„Es geht um die Atmosphäre auf dem Platz“
Für »Cool Camping Deutschland« hat Autor Björn Staschen fast 60 Campingplätze in der Bundesrepublik ausgewählt und bewertet – von der Salzwiese auf einer Insel im nordfriesischen Wattenmeer bis zum Indianer-Tipi-Dorf auf einem Öko-Bauernhof in der Rhön.
BIORAMA: Björn, Sie haben für die Campingplatzführer-Serie »Cool Camping« fast 60 Plätze in ganz Deutschland getestet. Was akkreditiert Sie als Tester? Wie kommt man in diese beneidenswerte Position, sich beruflich so ausgiebig mit dem Thema Urlaub beschäftigen zu dürfen?
Björn Staschen: Da muß ich einerseits sagen, dass es leider nicht mein Hauptberuf ist, Campingplätze zu testen. Das wäre toll, das würde ich auch gerne machen, davon kann man aber nicht leben. Es ist eher eine private Leidenschaft, die entstand, als ich für die ARD als Korrespondent in Großbritannien gearbeitet habe. Da hab ich begonnen, mit meiner Frau zu campen. Denn in Großbritannien gab es diese Buchreihe – „Cool Camping England“, „Cool Camping Schottland“, „Cool Camping Wales“ – und wir haben von diesen Plätzen unheimlich viele gesehen. Wir haben dabei gelernt, dass Camping auch ganz anders geht als das Klischee uns das vermittelt hat. Ich dachte bis dahin auch – und deswegen war ich eigentlich kein eingefleischter Camper – Campingplätze, das heißt vor allem: Dauercamper, viele Regeln, viele Jägerzäune, Gartenzwerge. Doch auf den Cool-Camping-Plätzen war es das Gegenteil. Und deswegen haben wir es lieben gelernt und uns dann, nach der Rückkehr nach Deutschland gefragt: Gibt es diese Plätze wohl auch hier? – wir wussten es einfach nicht. Das war dann der Ansporn, das heraus zu finden. Insofern qualifiziert mich zu meinem Hobby die Erfahrung aus England. Wir haben da ein ziehmlich gutes Gefühl dafür bekommen, welche Plätze wir mögen und welche Plätze uns Gleichgesinnten nahe bringen, wo wir die Menschen treffen, mit denen wir auch gerne zusammen campen, Zelt an Zelt. Junge Familien die nicht so – sagen wir einmal – „Hardcore Camper“ sind.Es geht darum, dass man Spaß hat, Freude hat, Freiheit spürt, Lagerfeuer macht und das Ganze einfach genießen kann. Und solche Plätze haben wir besucht. Jetzt hoffen wir, dass diese Cool Camping-Idee, so wie in Großbritannien, zur Bewegung wird und mehr Anhänger findet, damit wir noch mehr nette, schöne Campingplätze mit noch mehr netten Leuten finden.
Sie waren für den Band »Cool Camping Deutschland« mit Ihrer Frau und Ihrem Kind in einem nicht gerade als geräumig zu bezeichnenden VW-Bus bestimmt eine Weile unterwegs. Für so manche Familie wird schon ein einwöchiger Camping-Urlaub auf so engem Raum zur Feuerprobe. Konnte Sie ihre Arbeit die ganze Zeit über genießen oder hatten sie auch mit diesen scheinbar natürlich auftretenden Reibereien zu kämpfen?
Als ich habe nicht die ganze Recherche mit der Familie gemacht – das wäre auch zu viel gewesen. Wir hatten schon viele Plätze kennengelernt, und einige habe ich dann in kurzer Zeit noch einmal unter die Lupe genommen. Wir waren als Familie ein halbes Jahr unterwegs, nachdem wir in England die Zelte abgebrochen hatten und bevor wir zurück nach Deutschland gekommen sind. Wir hatten alle Wohnungen aufgegeben und waren zu dritt mit unserem geliebten VW-Bus „Florence“ unterwegs. Und man reduziert sich dann ja sehr, was Klamotten anbelangt, auch, was Ansprüche anbelangt und erfreut sich dann an der Natur. Für unseren Sohn war das wunderbar. Der war eineinhalb Jahre alt. Das Einzige was er dabei hatte, war sein Bobby Car. Und wo immer wir geparkt haben, wo wir unser Hochdach hochgefahren haben, war seine erste Forderung: Er möchte bitte sein Bobby Car haben. Und dann hat er den Campingplatz erkundet. Es war eine wunderbar freie Zeit, also ich kann mich nicht wirklich erinnern, dass wir aneinander geraten wären. Ich glaube aber auch, dass wir nicht aneinander geraten sind, weil wir eben keine „Hardcore Camper“ sind. Wenn eine Schlechtwetter-Front vorhergesagt war – das war zugegebener Maßen nicht so häufig der Fall, weil wir auch viel in Südfrankreich waren – aber wenn schlechtes Wetter drohte, dann sind wir auch mal in die Stadt gefahren, haben ein Hotel genommen, für zwei, drei Nächte und haben die Stadt erkundet. Ich halte wenig davon, ich würde es auch nach wie vor nicht tun, mit meiner Familie auf Teufel komm raus zu zelten. Wenn das Wetter nicht danach ist – verdammt nochmal nein! – dann machen sie das doch nicht.
Wie kann man sich die Herangehensweise an einen so ausgiebigen wie aufwändigen Test vorstellen? Gab es für die Campingplätze eine Vorauswahl oder waren auch schreckliche Campingplätze dabei, die es folglich einfach nicht in den Führer geschafft haben?
Ich habe hunderte Campingplätze recherchiert. Das war vor allem eine Internet-Recherche , zudem gab es viele Plätze, die ich schon kannte oder von denen ich gehört hatte. Dann sind so hundert, hundertzwanzig, hundertvierzig in die engere Auswahl gekommen, und die hab ich alle besucht. Und da waren in der Tat schreckliche dabei, ja. Es waren wunderbare dabei und es waren natürlich auch welche dabei, die irgendwo dazwischen liegen. Da war ich mir nicht ganz sicher: Kann das hier ein Platz sein, der in das Buch passt oder nicht? Das Entscheidende waren immer Urlauber, die mit Zelt kommen, die nur für kurze Zeit kommen, dass diese Camper den Betreibern wichtig sind. Es sind auch einige Plätze im Buch, auf denen es Dauercamper gibt, solange aber die Leute mit dem Zelt nicht in der hintersten Reihe stehen, sondern in der ersten Reihe und die gute Aussicht haben, solange ist das ja auch in Ordnung. Es geht mir immer auch um die Atmosphäre auf dem Platz. Es gibt aber auch Plätze, die im Internet wunderbar aussehen, die dann aber an der Bundesstraße liegen oder an der Autobahn und auf solchen bin ich auch mal gelandet und ganz schnell weiter gefahren. Manchmal war es hart: Es gab auch Plätze, die mitten im Nichts lagen. Da hatte mir irgendjemand erzählt, „Oh, der Campingplatz ist ganz schön“ . Vor Ort sah man dann aber, dass es den Betreibern nicht darum ging, Menschen in die Natur zu bringen und ihnen ein Camping-Erlebnis zu verschaffen. Es ging eher darum, wie sie mit einer Wiese noch ein bisschen Geld verdienen könnten. Und solche Plätze haben es dann auch nicht ins Buch geschafft.
Ich behaupte im Artikel »Das Prinzip Zelt« in der aktuellen BIORAMA-Ausgabe eingangs, dass jeder Mitteleuropäer eine Anekdote zum Thema »Camping« zum Besten geben kann. Welche würden Sie erzählen?
Ich erinnere mich an eine, die mich mutmaßlich zum Schönwetter-Camper gemacht hat. Wir haben nämlich alljährlich – als ich zwölf, dreizehn, vierzehn war – mit dem Schwimmverein hinter dem Hallenbad gezeltet. Das waren noch diese alten, schweren Giebelzelte, die man als Junge kaum allein tragen konnte, die hatten dieses umgekehrte Stangen-„U“ in der Mitte und waren rundherum abgespannt. Sie waren nie ganz wasserdicht, standen immer so ein bisschen blöd schief, waren zerknittert, und wir sind jedes Jahr wieder einmal abgesoffen. Und zwar komplett. Und so sehr, dass wir dann in der Nacht um Elf oder um Zwölf ins Hallenbad umgezogen sind. Und dann haben wir in den Kabinen am Boden geschlafen. Andererseits war das eigentlich auch immer der Höhepunkt: Man hat die ersten Stunden im strömenden Regen gehasst, aber gewusst – aus dem vergangenen Jahr – ach, da können wir nachher wieder im Hallenbad schlafen, dann wirds wieder ganz schön.
Ich erinnere mich aber genauso an Camping-Urlaube in Südfrankreich, mit eben diesem Schwimmklub, in denen wir nachts wieder komplett weggeschwommen sind. Denn seltsamerweise standen wir als Gruppe zwischen vielen Franzosen genau in der Senke des Campingplatzes, durch die das Wasser laufen würde. Rückblickend habe ich das Gefühl: Alle anderen wussten das, nur wir nicht. Und dann kam der Regen, und alles was nicht festgebunden war, schwamm mit.
Und es gibt noch eine dritte Geschichte, an die ich mich sehr gerne erinnere. Da war ich mit meiner Frau in Australien unterwegs, frisch verheiratet, in einem Bulli. Wir hatten uns eher am Rand des Campingplatzes, nahe an die Natur gestellt. Mitten in der Nacht sind wir aufgewacht, weil wir Schritte hörten. Die ganze Zeit Schritte um unseren Bulli herum. Wir hatten wirklich ein bisschen Angst. Was könnte das sein? Also sind wir erst einmal still liegen geblieben. Aber die Schritte hörten nicht auf. Und dann hab ich irgendwann mit der Taschenlampe aus dem Auto herausgeleuchtet. Und da stand dann vor mir ein Känguruh, das in den Strahl der Taschenlampe schaute und mutmaßlich ebenso verängstigt war wie wir. Das war um uns herum geschlichen, vielleicht, um Essensreste zu ergaunern. Das ist doch das Schöne am Camping, dass man der Natur sehr nahe ist.
Der Erfolg der Bücherserie lässt nicht daran zweifeln, dass Ihre Meinung über die schönsten Plätze des Landes von großem Interesse für die Leserschaft sein dürfte. Würden Sie den coolen Campern da draußen aus all ihren Empfehlungen Ihren persönlichen Favoriten nennen?
Einer der einfachsten Plätze, und damit für mich auch der schönsten Platz im Land, ist der Campingplatz an der Fleuth. Die Fleuth ist ein Fluß am Niederrhein. Der Platz heißt auch „Anna Fleuth“, so wie man das umgangssprachlich, etwas nuschelig, sagen würde. Es ist der Campingplatz eines jungen Mannes, der genau denselben Traum hatte wie wir, nämlich Camping ohne Regeln, viel Freiheit. Und dieser Daniel Wouters hat dann schließlich einfach im Garten – zugegebener Maßen im großen Garten – seines Elternhauses einen Campingplatz eröffnet, wo noch nicht einmal Bullis rauf dürfen, sondern nur Zelte. Er macht das wirklich ganz wunderbar. Er bietet Kräuterkurse an und er hat einen Steinofen gebaut, in dem man Brot backen kann.
Aber ich liebe auch den Campingplatz auf der „Hallig Hooge“, der so tief liegt, dass er fünfmal im Jahr überflutet wird. Dann holt man die Camper schnell auf die Warft. Man schlägt sein Zelt also auf der Salzwiese auf, und zwischen dir und dem Meer sind noch ein paar windgepeitschte Grasbüschel. Also viel wilder geht es nicht.
Und dazu kommt noch ein Platz, den es leider aber im Moment nicht gibt, die „Tentstation“ in Berlin. Das war urbanes Camping, von jungen Leuten gemacht, aber auf einer Fläche, die nur ein paar Jahre zur Verfügung stand, bevor dort ein neuer Wellness-Tempel gebaut wurde. Die Tentstation-Macher suchen jetzt wieder nach einem Platz. In der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes hatten sie eine wunderbare Oase geschaffen, in der man frei und fröhlich draußen schlafen konnte. Die Betreiber sind Menschen, die das einfach so aufgesogen haben, diese Idee vom Cool Camping. Sobald sie wieder eine Fläche gefunden haben, wird es sicher wieder etwas ganz Wunderbares geben, mitten in der Hauptstadt.
So schließen wir unser Gespräch mit einem Aufruf und der Bitte um sachdienliche Hinweise bezüglich einer möglichen, neuen Fläche für eine neue Berliner „Tentstation“ und tragen so vielleicht einen Schritt zur Bewegung des Cool Camping bei. Danke für das Gespräch, Herr Staschen.
»Cool Camping Deutschland« von Björn Staschen ist bei Haffmans & Tolkemitt erschienen.
www.coolcamping.cc