„Es ist unglaublich, wie schön – aber auch fragil – unser Planet ist.“
Josef Aschbacher wurde vor einigen Monaten zum Direktor für Erdbeobachtung bei der Europäischen Weltraumagentur ESA bestellt. Aus diesem Anlass haben wir ihn zum Interview über die Leidenschaft, die er zu seinem Beruf gemacht hat, gebeten.
Bitte erzählen Sie etwas von Ihrem Werdegang und wie Sie dazu gekommen sind die Erde von oben anzuschauen.
Mein Werdegang war immer auf die Faszination Weltraum ausgerichtet. Als 7-jähriger habe ich die Mondlandung 1969 auf einem flimmernden Schwarz-Weiss Fernsehschirm gesehen. Das hat mich sehr fasziniert, so sehr, dass ich – als neugieriges Kind – mehr darüber lernen wollte und Bücher über diese und andere technischen Wunder verschlungen habe. Ich habe dann die Studienrichtung so ausgewählt, um möglichst viel über Weltraumforschung und die Erkundung unseres Planeten zu lernen. Das war an der Universität Innsbruck damals im Studienzweig Meteorologie und Geophysik, das ein sehr gutes Fernerkundungsstudium anbot. Nach Abschluss des Magister und Doktorstudiums habe ich eine Stelle bei der ESA als Young Graduate Trainee bekommen, um mich auf den Aufenthalt in Südost-Asien vorzubereiten. Dort habe ich am Asian Institute of Technology in Bangkok Vorlesungen als Assistant Professor in Fernerkundung und Digitaler Bildverarbeitung gehalten und gleichzeitig als Repräsentant der ESA in Asien gearbeitet. Eine der Hauptaufgaben war, die neuen Radar-Fernerkundungsdaten des 1991 gestarteten ERS-1 Satelliten in Asien einzuführen. Eine meiner prominentesten Studentinnen war die Kronprinzessin von Thailand, Maha Chakri Sirindhorn. Nach der Rückkehr aus Asien habe ich vorerst am Gemeinsamen Forschungszentrum der Europäischen Kommission in Ispra (bei Mailand) gearbeitet und bin 2001 wieder zurück zur ESA an deren Sitz in Paris gegangen. 2006 wurde ich zum Leiter des Copernicus-Büros des Europäischen Space Research Instituts in Frascati befördert, wo ich 2014 zum Leiter der Programmplanung und Koordination des Direktorats für Erdbeobachtung befördert wurde. Seit Anfang Juli bin ich Direktor der Erdbeobachtungsprogramme.
Ich habe also seit 1990 immer im Bereich der Erdbeobachtung gearbeitet, zum Teil bereits vorher an der Universität Innsbruck als wissenschaftlicher Assistent. Erdbeobachtung fasziniert mich enorm. Es ist unglaublich, wie schön – aber auch fragil – unser Planet ist. Satelliten bieten die beste Möglichkeit, diese Schönheit zu sehen, aber auch Änderungen frühzeitig zu erkennen, um die Menschheit vor deren Folgen zu warnen.
Was macht denn der Bereich Erdbeobachtung konkret und was sind ihre Aufgaben als nunmehriger Direktor?
Erdbeobachtung ist, wie der Name sagt, die ständige Beobachtung unseres Planeten mit verschiedensten Sensoren. Derzeit kreisen mehr als 100 Erdbeobachtungssatelliten kontinuierlich um die Erde und vermessen ständig unsere Land-, Ozean- und Polargebiete sowie den Zustand der Atmosphäre. Die ESA ist mittlerweile führend in diesem Bereich und gerade im Begriff, das modernste operationelle Erdbeobachtungssystem, Copernicus genannt, aufzubauen. Ausserdem hat die ESA fantastische Wissenschaftsmissionen, sogenannte Earth Explorers, die sowohl wissenschaftlich als auch technologisch neue Fronten öffnen. Ausserdem baut die ESA alle Wettersatelliten in Partnerschaft mit EUMETSAT, die jene betreibt und für die tägliche Wettervorhersage bereitstellt.
Als Direktor bin ich für das gesamte Erdbeobachtungsprogramm der ESA verantwortlich. Das Budget meines Direktorates ist derzeit bei 1,6 Mrd. Euro pro Jahr und ich habe etwa 320 ESA Angestellte sowie weitere 400 Vertragsbedienstete in meinem Direktorat. Die ESA arbeite allerdings im engen Verbund mit der Industrie, die alle technologischen Entwicklungen durchführt und zum Beispiel die erwähnten Satelliten in unserem Auftrag entwickelt und betreibt.
Welche Erkenntnisse und Anwendungen gibt es im Bereich der Umwelt- und Klimaforschung?
Es gibt unzählige Erkenntnisse in diesen Bereichen, die ständig in wissenschaftlichen Publikationen erscheinen. Beispiele sind die Folgen der Klimaänderung wie das Abschmelzen der Polarkappen, der arktischen Eisbedeckung und die Öffnung der Nord-ost Passage zwischen Europa und Asien, die Verringerung der heimischen Gletschermassen, die global Regenwaldabholzung, Ausbreitung von Dürre und Trockenheit, die Überwachung der globalen landwirtschaftlichen Produktion, usw. In Österreich wird Erdbeobachtung in vielerlei Bereichen eingesetzt, zum Beispiel zur Überwachung der Gletscher, für Erntevorhersagen, bei der Warnung vor Murenabgängen, in der Erfassung überfluteter Gebiete, in der Stadtplanung oder bei der Trassenplanung für Strassen oder Skipisten. In der globalen Klimaforschung werden von Satelliten kontinuierlich Messungen des Meeresspiegels, der Wasser- und Landtemperatur, der atmosphärischen Treibhausgase, der globalen Abholzung usw. durchgeführt. In etwa die Hälfte der rund 50 Essential Climate Variables werden von Satelliten kontinuierlich und global gemessen.
Sie waren an der Entwicklung des Erdbeobachtungsprogramms der Europäischen Union „Copernicus“ beteiligt. Dabei handelt es sich um ein Programm zur Globalen Umwelt- und Sicherheitsüberwachung. Wie sind die Ziele und der Nutzen des Programms definiert?
Ich war seit dem ersten Tag am Aufbau von Copernicus beteiligt. Das liegt mittlerweile 18 Jahre zurück, seit 1998. Mittlerweile ist Copernicus das beste Erdbeobachtungsprogramm weltweit und internationale Partner wie die USA (NASA, NOAA, USGS), Australien, Japan, Brasilien und viele mehr haben eigene Programme zur Nutzung des europäischen Copernicusprogrammes aufgebaut. Die Daten unserer Sentinel Satelliten sind mittlerweile eine der wichtigsten Datenquellen für Klima- und Umweltüberwachung weltweit. Und dabei sind wir erst am Beginn des Aufbaus des Gesamtsystems. Zum Beispiel erwarten wir einen Datenfluss von unseren Sentinel Satellite in der Größenordnung von 6 TB pro Tag am Ende dieses Jahres. Dies bringt uns unmittelbar in den sogenannten Big Data Bereich, in dem die vernetzte Nutzung der Daten eine zentrale Rolle spielt.
Die Satelliten-Daten von Copernicus stehen kostenfrei und offen für jedermann zur Verfügung. Welche Vorteile bietet eine solche Open Data Politik?
Die Vorteile sind eindeutig. Nur durch eine offenen Datenpolitik werden die Daten auch wirklich genutzt. Da das System durch öffentliche Mittel bereits finanziert ist, ist eine kommerzielle Verbreitung dieser Daten nicht sinnvoll. Durch die offene Datenpolitik wollen wir aber vielen Firmen Möglichkeiten anbieten, diese Daten in höherwertige Informationsprodukte zu verwandeln, um dadurch neue Geschäftsfelder zu entwickeln. In Copernicus hat eine PWC Studie ergeben, dass bei einer offenen Datenpolitk der volkswirtschaftliche Nutzen um einen Faktor 10 höher ist als die dafür notwendigen Investitionen.
Wie steht es um die Förderung der Weltraumforschung in Europa? Gibt es genug Budget?
Weltraumforschung ist, gottseidank, relativ krisenresistent, da die Nutzung des Weltraums bereits so tief in das tägliche Leben eingedrungen ist, dass diese Daten und Informationen unabdingbar sind für viele Bereiche des täglichen Lebens.
Welche Bedeutung messen Sie der Erdbeobachtung beziehungsweise der Weltraumforschung in der Zukunft bei und welche Potenziale sehen Sie?
Die Erdbeobachtung ist ein stark wachsender Zweig im Technologiesektor. Zum Beispiel haben die Anwendungsbereiche einen kommerziellen Zuwachs des Umsatzes zwischen 8-10% in den letzten 10 Jahren erfahren. Und dies auch waehrend der Finanzkrise. Dies beweist, dass der Sektor sehr robust ist und dass neue Dienstleistungen von der Gesellschaft sehr positiv aufgenommen werden. Abgesehen davon bringt die Wissenschaft neue Erkenntnisee unseres Planeten, die absolut wichtig für unsere Menschheit sind.
Dankeschön!
Wie ein Blick von oben auf unseren Planeten, der die Weltanschauung verändern kann, behandelt die Kurzdoku „Overview“, mit der wir uns bereits hier beschäftigt haben.