schritte in Richtung besserer, nachhaltigerer Waren und Produkte möglich sind. Es waren schließlich nicht die Konsumenten, die dafür gesorgt haben dass Asbest, FCKW oder die herkömmliche Glühbirne vom Markt verschwunden sind. Es war die Politik. Klassische Top-Down Entscheidungen haben sehr zielgenaue Änderungen am juristischen Regelwerk vorgenommen, im Sinne von Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Die Hebelwirkung dieser politischen Maßnahmen ist unlängst größer als die des nachhaltigen Konsums einiger, in aller Regel privilegierter, Nachhaltigkeitskonsumenten. Besonders deutlich zeigt sich das, wenn man sich die Lautstärke bewusst macht, mit der gegen die EU-Bevormundung in Sachen Glühbirnen-Verordnung gewettert wurde. Und trotz allen Gezeters von denen, die sich bevormundet fühlen: Der Energieverbrauch der in Europa verkauften Glühbirnen sinkt durch die Verordnung. Und genau das war ihr Ziel. Dieses Ziel zu erreichen, indem man an das Gewissen von Konsumenten appelliert, und ihnen weiterhin unterschiedliche Glühbirnen anbietet, mit unterschiedlichem Energieverbrauch, ist relativ utopisch.
Bewusster Konsum plus nachhaltige Politik
Bewusster Konsum allein wird die Welt nicht nachhaltig verändern. Und trotzdem brauchen wir ihn genau so dringend wie nachhaltige Politik.
Denn die Bewusstseinsbildung der Menschen findet auch im Supermarkt statt. Wo bewusst konsumiert wird, entsteht Haltung, selbst dann, wenn sie nur als Tarnung für ein soziales Distinktionsmerkmal dient. Von der Politik müssen nachhaltige Entscheidungen eingefordert werden. Sollen die Leute das tun, dann sollen sie auch in ihrem Alltag in der Lage sein, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
In unserer modernen Warenwelt haben Waren längst nicht primär einen Gebrauchswert. Eine Biokarotte wird schnell zum Symbol, zum Träger eines Mythos. Durch unser Einkaufsverhalten erzeugen wir uns ständig die Narration darüber, wer wir sind und was uns dazu macht.
Der Medientheoretiker Bernd Ullrich hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, wie Waren und Produkte heute ihre Symbolwirkung entfalten. Die Rolle der bunten Warenwelt schätzt er ziemlich groß ein. Damit wird die Rolle der Unternehmen freilich eine neue:
„Künftig könnten es Unternehmen sein, die maßgeblich zur Meinungsbildung beitragen und für öffentliche Debatten sorgen. Sie sind vermutlich sogar wichtiger als die klassischen Medien, wenn es darum geht, ungewöhnliche Plots zu ermöglichen, Ideen in den Alltag – und die Handlungsabläufe – zu implementieren und Wege vom Wissen zum Handeln zu bahnen.“
Man sollte Firmen auf die Finger schauen, wenn sie sich zu Akteuren der Meinungsbildung aufschwingen, so wie man auch klassische Medien und politische Akteure kritisch hinterfragt.
Wenn man sein Engagement im Sinne der Nachhaltigkeit weder auf den Konsum noch auf die Politik beschränkt, dann werden es tatsächlich bewusste Konsumenten sein, die die Welt retten können. Allerdings werden sie das in erster Linie in ihrer Rolle als bewusste Bürgerinnen und Bürger tun. Einkaufen werden sie so oder so.