»Erzählte Geschichte« online – Gedanken eines Museumsdirektors
Wie lässt sich ein Museum aus dem Homeoffice leiten? Ermöglicht ein darniederliegender Kulturbetrieb Museumsarbeit? Matthias Pacher, Geschäftsführer des Museum Niederösterreich, macht sich Gedanken über das virtuelle Museum und die künftige Bedeutung des Museums als realer Begegnungsraum.
[GASTKOMMENTAR] Die aktuelle Covid19-Krise trifft jeden unterschiedlich, aber die meisten sehr hart. Für uns als Kulturbetrieb hieß es mit 12. März: Türen schließen, Umstellen auf Notbetrieb. Weder privat noch beruflich weiß man in den ersten Momenten, wie man mit der aktuellen Situation, wie man mit »Social Distancing« genau umzugehen hat. Das Unternehmen von zu Hause aus zu verwalten und gestalten, abseits der gewohnten Umgebung vor Ort, das ist für Geschäftsführung und MitarbeiterInnen gleichermaßen eine neuartige Herausforderung. Abgesehen davon mischt sich schnell auch Verunsicherung darunter: Was bedeutet das alles für meinen Job?
Als Leiter mehrerer Museen und Führungskraft sehe ich es als meine oberste Aufgabe, hier soweit es geht Ängste zu nehmen und Unsicherheiten gegenzusteuern. In Anbetracht zu erwartender Defizite in den Finanzen ist das eine Herausforderung, für die es in der Kulturbranche keine Erfahrungswerte gibt. Gerade deshalb liegt viel Potential darin, persönliche Gespräche zu führen und zu versuchen auch individuelle Lösungen für einzelne zu finden. Das Wichtigste sollte es sein, Arbeitsplätze zu erhalten bzw. für mich konkret: mein Team zu halten.
Ausstellungen liegen auf Eis
In dieser Krisen-Situation wirkt es – trotz vieler Auswirkungen auf das reale Leben – fast surreal, wie schnell ein Betrieb und auch das soziale Leben auf ein Minimum heruntergefahren werden kann. Wie lange braucht es, um eine Veranstaltung zu planen, wie schnell ist sie wieder abgesagt. Wie lange braucht es, um ein Ausstellungsjahr zu planen, wie schnell passiert’s, dass man auch hier vieles neu denken muss. Umplanen ist aktuell eine der größten Devisen. So mussten auch wir viele Events kurzfristig absagen oder verschieben: Unser für März geplantes Kinder- und Jugendbuchfestival KIJUBU, auf das wir seit einem Jahr hinarbeiten, wird jetzt im November 2020 stattfinden. Auch unsere Ausstellungseröffnungen, etwa die Schau »KLIMA & ICH« liegen derzeit auf Eis.
Möglicherweise stehen Kulturbetriebe aktuell nicht an erster Stelle, wenn es um Einschränkungen und Verzicht geht. Aber es trifft uns als Ort für Kulturschaffen dennoch hart, dass wir (vorübergehend) diese Aufgabe im »klassischen« Sinne vorerst nicht wahrnehmen können. Museen und Veranstaltungshäuser leben davon, dass Menschen vor Ort zusammenkommen, miteinander in Aktion treten oder gemeinsam etwas erleben (Stichwort »Begegnungsraum«). Ist das Verlegen des Museums in den virtuellen Raum wirklich die Chance der Zukunft? Das wird sich noch weisen, klar ist aber schon jetzt: die neuen Aufgaben stärken das Gemeinschaftsgefühl im Team und steigern die Kreativität.
»Haus der Geschichte«: ZeitzeugInnengespräche online
Waren vor einer Woche noch sämtliche Termine mit einem Mal aus meinem Kalender verschwunden, ist er in der Zwischenzeit wieder gut gefüllt. Sämtliche internen betrieblichen Kommunikationsplattformen und Arbeitsabläufe haben wir bestmöglich der aktuellen Situation angepasst. Ebenso sind wir – wie viele andere auch – auf den virtuellen Raum ausgewichen und machen hier unsere ersten größeren Gehversuche: Beim Haus der Geschichte werden wir in den nächsten Tagen unsere Zeitzeugengespräche der Reihe »Erzählte Geschichte« online stellen. Für das KIJUBU sind Online-Lesungen geplant. Die Möglichkeiten sind zahlreich und werden auch dankbar angenommen.
Vom Verlauf dieser nächsten Wochen hängt es ab, was ich für meine Organisation alles aus dieser Krise als »Chance« für die Zukunft mitnehmen werde.
Hinweis: BIORAMA ist Medienpartner der Ausstellung »KLIMA & ICH«, deren Eröffnung einstweilen verschoben wurde, und hat die AusstellungsmacherInnen beratend begleitet.