Es gibt Luchsnachwuchs!
Luchse sind die neuen Katzen – oder: als Babys mindestens doppelt so süß und nicht nur auf Youtube eher selten. Eine kleine Ausnahme gibt es allerdings. In Thüringen, nahe des Nationalparks Harz, wurde im Mai ein Sensationsfund gemacht – dieser hat fünf kleine Köpfchen, zwanzig pelzige Tatzen und eine junge Mama, die ganz besonders gut aufpasst.
In vielerlei Hinsicht ist dieser Wurf ziemlich einzigartig. Luchse gebären im Freiland normalerweise eins, selten zwei, höchstens drei und eigentlich nie fünf Jungtiere. Der erste freigeborene Luchsnachwuchs auf Thüringschem Gebiet überhaupt, und dann auch noch Fünflinge. Außerdem wurden die Wildkatzen vor etwa 200 Jahren eigentlich komplett ausgerottet. Todfeind Nummer eins: der Mensch natürlich. In den 80ern wurde im Bayrischen Wald erstmals damit begonnen, Luchse in der freien Natur wieder anzusiedeln.
Insgesamt dürften sich in den deutschen Wäldern, konzentriert auf das Thüringer Harz, den Schwarzwald, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen nach momentanen Schätzungen etwa 150 – 200 Luchse herumtreiben und das ist wirklich nicht viel. Umso besser also, dass die gebärfreudige Jungmutter es geschafft hat, dass fünf Jungspunde das Licht der Welt erblickten.
Wenn sich fünf Babys selbstständig machen
Drei bis vier Monate dauert es, bis die kleinen Luchse den Bau zum ersten Mal verlassen. Die fünf Musketiere, mit denen wir es hier zu tun haben, werden also Ende August, Anfang September das erste mal den Geruch der Freiheit, oder den von frischem Reh- und anderem Huftier-Blut geschnuppert haben. Die Mutter lässt sie am Anfang das gemachte Bettchen nämlich nur dann verlassen, wenn sie ihre Jungen nach erfolgreicher Jagd zur erlegten Beute führt.
Im Laufe des Herbstes werden die Kleinen dann immer selbstständiger und durchqueren den Wald auch mal ohne Begleitung, allerdings immer nur ganz kurz. Erst im Frühjahr sind sie dann zu Teenagern herangewachsen und brauchen keinen Bodyguard mehr.
„Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden die Jungtiere im kommenden Frühjahr nach der Trennung von der Mutter abwandern. Da die jungen Luchse nicht im geschlossenen Harzwald sondern in der halboffenen Agrarlandschaft außerhalb des Mittelgebirges zur Welt gekommen sind, ist es besonders interessant, welchen Weg sie dabei einschlagen werden. Sollte sich dieser Weg dokumentieren lassen, könnte dies neue Erkenntnisse über die Ausbreitungschancen des Luchses in unserer Landschaft liefern.“
Der große Wurf ist vielleicht kein Startschuss für eine rasant steigende Luchspopulation, aber dennoch ein Hoffnungsschimmer im langwierigen Prozess der Wiederansiedelung dieser Tiere.
Gefahr im Verzug
Nach vier Wochen lässt die Luchmutter ihre Jungtiere alleine, wenn sie sich auf die Jagd macht. In den kurzen Zeitspannen, während sich die Mutter auf Beutezug befindet, sind die Kleinen natürlich ungeschützt, und den langen Klauen ihrer Fressfeinde wie Mardern oder Füchsen ausgeliefert. Später, wenn sich die Luchs-Teenies von der mütterlichen Obhut losgelöst haben, können sie sich gegen diese hungrigen Mäuler besser verteidigen. Trotz dessen wird das Überleben für die Luchse dann nicht einfacher.
„Neben dem Hungertod, innerartlichen Auseinandersetzungen und Infektionen bildet dann für die Abwanderer auch der Verkehr eine zunehmende Gefahr. Bei überfahrenen Luchsen handelt es sich häufig um solche Jährlinge.“
Gefahr besteht aber lediglich für die Luchse selbst. Für Wanderer stellen die Wildkatzen keinerlei Gefahr dar. Einzig, wenn man mit den vierbeinigen Begleiter durch den Wald spaziert sollte man sich vorsehen – denn:
„Eine Luchsin verteidigt ihren Nachwuchs gegenüber Menschen nicht, sehr wohl aber gegenüber freilaufenden Hunden.“
Also, Hund an die Leine, dann passiert nichts. Das sollte man im Wald aber sowieso tun.
Mit Zitaten und Informationen rund um die deutschen Luchse von Ole Anders, Koordinator des Luchsprojektes Harz. Zum vollständigen Interview mit Ole Anders geht’s hier lang.